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Wissing: Finanztransaktionssteuer belastet die Bürger

Eine Finanztransaktionssteuer treffe nicht die Banken, sondern die Bürger, kritisiert der Vizevorsitzende und finanzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Volker Wissing. Zudem drohe die Abwanderung der Finanzgeschäfte in andere Länder, sollte die Steuer nur im Euro-Raum eingeführt werden.

Volker Wissing im Gespräch mit Jasper Barenberg | 12.01.2012
    Jasper Barenberg: Lange schon wird darüber diskutiert, wie man die Banken an den enormen Kosten für ihre Rettung in der Finanzkrise 2008 beteiligen könnte. Die Kanzlerin ist seit einigen Jahren schon auf den Vorschlag der politischen Linken eingeschwenkt: Warum nicht von den Banken eine Steuer verlangen für all ihre Finanzgeschäfte mit Aktien, mit Anleihen und anderen, zum Teil spekulativen Papieren. Inzwischen kann sich Angela Merkel sogar vorstellen, damit zunächst in der Eurozone anzufangen; allerdings hat FDP-Chef Philipp Rösler umgehend und vehement widersprochen. Warum eigentlich? – Am Telefon begrüße ich Volker Wissing, FDP-Vize und finanzpolitischer Sprecher der Liberalen im Bundestag. Schönen guten Morgen.

    Volker Wissing: Guten Morgen, ich grüße Sie.

    Barenberg: Herr Wissing, die Banken haben zu ihrer Rettung Milliarden an Steuergeldern erhalten. Was spricht eigentlich dagegen, sie mit einer Steuer an diesen Kosten zu beteiligen?

    Wissing: Zunächst einmal nichts. Wir haben deswegen auch in Deutschland eine Bankenabgabe mit eingeführt, die einen Fonds speist, mit dem künftige Risiken abgefedert und aufgefangen werden sollen.

    Barenberg: Mit kümmerlichen Ergebnissen bisher, oder?

    Wissing: Überhaupt nicht, denn die Bankenabgabe, kombiniert mit einem Restrukturierungsgesetz, hat ja mehr Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger geschaffen. Künftig können Bankinsolvenzen anders abgewickelt werden als in der Vergangenheit, nämlich nicht mehr auf Kosten des Steuerzahlers, sondern auf Kosten der Finanzbranche selbst.

    Barenberg: Wie viel ist denn da zusammengekommen?

    Wissing: Das Problem ist, wenn man den Banken zu hohe Steuern und Abgaben auferlegt, führt das dazu, dass die Kreditvergabe eingeschränkt werden muss, oder aber Risikovorsorge durch Eigenkapitalbildung behindert wird. Es ist ein Dreiklang, der beachtet werden muss: Maßvolle Abgabe zur Sicherstellung einer guten Kreditvergabemöglichkeit bei gleichzeitiger Sicherstellung höherer Sicherheiten durch Eigenkapitalvorsorge ist unser Ziel. Und bei der Finanztransaktionssteuer verhält es sich so, dass diese Steuer von den Banken nicht bezahlt wird, sondern auf die Kunden umgelegt wird, quasi einfach als durchlaufender Posten weitergegeben wird wie bei der Mehrwertsteuer. Kein Unternehmen, das Mehrwertsteuer berechnet, zahlt die Mehrwertsteuer auch unmittelbar, sondern macht sie durch Vorsteuerabzug geltend, und bei der Bankenabgabe würde es sich ähnlich verhalten. Also man darf nicht die Bürger hinter die Fichte führen. Wer eine Finanztransaktionssteuer fordert, der belastet nicht die Banken, sondern die Bürgerinnen und Bürger unmittelbar, und deswegen sind wir da skeptisch. Hinzu kommt, dass eine Finanztransaktionssteuer, wenn sie nur in einigen Ländern eingeführt wird, gar nicht zu Steueraufkommen führt, weil die Finanztransaktionen in andere Länder verlagert werden können.

    Barenberg: Eben deshalb hat ja die EU-Kommission auch vorgeschlagen, die Finanzgeschäfte im Inland zu besteuern, auch dann, wenn sie im Ausland stattfinden. Wo ist also da noch dieses Schlupfloch, von dem in der FDP ja immer die Rede ist?

    Wissing: Man muss zunächst einmal wissen, ob sie im Ausland stattfinden, und vor allen Dingen, in welchem Umfang sie wo stattfinden. Und die EU-Kommission macht hier auch einen Trick. Sie sagt, wir machen eine Sitzlandbesteuerung, vergisst aber die Frage zu beantworten, wie denn die Informationen fließen sollen. Wenn deutsche Institute in Großbritannien solche Finanztransaktionen tätigen und der deutsche Fiskus davon überhaupt keine Informationen erhält, dann weiß er auch nicht, in welcher Höhe er besteuern soll. Das heißt also, Sitzlandprinzip kann eine Lösung sein, muss dann aber mit einem sauber geregelten Informationsausgleichsverfahren kombiniert werden, und das gibt es nicht. Deswegen sagen diejenigen, die sich auf das Sitzlandprinzip beziehen, nur die halbe Wahrheit.

    Barenberg: Aber diese Informationspflicht lässt sich ja einführen.

