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WM-Gastgeber Katar
Bessere Bedingungen für Stadionbauer?

Die internationale Kritik wirkt: Mit einer neuen Arbeitsmarktreform will WM-Gastgeber Katar bessere Arbeitsbedingungen für Arbeiter mit Migrationshintergrund schaffen. Doch mit der Reform sind längst nicht alle Probleme der Stadionbauer gelöst.

Von Tom Mustroph | 22.10.2016
    Die Baustelle des "Khalifa International Stadium" in Doha, Katar.
    Die Baustelle des "Khalifa International Stadium" in Doha, Katar. (picture alliance / dpa - Andreas Gebert)
    Katar steckt in der Krise. Der Ölpreis taumelt. Bauvorhaben werden deshalb eingestellt, Budgets gekürzt. Das bekommen auch die Arbeiter zu spüren.
    "Da ist ein Rückgang in der Bauindustrie. Wenn zuvor in einem Team fünf Leute die gleiche Arbeit getan haben, sind jetzt drei Mann übrig und teilen die Arbeit auf."
    Das erzählt Howie. Er stammt von den Philippinen und arbeitet als Sicherheitsinspektor auf der Baustelle der Qatar Foundation in Doha. Die Stiftung baut auch eines der Stadien für die WM 2022.
    Bau der Stadien ist nicht gefährdet
    Die bisher geplanten Stadien, Kostenpunkt 150 bis 750 Millionen Dollar für jedes einzelne, stehen noch nicht unter dem Kürzungsgebot. Das betont Nasser Al Khater, zweiter Mann im WM-Organisationskomitee.
    "Jedes der Stadien, die wir geplant haben, hat einmalige, ikonische Designs. Es sind teure Stadien. Aber was die Kürzungen angeht: Weder an der Größe noch am Design hat sich etwas geändert."
    Zahl der Trainingsplätze soll reduziert werden
    Aufs Geld wird aber selbst hier, hoch oben im Al Bidda Tower in Doha, geschaut. Die Zahl der geplanten Trainingplätze für die WM soll um ein Drittel reduziert werden.
    "Die Anforderungen beinhalteten 64. Aber wegen Katars besonderer Geografie - wir haben eine sehr kompakte WM - glauben wir nicht, dass 64 Trainingscamps nötig sind. Wir werden 40, 42 haben", sagt Al Khater - und hofft auf ein Entgegenkommen der FIFA. Gleiches gilt für die Anzahl der Stadien. Die Fußball-Herren aus Zürich wünschten ursprünglich 16 Stadien - in einem Land, dessen oberste Fußballliga gerade mal 14 Klubs umfasst! Inzwischen hat sich die FIFA auf neun herunterhandeln lassen.
    Das Gastgeberland würde gern noch eines weniger bauen. Denn der Bau insgesamt wird teurer. Mehr Geld als geplant wird für bessere Unterkünfte und höhere Sicherheit für die migrantischen Bauarbeiter ausgegeben. Durch internationalen Druck hat sich einiges bewegt.
    Schlechte Bedingungen abseits der Musterabaustellen
    "Dem Wohlergehen der Arbeiter wird größte Beachtung geschenkt. Klimatisierte Busse bringen sie zur Arbeit. Das Essen wird ihnen von Caterern nach internationalem Standard zubereitet", erzählt der Projektmanager von der Stadionbaustelle in Al Khor. Hier errichten derzeit 2000 Arbeiter das Al Bayt Stadion. Eine Handvoll Journalisten wird durch die Wohnanlage für die Bauarbeiter mit Kantine, Wäscherei und Krankenstation und über die Baustelle geführt. Dem Augenschein nach ist die Ausstattung gut.
    Nicht überall ist das aber so, gibt selbst Al Khater zu. Aus Kostengründen lehnten vor allem Subunternehmen Verbesserungen ab.
    "Da trafen wir auf viel Widerstand. Denn es meint, dass die Firmen ihre Art zu denken komplett ändern müssen. Und da ist auch ein finanzieller Faktor. Unsere Standards sagen, dass man nicht mehr als vier Arbeiter pro Raum haben darf. Dann sagen die Firmen: Das kostet."
    Abseits der WM-Baustellen sind die Bedingungen freilich die alten und schlechten. Nur wenige Kilometer vom Mustercamp entfernt hausen viele Männer weiterhin zu acht und zu zehnt in einem Zimmer.
    Arbeiter werden mit falschen Versprechungen nach Katar gelockt
    Einen großen Kritikpunkt konnte auch das Supreme Committee bislang nicht aus der Welt schaffen: falsche Verträge und gesetzlich verbotene Rekrutierungsgebühren. Immerhin gibt Al Khater es offen zu:
    "Das größte Problem liegt in der Anwerbung. Arbeiter kommen hierher und sagen, uns wurde eine andere Arbeit, ein anderer Lohn versprochen."
    Peinlich aber, dass der WM-Organisator, der mittlerweile 8.300 Arbeiter in sechs Stadien beschäftigt, dies noch nicht gelöst hat.
    Es ist noch peinlicher, weil sogar der katarische Staat sogar abseits des Vorzeigeprojekts WM inzwischen härter durchgreift. 807 Rekrutierungsagenturen wurden im letzten Jahr verwarnt, 17 die Lizenz entzogen.
    Neue Arbeitsmarktreform im Dezember
    Für Mitte Dezember ist eine Arbeitsmarktreform angekündigt. Als "Abschaffung des Kafala-Systems" feiern das staatliche Stellen. "Nonsens", meint Nicholas McGeehan, Katar-Experte von Human Rights Watch. Wenig werde sich ändern, teilt er per mail mit. Die Arbeiter selbst haben allenfalls moderate Hoffnungen. Sie wünschen sich vor allem eine größere Freizügigkeit beim Jobwechsel.
    "Der Anteil der Personen, die eine Freigabe erhalten, ist nur 25 Prozent. Große Firmen geben sie eher, kleinere Firmen schicken die Leute in die Herkunftsländer zurück. Das ist die dunkle Seite", erzählt eine Gruppe philippinischer Arbeiter.
    Auch wenn sich einiges bewegt in Katar: Probleme gibt es immer noch genug.