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WM-Quartier Campo Bahia
Streit um die Goldbrocken

Zweieinhalb Jahre nach der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien verklagt ein früherer Partner den deutschen Besitzer des DFB-Quartiers "Campo Bahia". Vor der WM hofften die damaligen Partner auf den ganz großen Schatz. Nun streiten sie sich um die Brocken – und das auf dem Rücken von brasilianischen Waisenkindern.

Von Carsten Upadek | 18.02.2017
    Das Quartier der deutschen Nationalelf in Campo Bahia
    Das Quartier der deutschen Nationalelf in Campo Bahia vor der Fertigstellung im Jahr 2013. (picture-alliance / dpa / Vera Gomes)
    Werbeclips auf dem YouTube-Kanal des ehemaligen WM-Quartiers "Campo Bahia" in Brasilien zeigen fröhliche Kinder eines Waisenhauses. Die 15-jährige Luana erzählt, wie sie hier endlich ein richtiges Zuhause gefunden hat:
    "Ich habe zuerst bei meinen Eltern gewohnt. Aber meine Mutter ist dann in die Welt der Drogen geraten, wurde süchtig. Heute habe ich Liebe, Zuneigung, Eltern, die sich um mich kümmern. Hier habe ich alles!"
    Andere Kinder malen mit Fingerfarben schwarz-rot-gold die deutsche Fahne auf ein Plakat, halten das für ein Gruppenbild hoch, jubeln in die Kamera: "Campo Bahia" und klatschen.
    Waisenkinder aus dem Kinderheim Ampare dürfen auf Einladung des Campo Bahia an einer Bootsfahrt teilnehmen.
    Waisenkinder aus dem Kinderheim Ampare dürfen auf Einladung des Campo Bahia an einer Bootsfahrt teilnehmen. (Tobias Junge)
    Waisenhaus fürs soziale Image
    "Campo Bahia", so heißt eine Luxus-Hotelanlage an der Küste des brasilianischen Bundesstaates Bahia, das sich der DFB als Unterkunft für die WM 2014 ausgesucht hatte. Mit den Werbeclips Ende 2013 wollten die Bauherrn ihr soziales Image aufpolieren. Für das Kinderheim aber hatte die Aufmerksamkeit bittere Folgen, erzählt der Leiter, Pastor Otto Saffran.
    "Die Leute hörten auf für uns zu spenden, weil uns ja die Deutschen helfen würden. Sie dachten, wir seien nun reich."
    Stattdessen geriet das Waisenhaus in ernste finanzielle Schwierigkeiten. Heute beschuldigen sich die deutschen Bauherren von damals gegenseitig, leere Versprechungen gemacht zu haben. Das sind: der Münchner Modeunternehmer Christian Hirmer und dessen Frau, Projektmanager Tobias Junge, Versicherungs-Unternehmer Kay Bakemeier und Vermittler Stefan Gast, der den Kontakt zum DFB eingefädelt hatte. Letzterer schrieb am 2. November 2016 eine E-Mail an Kay Bakemeier, die dem DLF vorliegt und wirft ihm vor, den Kindern "nur Almosen" überlassen zu haben.
    "Dieser Kay Bakemeier – der hat seinen Anteil verkauft, hat 1,6 Millionen gemacht und keinen Cent davon den Kindern gegeben!", so Vermittler Gast.
    Bakemeier reagiert verärgert
    Seine Familienstiftung habe über die Jahre 16.500 Euro für das Kinderheim überwiesen. Padre Otto bestätigt das auf DLF-Nachfrage. Die letzte Zahlung über 2.500 Euro sei Mitte Februar 2017 eingegangen, kurz nachdem das Portal "Correctiv" erstmals über Stefan Gasts Anschuldigungen berichtet hatte. Ein Zufall?
    "Vollkommen zufällig", sagt Kay Bakemeier. "Das steht in keinem Zusammenhang und hat auch nichts mit Hirmer oder Gast zu tun. Das ist ein Vortrag gewesen im Spätherbst bei den Rotary-Damen in Münster und die haben gesammelt. Das kommt von meinen Kunden, Geschäftspartnern und Familie. Wir machen das aus Spaß, um ihm zu helfen."
