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Witz im Wahlkampf

Kugelschreiber war gestern, heute gibt's Kondome: Die Kreativwerkstatt in der Kampa, der Wahlkampfzentrale der SPD, möchte mit einer möglichst humorvollen Kampagne gezielt junge Leute ansprechen. Etwa 80 Mitarbeiter sollen den Wahlkampf auf Touren bringen.

Von Frank Capellan | 15.08.2013
    "Die meinen das wirklich ernst mit dem Humor."

    Den Spaß lässt sich auch Kathrin Münch nicht nehmen. Allen schlechten Umfragewerten zum Trotz. Lachend hält sie mir den kleinen roten Flaschenöffner hin, ja es gibt ihn wirklich … SPD – "Das Bier entscheidet" steht darauf, den eigenen Slogan verballhornen, das können sich wohl nur die Jusos erlauben.

    "Die Idee kam, glaube ich, abends mal bei einem Kneipenabend, und als der Spruch dann rauskam, lag es ja nahe, ein Wortspiel mit Bier zu machen."

    Jan Böning ist Bundesgeschäftsführer bei den Jusos, darf mitreden in der Kampa, der Wahlkampfzentrale der SPD. Hier im Willy-Brandt-Haus ist er gemeinsam mit Frederic Vogel einer von denjenigen, die Witz in den Wahlkampf bringen und damit junge Leute ansprechen wollen.

    "Wahlkampf muss Spaß machen – macht auch Spaß."

    Und so haben sie in freudiger Erwartung des Wahltages dafür gesorgt, dass nun ein besonders ausgefallenes Wahlkampfpräsent auf den Gabentisch von Kathrin Münch liegt: Kugelschreiber war gestern, heute gibt’s Kondome. "Im September kommt der Höhepunkt!" steht auf dem kleinen Pappschächtelchen, das ein Präservativ enthält, hinten drauf sozialdemokratische Botschaften: "Gleicher Lohn für Frauen und Männer", "Gute Arbeit weniger Stress".

    Er wird wohl kaum junge Wähler ansprechen können, wohl aber die älteren Semester. Dass der 59-jährige Roland Kaiser nicht genug von der SPD bekommen kann und trotz einer Lungentransplantation für die Partei singen wird, das freut Rüdiger Scholz ganz besonders:

    "Roland Kaiser macht nicht zum ersten Mal Wahlkampf, und bei Roland Kaiser ist es auch kein Geheimnis – der ist Mitglied der SPD und hat auch eine richtige Geschichte in der SPD."

    Am Sonntag wird Kaiser vor dem Brandenburger Tor beim Geburtstagsfest der SPD singen. Scholz und sein Team halten in der Kampa den Draht zu vielen Künstlern, die bereit sind, ihren Namen für die Sozialdemokratie herzugeben.

    "Ganz klar Mitglied und volle Fahrt dabei ist zum Beispiel ein Ingo Appelt und ein Leonard Lansink, Schauspieler, immer sehr verlässlich dabei."

    Etwa 80 Mitarbeiter sollen den Wahlkampf der SPD hier auf Touren bringen, auf zwei Etagen ist die Kreativwerkstatt der Genossen untergebracht. Stefan Schweitzer führt die Kampa, wenn Generalsekretärin Andrea Nahles, die eigentliche Chefin, draußen unterwegs ist. Und wo ist sie nun die Abteilung Attacke – das Herzstück jeder Kampagne, Schweitzer öffnet eine schwere Tür.

    "Also kommen wir jetzt auch in den geheimnisumwitterten 'war room' - politischeren Teil, nennen Sie den so? Nein, wir führen keinen Krieg, wir führen eine Kampagne, und deswegen nennen wir den nicht so. Gegnerbeobachtung. Genau - wir beobachten Konkurrenz, deswegen haben wir uns den Begriff 'war room' nicht zu eigen gemacht."

    Schweitzer ist vorsichtig. Plakate, auf denen Angela Merkel angegriffen wird, haben für Kritik gesorgt. Eine Kanzlerin, die in ihrer Handtasche kramt, darunter in Anspielung auf die Abhöraffäre der Satz: 'Privatsphäre. Neuland für Merkel?' hier wurde die Idee dazu geboren.

    "Es gehört einfach auch zum Wahlkampf einer Oppositionspartei dazu, zu sagen, was die anderen falsch machen."

    Ein Stockwerk tiefer wir fleißig telefoniert.

    "Da haben Sie vollkommen recht, das ist genau unsere Meinung, und Sie sprechen uns praktisch aus der Seele."

    Sechs junge Helfer sitzen an der SPD-Hotline. Hier werden Anregungen für den Wahlkampf entgegengenommen.

    "Super, dann vielen Dank Ihnen für Ihre Meinung, und ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag. Dankeschön. Tschüss.

    Das war eine Dame, die einerseits mit der Politik von Merkel unzufrieden war, weil die Aufklärung von NSA Fällen sehr lahm vorangetrieben wird von der Kanzlerin, deshalb hat sie uns gebeten, das ein bisschen aufzupuschen."

    Mit den Wählern reden, das steht für die SPD diesmal ganz oben. Andrea Nahles hat das Konzept aus den USA mitgebracht, von Tür zu Tür tingeln, die Menschen ansprechen, wenn nicht persönlich, dann doch wenigstens übers Telefon, das soll mobilisieren.

    "Man kann auch etwas zugespitzt sagen, Bürgerdialog statt basta."

    "Also unter der 030-25991500 wird Ihnen geholfen zu allen Fragen rund um den Wahlkampf der SPD. Wir freuen uns über jeden Anruf."

    Noch läuft die Kampagne überhaupt nicht rund, ausgerechnet Franz Müntefering ist den Wahlkämpfern gerade in die Parade gefahren. Nichts war vorbereitet für den Kandidaten, keine Bühne, kein Personal, mir standen die Haare zu Berge, hat er geschimpft. Ja, manches hätte besser laufen können, meint auch Peer Steinbrück, aber:

    "Hätte, hätte, Fahrradkette."

    Und auf den Spot des ARD-Morgenmagazins zum Bonmot des Kanzlerkandidaten haben sie hier in der Kampa ganz schnell reagiert und als SPD-Giveaway eine kleine Fahrradkette mit Flaschenöffner kreiert. Humor haben sie auf jeden Fall, das muss man den Sozies lassen!

    "Hätte, hätte, Fahrradkette. Nun ist auch gut."