    Wissing: Wir haben die EU-Kommission danach gefragt, nach welchen Regeln sie diese Informationspflicht sicherstellen kann, ob es dazu schon Konzepte und Vorschläge gibt – leider bisher Fehlanzeige.

    Barenberg: Der CSU-Abgeordnete und Europaparlamentarier Manfred Weber sagt, die Börsensteuer in der Eurozone ist ein Ausdruck von Gerechtigkeit, weil eben die Finanzbranche ihren Beitrag auch leisten muss. Hat er nicht recht?

    Wissing: Gerechtigkeit abstrakt, mit dem Verlust von Arbeitsplätzen in Deutschland konkret, ist ein schlechtes Angebot für die Bürgerinnen und Bürger. Deswegen ist die FDP nicht bereit, sich auf abstrakte Diskussionen zu begeben und dabei Arbeitsplätze in Deutschland zu riskieren. Wir wollen, dass der deutsche Finanzplatz nicht geschwächt wird zugunsten weniger regulierter internationaler Märkte, und deswegen muss die Bundesregierung aufhören, abstrakt zu diskutieren, sondern sie muss konkrete Vorschläge machen. Dann sind wir auch bereit, uns darauf einzulassen. Wir wollen diese Steuer nicht generell verhindern, deswegen haben wir gesagt, auf EU27 tragen wir sie mit, aber nur, wenn es nicht zu Verlagerungen – und das ist ganz wichtig – von Deutschland nach weniger regulierten Märkten innerhalb Europas wie beispielsweise Großbritannien kommt. Es ist doch nicht Aufgabe der deutschen Parlamente, die Finanzplätze anderer Länder zu stärken.

    Barenberg: Mit anderen Worten, Herr Wissing: Sie werden jetzt sich gemeinsam an einen Tisch setzen mit Ihren Parteifreunden und werden Vorschläge ausarbeiten, wie man sinnvoll diese Finanz-Transaktionssteuer einführen kann?

    Wissing: Moment! Die Bundesregierung sagt, man kann sie auch auf EU17, also innerhalb der Eurozone, einführen, und wir sagen, da sind wir sehr skeptisch, weil wir damit das Verlagerungsrisiko von Frankfurt beispielsweise nach London sehen. Dann ist die Bundesregierung wieder am Zug und muss uns einen Vorschlag machen, wie man dieses Verlagerungsrisiko reduzieren kann. Wir sehen da bisher nichts, und deswegen noch mal: Am Zug sind jetzt diejenigen, die lauthals verkünden, man könne diese Steuer auf Eurozonen-Ebene einführen, ohne dass es zu Verlagerungen kommt. Die müssen jetzt konkret werden und dürfen sich nicht im Abstrakten verlieren.

    Barenberg: Wie viel Zeit wird es denn in Anspruch nehmen, nach Ihrer Einschätzung, Großbritannien zu überzeugen?

    Wissing: Ich halte es für bedauerlich, dass Großbritannien ständig eigene Wege in Europa geht. Wir können ja nicht akzeptieren, wenn Finanzplätze wie London sich nicht den gleichen Regeln unterwerfen wie in anderen Ländern. Der deutsche Gesetzgeber hat unter CDU/CSU und FDP den deutschen Finanzplatz zu einem der reguliertesten Märkte in Europa gemacht, und deswegen müssen wir jetzt sehr vorsichtig sein. Es macht keinen Sinn, die Geschäfte von unserem regulierten Markt in weniger regulierte zu vertreiben, weil wir wissen, dass alles international so eng miteinander zusammenhängt, dass die Risiken, wenn sie in Großbritannien eingegangen werden, ganz schnell auch wieder zu deutschen Risiken werden. Deswegen muss man hier besonnen und klug vorgehen, und das tut die FDP nicht im Streit. Wir wollen mit dem Koalitionspartner keinen Streit, auch mit der Opposition in der Sache keinen Streit, aber man kann nicht aus rein populistischen Gründen heraus jetzt eine solche Steuer einführen, wenn das zu Schaden für unser Land führen kann.

    Barenberg: Wolfgang Kubicki, der Fraktionschef in Schleswig-Holstein, befürwortet die Einführung der Steuer ja auch. Ist er also ein Populist?

    Wissing: Wolfgang Kubicki ist nicht weit weg von der Bundestagsfraktion. Er sagt ja, eine solche Steuer kann Sinn machen, und wir haben auch gesagt, auf der Ebene EU27 tragen wir sie mit. Aber Wolfgang Kubicki hat bisher die Frage, wie es zur Vermeidung von Verlagerungen kommen soll, auch noch nicht beantwortet, und deswegen: Hier muss man klug vorgehen. Es geht hier nicht um eine Kleinigkeit. Deutschland ist ein bedeutender Industriestandort. Wir brauchen starke Finanzmärkte. Und schauen Sie: Der französische Präsident ist gestartet und hat gesagt, er führt sie alleine in Frankreich ein. Das hat keinen Tag gehalten, dann hat er darum gebeten, dass Deutschland den Weg doch besser mitgehen sollte, weil man damit das Verlagerungsrisiko auf zwei Länder verteilt. Und wir wollen dieses Risiko nicht eingehen!

    Barenberg: Volker Wissing, der finanzpolitische Sprecher der Liberalen im Bundestag. Herr Wissing, danke für das Gespräch.

    Wissing: Ich danke Ihnen.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.