Freitag, 19. April 2024

Archiv


Wo endet "öffentlich", wo beginnt "privat"?

Konzepte zur Abwehr von Cyber-Angriffen funktionieren besser, wenn Sicherheitsbehörden und andere öffentliche Stellen weniger strengen Datenschutzvorgaben unterliegen als private Unternehmen. Deshalb wird von amerikanischer wie von deutscher Seite eine Datenschutzreform gefordert, die jene Anpassungen vornimmt. EU-Justizkommissarin Viviane Reding hat das abgelehnt.

Computerjournalist Peter Welchering im Gespräch mit Manfred Kloiber | 02.06.2012
    O-Ton Viviane Reding: "Denken Sie nur mal an die Vorratsdatenspeicherung. Die bedeutet doch, dass privaten Unternehmen vom Gesetzgeber Datenspeicherungspflichten im Interesse der Bekämpfung von schwerer Kriminalität auferlegt werden. Ist das nun öffentlich? Ist das privat? Oder Fluggastdaten, die Sie gegenüber Ihrer Fluggesellschaft angeben müssen. Ist das nun im öffentlichen oder im privaten Bereich? Oder wie ist es mit Lkw-Mautstellen, die zunächst allein für die Abrechnung der Maut erfolgten, dann aber doch im Interesse der Strafverfolgung eingesetzt werden? Es ist sehr schwierig, eine klare Differenzierung zu machen – hier privat und dort öffentlicher Bereich."

    Manfred Kloiber: Überlegungen von Viviane Reding, die vor kurzem in Berlin der deutschen Internetwirtschaft die Pläne der EU-Kommission zur Reformierung des europäischen Datenschutzes vorstellte. Ein Kernpunkt ihres Ansatzes: unterschiedlicher Datenschutz bei öffentlichen Stellen und in der privaten Wirtschaft sei nicht mehr zeitgemäß. Die Justizkommissarin fordert ein einheitliches Datenschutzrecht für ganz Europa. Gegen wen argumentiert sie da so vehement, Peter Welchering?

    Peter Welchering: In erster Linie richtet sich das gegen den deutschen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich. Aber in zweiter Linie geht’s rüber in die USA – nämlich gegen den Chefjustiziar von Barack Obama. Und das Weiße Haus hat auch versucht, sehr stark Einfluss zu nehmen auf die Neufassung der EU-Datenschutzregelung. Das ist übrigens unerhört neu. Denn noch nie zuvor hat das Weiße Haus so stark wirklich auch in Brüssel immer wieder die eigenen Vorstellungen geltend gemacht und die Entwürfe der EU-Kommission kritisiert, Änderungsvorschläge sogar gemacht. Von den Vorstellungen insbesondere der Justizkommissarin fühlt sich die amerikanische Regierung in sofern ganz direkt betroffen, weil davon eben auch solche Vereinbarungen wie das Fluggastdatenabkommen dann künftig betroffen wäre. Und das würde zu einer Einschränkung der Datenlieferung an die Amerikaner führen.

    Kloiber: Und welche konkrete Kritik hat Bundesinnenminister Friedrich an den EU-Reformplänen?

    Welchering: Das geht ihm alles zu weit. Der will den europäischen Datenschutz auf Unternehmen beschränken, auf die Wirtschaft. Und er hat ganz klar gesagt, wie wir ein deutsches Waffenregister führen und wie wir unser Melderecht machen, dass geht auch Brüssel gar nichts an. Und deshalb solle eben auch das private Datenschutzrecht mit der EU-Verordnung geregelt werden. Und das Öffentliche Recht solle eben nationales Recht bleiben. Da möge die EU bitte außen vor bleiben. Und das will Viviane Reding so eben nicht akzeptieren.

    Kloiber: Inwieweit beanspruchen denn amerikanische Behörden ein Mitspracherecht bei der EU-Datenschutzreform?

    Welchering: Zunehmend stärker. Das war vor einem Jahr noch nicht so stark ausgeprägt. In den letzten Monaten war es sehr stark. Und das hat vermutlich auch damit zu tun, dass das Handelsministerium eine eigene Regelung der US-Regierung für den Datenschutz vorgestellt hat. Auch das ist neu. Denn bisher gab es so etwas auf Bundesebene noch nicht. Allerdings: Diese Regelung für den Datenschutz zielt stärker auf die Datensicherheit ab – und zwar im Sinne des Schutzes von Daten vor Diebstahl. Und da wird insbesondere an die ganzen Datendiebstähle der vergangnen Zeit erinnert. Und deshalb wird momentan auch ein wenig aneinander vorbei geredet. Denn das amerikanische Datenschutzverständnis unterscheidet sich, was Privatheit angeht, eben doch sehr stark vom europäischen.