    Ihm, Padre Otto, der sich Kindern aus Familien mit Drogenproblemen annimmt. "Besonders Crack ist ein großes Problem und zerstört viele Familien in der Region. Es gibt zu wenige Plätze für zu viele hilfsbedürftige Kinder." Kay Bakemeier und seine Frau Alexia würden ihn schon lange unterstützen, vor dem Campo-Bahia-Rummel. Mit-Investor Hirmer und Vermittler Gast kamen mit dem Trubel. Den Grund der Werbefilme vermutet Bakemeier, "damit man gut dastehen könnte. Das hat massiven Ärger gegeben. Meine Frau hat da den Stefan Gast und Frau Hirmer und den Dr. Hirmer massiv attackiert. Seitdem sind die sich spinnefeind alle."
    Geld und Eitelkeiten
    Es geht um die Waisenkinder, es geht um Eitelkeiten und es geht vor allem um viel Geld. Laut Vertrag zwischen Vermittler Stefan Gast und Investor Christian Hirmer, der dem DLF in Auszügen vorliegt, wird der Verkaufswert von Campo Bahia im Dörfchen Santo André auf 26 Millionen Euro geschätzt. Anteil bei einem Verkauf für Stefan Gast für seine Vermittlungen: rund 800.000 Euro. Der fordert das Geld – Verkauf oder nicht –und reichte im September 2016 Klage gegen Hirmer ein – machte die aber erst Mitte Februar öffentlich. Er wolle nur Gerechtigkeit, sagt Gast.
    Oliver Bierhoff und Dr. Christian Hirmer bei einem Empfang der LIDE Business Leaders Group im Jahr 2013.
    Oliver Bierhoff und Dr. Christian Hirmer bei einem Empfang der LIDE Business Leaders Group im Jahr 2013. (imago sportfotodienst)
    "Keiner weiß, was da unten alles abgegangen ist. Alle wollten ein riesen fettes Business daraus machen, weil ja jeder nur an Business gedacht hat. Das sind solche Schweine, der Christian und der Kay Bakemeier, das kommt alles raus."
    Drogen und Kinderprostitution
    In der E-Mail vom 2. November droht er Bakemeier. Wörtlich heißt es: "Ich weiß, wer Deine Komplizen waren, wie Du Dich benommen hast, die vielen Male in Santo André, auch intimes." Kay Bakemeier sagt, Gast beschuldige ihn der Kinderprostitution und Projektleiter Tobias Junge des Drogenhandels. Die Vorwürfe seien eine bodenlose Unverschämtheit:
    "Er behauptet ja auch in der Presse, dass irgendwelche Auftragskiller hinter ihm her gewesen seien. Er musste mit Bodyguards joggen: das ist ja ein Schaumschläger! Ich habe weder Bodyguards gesehen noch irgendwelche anderen Leute. Und behauptet, dass der Tobias Junge Kontakte hätte, ihn umbringen zu lassen: der ist irre!"
    Belege für seine Anschuldigungen liefert Stefan Gast gegenüber dem DLF nicht, behauptet aber, Zeugen zu haben. Sein Ziel sei es, seine früheren Geschäftspartner zum Einlenken zu bewegen – für sich selbst und für die Waisenkinder von Padre Otto. Kay Bakemeier entgegnet:
    "Padre Otto ist geschadet worden, aber nicht durch uns, sondern indem Kinder instrumentalisiert wurden. Stefan Gast ist seiner Zeit ohne Nachfrage und Auftrag zum Padre gegangen und hat große Töne gespuckt und behauptet, dass er Unterstützung bekommen würde vom Campo Bahia und vom DFB."
    Versprechungen? Keiner war’s!
    Der DFB entschied sich, über die Sternsinger für vier Jahre Nachmittagsbetreuung in der Schule von Santo André zu fördern. Das Projekt gibt es seit April 2015 und läuft nach Informationen des DLF gut.
