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WM-Honorar für Beckenbauer
"Ich kann mir nicht vorstellen, dass das das Ende der Fahnenstange ist"

Die Berichte über 5,5 Millionen Euro, die Franz Beckenbauer für sein Amt als Chef des Organisationskomitees der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 erhalten haben soll, seien "eine ziemlich heftige Entblätterung", sagte der Sportjournalist Thomas Kistner im DLF. Möglicherweise würden zudem auch Millionenzahlungen, die in der Schweiz gelaufen seien, ans Licht kommen.

Thomas Kistner im Gespräch mit Christine Heuer | 14.09.2016
    Franz Beckenbauer, Präsident des Organisationskomitees der Fußball-WM, während des Eröffnungsspiels in München am 09.06.2006. Im Hintergrund ist das Spielfeld zu sehen, am linken Bildrand erkennt man Franz Beckenbauer im Profil.
    Franz Beckenbauer werde mehr und mehr zum Dreh- und Angelpunkt all der Affären rund um die WM-Vergabe und dubiosen Zahlungen aus dem WM-Organisationskomitee, sagte der Sportjournalist Thomas Kistner im DLF. (picture alliance / dpa / Guido Bergmann)
    Christine Heuer: Im Skandal um die Vergabe der Fußball-WM 2006 an Deutschland gibt es neue Enthüllungen. Franz Beckenbauer habe als Chef des Organisationskomitees anders als bisher vom DFB behauptet nicht ehrenamtlich gearbeitet, berichtet der "Spiegel"; vielmehr habe der Kaiser fünfeinhalb Millionen Euro erhalten, die er und der DFB offenbar am Finanzamt vorbeischleusen wollten. - Thomas Kistner von der "Süddeutschen Zeitung", auch Sie haben diese Geschichte recherchiert. Was erleben Sie gerade, des Kaisers neue Kleider?
    Thomas Kistner: Eine ziemlich heftige Entblätterung, um in diesem Bilde zu bleiben, denn es fällt doch auf, dass Franz Beckenbauer mehr und mehr als Dreh- und Angelpunkt all der Affären, die sich rund um die WM-Vergabe, aber nicht mehr nur um die, sondern insgesamt um dubiose Zahlungen aus dem WM-Organisationskomitee und möglicherweise auch aus dem Fußball-Weltverband FIFA sich befindet, im Zentrum all dieser Dinge.
    Und wenn man jetzt dazu nimmt, dass Franz Beckenbauer immer wieder beteuert, dass er Zeit seines Lebens alles Mögliche unterschrieben hat, ohne jemals hinzuschauen, dann passt das immer weniger zu dieser Figur, die ganz offenkundig aus vielerlei Richtungen durch irgendwelche Zahlungstunnels, durch Zahlungswege, die nicht nach außen transparent gewesen sind, bedient worden ist.
    "Geheimniskrämerische Art und Weise"
    Heuer: Was wiegt denn schwerer an den jüngsten Vorwürfen, dass Beckenbauer das Geld genommen hat, oder dass er es offensichtlich ja nicht versteuern wollte?
    Kistner: Ganz sicherlich wieder diese geheimniskrämerische Art und Weise, große Geldbeträge durch die Welt zu kanalisieren. Das fällt nun langsam schon auf. Es fällt natürlich auch auf, dass der Deutsche Fußballbund hier offenbar wieder mitgespielt hat. Es fällt auf, dass der DFB bis zum heutigen Tage nicht in der Lage ist, wirklich klar darzustellen, was damals passiert ist. In irgendeiner Form muss er ja von den Behörden herangezogen worden sein.
    Dann vier Jahre nach der Zahlung - die Zahlung von 5,5 Millionen hat 2006 stattgefunden -, vier Jahre später ist aufgefallen, dass sie nicht versteuert worden ist. Die Steuerbehörde hat sich aus welchen Gründen auch immer - auch das gilt es, jetzt noch zu klären - zunächst an den DFB gewendet und man ist bis heute nicht in der Lage darzustellen, warum es zu dieser Verzögerung kam und warum das Geld überhaupt auf diesem Wege geflossen ist. Zugleich hat man es nach außen auch nicht dargestellt. Bis heute galt ja eigentlich der Grundsatz, Franz Beckenbauer hat das damals alles ehrenamtlich getan.
    Dubiose Zahlungsvorgänge beim DFB
    Heuer: Das heißt aber, der DFB sitzt jetzt auch wieder genauso in der Tinte wie Franz Beckenbauer?
    Kistner: Auf jeden Fall! Es ist ihm wieder mal nicht gelungen, dubiose Zahlungsvorgänge im eigenen Hause zu klären. Er muss jetzt auf die kalte Tour nebenbei zur Kenntnis nehmen, dass die Lichtgestalt des deutschen Fußballs auch damals schon eben nicht ehrenamtlich und honorarfrei gearbeitet hat, sondern für einen durchaus satten Geldbetrag, nämlich 5,5 Millionen Euro tätig war. Daran ist an sich nichts zu bemängeln. Nur stellt sich hier wieder mal die Frage: Warum hat man das anders dargestellt? Dafür gibt es doch gar keinen Grund. Es war ohnehin schwer zu glauben.
    Und es kommt dazu, dass diese Zahlungen wieder mal bemäntelt worden sind. Dazu zählt auch die Frage, warum der damalige Sponsor Oddset, über den die Beträge gelaufen sein sollen, warum der nicht einfach einen separaten Vertrag auch noch mit Franz Beckenbauer gemacht hat, das hätte jeder verstanden, Werbe-Testemonial Franz Beckenbauer, und er dann sauber und transparent bezahlt worden ist. Warum musste das wieder übers WM-OK laufen?
    "Am Ende könnte der Kaiser womöglich wirklich ohne Kleider dastehen"
    Heuer: Mit des Kaisers neuen Kleidern haben wir angefangen. Schlussfrage an Sie, Herr Kistner: Was ist noch übrig vom Kaiser Franz? Ist das jetzt der neueste Vorgang? Ist das jetzt der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt?
    Kistner: Ich kann mir nicht vorstellen, dass das schon das Ende der Fahnenstange ist. Der Gesamtschaden wird sicherlich am Ende zu besichtigen sein, wenn die Behörden dann nach ihren jetzt ja immer noch laufenden Ermittlungen zur Tat schreiten. Dieser spezielle Punkt ist womöglich gar nicht mal Thema in den laufenden Ermittlungen. Da kommen noch andere Dinge dazu.
    Da kommen unter anderem möglicherweise Millionen-Zahlungen dazu, die in der Schweiz gelaufen sind, über Beckenbauers ewigen Begleiter und Geheimrat in sportpolitischen Dingen in der Schweiz, Fedor Radmann, der auch in der WM-Affäre eine große Rolle gespielt hat. Da wird noch eine ganze Menge ermittelt werden und ich kann mir vorstellen, dass am Ende der Kaiser dann womöglich wirklich ohne Kleider dastehen könnte.
    Heuer: Neue Vorwürfe an Franz Beckenbauer - das waren Einschätzungen und Informationen von Thomas Kistner, Sportjournalist bei der "Süddeutschen Zeitung". Haben Sie Dank dafür, Herr Kistner.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.