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Wo blieb Kolibri?

Technik. - Vor drei Jahren machte die Fahrt eines Elektroautos von München nach Berlin Schlagzeilen, denn das Fahrzeug gelangte mit einer Akku-Ladung ans Ziel. Wie die als Durchbruch gefeierte Batterietechnologie funktioniert, war damals nicht herauszubekommen und ist auch heute noch ein Rätsel. Das Produkt verschwand in der Versenkung und ist seither nicht mehr aufgetaucht.

Von Sönke Gäthke | 12.09.2013
    Sie glimmt noch schwach, die Spur des Durchbruchs, den die Tagesschau am 26.10.2010 so verkündete:

    "Weltweit zum ersten Mal hat ein batteriebetriebener Wagen 600 Kilometer an einem Stück geschafft. Mit nur einer Akkuladung ging es im Schnitt mit 90 Km/h von München nach Berlin. Hier wurde das Auto im Hof des Wirtschaftsministeriums präsentiert…"

    Doch was ist das für eine Batterie, die dem so genannten "Lekker-Mobil", einem umgebauten Audi A2, eine solche Reichweite ermöglicht? Mirko Hannemann, der den Wagen steuerte und der die Batterie-Firma DBM Energy mitgegründet hatte, die den "Wunder-Akku" entwickelte, schwieg damals beharrlich – und begründete das mit der Befürchtung, seine Erfindung könne gestohlen werden. Der Energielieferant Lekker verkündete stattdessen, die Forschung sei abgeschlossen und das Verkaufen gehe los. Der damalige Wirtschaftsminister war begeistert.

    "Minister Brüderle sprach von einem Durchbruch bei dem die Technik der Batterie entscheidend sei."

    Und in der Pressemitteilung des Ministeriums hieß es:

    Der erzielte Langstrecken-Weltrekord zeigt, dass Entfernungen von 600 Kilometern mit einem Elektrofahrzeug keine Utopie sind.

    Doch ein halbes Jahr später, im Frühjahr 2011, hatte sich Ernüchterung breit gemacht: Das Rekordauto war im Januar verbrannt, technische Details blieben weiter geheim. Fachleute können aber auch so recht gut einschätzen, was möglich ist, und wo ein Durchbruch erfolgt sein könnte – und sie sind damals sicher: Für eine einmalige 600-Kilometer-Fahrt ist kein Durchbruch nötig.

    "Mit kommerziellen Produkten, die man am Markt kaufen kann, kann man so eine Fahrt machen unter den entsprechenden Randbedingungen, dafür braucht man eigentlich nicht zu postulieren, eine Batterietechnologie entwickelt zu haben, die weit jenseits all dessen ist, was man sich vorstellen kann","

    so etwa Dirk Uwe Sauer, Batterieexperte der RWTH Aachen,

    ""nur, es bleibt die Sache, dass man für so eine Batterie – 600 Kilometer weit zu fahren – etwa 100 Kilowattstunden braucht, nach den prognostizierten Preisreduktionen Richtung 2020 würde so eine Batterie etwa 30.000 Euro im Einkauf kosten, dass heißt, für den Endkunden etwa 50.000 Euro – da kann sich jetzt jeder ausrechnen, für welche Kundengruppe man maximal so etwas realisieren kann und möchte."

    Andere Batterieexperten lehnen Interviews zum Thema bis heute ab. Dirk Uwe Sauer wertete die Aktion schon 2011 als Fehlschlag.

    "Es wäre, glaube ich, super gewesen, wenn man einfach gesagt hat, wir haben – für diese speziellen Bedingungen haben wir es geschafft, so weit zu fahren, das machen andere Branchen auch, das machen die Eisenbahnunternehmen, wenn sie mal mit 500 Kilometern Spitzengeschwindigkeit fahren wollen, danach werden eben Oberleitungen und Gleisbetten ausgetauscht, aber man muss es kommunizieren. Wenn man aber sagt, man hat es auf der Basis von etwas ganz neuem gemacht, das keiner versteht, dann ist das ein PR-Gau."

    Das Unternehmen DBM Energy zog den Kopf ein und strukturierte sich um. Die Produktion zog nach Berlin-Adlershof, für den Vertrieb gründeten die Berliner mit weiteren Teilhabern die Firma Kolibri Power Systems AG. Die bietet seit Mitte 2012 unter dem Markennamen Kolibri Batterien für die Netzstützung und für Haushalte an. 2013 kündigte ein Solarzellenhersteller an, diese verkaufen zu wollen. Welche Technik genau in den Speichern steckt, ist auch drei Jahre nach der aufsehenerregenden Fahrt von München nach Berlin unklar. Einen unabhängigen Test soll es zwar gegeben haben, aber über das Ergebnis ist nichts bekannt.