    Bei den Gesprächen mit Padre Otto behauptet Stefan Gast, im Auftrag von Modeunternehmer Hirmer gehandelt zu haben. "Der hat mir gesagt: ‚Natürlich, wir machen das!‘ Mehrfach!" Christian Hirmer lässt dem DLF ausrichten, er habe Padre Otto nie etwas versprochen. Am 15. Dezember 2013, zwei Tage nachdem der DFB sich offiziell für das "Campo Bahia" entschieden hat, zitiert Hirmer aber die "Süddeutsche Zeitung": ein Waisenhaus solle gebaut werden, das die Hirmers seit Jahren zusammen mit dem befreundeten Ehepaar Bakemeier unterstützten.
    Padre Otto sagt: "Herr Stefan [Gast] hat uns versprochen, Herr Christian [Hirmer] würde uns ein Waisenhaus bauen- und unterhalten. Das ist nicht passiert."
    35 Millionen fürs Campo-Bahia-Ressort
    Unterdessen versucht Christian Hirmer, der die anderen beiden Investoren ausbezahlt hat, das "Campo Bahia" für eine Rekordsumme zu verkaufen. Dafür beauftragte er im September 2016 die brasilianische Firma "RE/MAX" Porto Seguro. Eigenwerbung: "Niemand weltweit verkauft mehr Immobilien!" Mitte März 2017 würden die Unterlagen an Interessenten verschickt, bestätigte der Projektleiter von "RE/MAX" dem DLF. Pro zweigeschossigem Luxus-Wohnhaus erwartete er 2,5 Millionen Euro Verkaufserlös – bei 14 Häusern wären das 35 Millionen Euro.
    Padre Otto reichen 1500- bis 1800 Euro im Monat, um eine zehnköpfige Wohngruppe zu unterhalten. Der Geistliche ist froh, dass sein Waisen-Projekt heute kaum noch mit dem "Campo Bahia" in Verbindung gebracht wird. Kleinspender seien dadurch wieder zurückgekehrt. Ein bescheidenes neues Heim haben die Kinder inzwischen auch – die Miete bezahlt eine lokale Supermarktkette.
    Sabotage kurz vor der WM
    In Santo André ist es nach dem ganzen WM-Rummel wieder ruhig geworden. Der Tourismus laufe schleppend wegen der Wirtschaftskrise, berichten Einwohner. Der Trainingsplatz der deutschen Nationalmannschaft sei seit deren Abreise verriegelt. Camping-Platz-Besitzerin Vera Zippin erzählt, der für DFB und Presse aufgebaute Sendemast, der den Anwohnern nach der WM schnelles Internet bringen sollte, sei wieder abmontiert. Zumindest gebe es seit Anfang Februar 2017 nun sauberes Wasser.
    Kurz bevor die deutsche Nationalmannschaft 2014 anreiste, drohte der damalige Staatsanwalt Bruno Gontijo, die Fertigstellung von Campo Bahia zu stoppen. 0,5 Prozent des Immobilienwertes werden laut Gesetz als Ausgleich für Belastungen des fragilen Umweltsystems fällig.
    "Sie haben uns einen zu geringen Quadratmeterpreis angegeben und wollten nur 15.000 Euro bezahlen. Als ich mit einstweiliger Verfügung drohte, haben wir uns auf 90.000 Euro geeinigt."
    Das Geld floss in ein Reinigungssystem bei der Wasserversorgung, die über Brunnen läuft. Kay Bakemeier spricht von Betrug, weil man viel mehr habe bezahlen müssen, als bei einem anderen Grundstück zuvor. Außerdem erzählt er von Sabotageversuchen an Leitungsrohren im Campo Bahia durch Arbeiter, kurz vor der Ankunft des DFB:
    "In einer steckten Socken, die befestigt waren, und in die zweite war Beton reingegossen worden."
    Bei einem Test im Mai 2014 sei die Sabotage aber bemerkt-, die Rohre lokalisiert und ausgetauscht worden.