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Wo geht's hier zur Kasse?

Medien.- Angesichts sinkender Werbeeinnahmen sind die deutschen Zeitungsverlage entschlossener denn je: Sie wollen auch im Internet an ihren Inhalten verdienen. Also wird bald wohl für das Lesen von Online-Artikeln bezahlt werden müssen. Bloß wie?

Von Silke Thole | 31.07.2010
    Nutzer müssen sich darauf einstellen, dass sie für das Lesen von Zeitungsartikeln im Netz zur Kasse gebeten werden. Das wurde zwar schon häufiger angekündigt, aber jetzt wird es ernst. Der Grund dafür ist der höhere Leidensdruck der Verlage, die immer mehr Werbeumsätze verlieren. Deshalb seien Bezahlinhalte im Netz für die deutschen Zeitungshäuser von existenzieller Bedeutung, wirbt der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger für Verständnis. Der Verband verfolgt ein ehrgeiziges Ziel: Bereits in zehn Jahren sollen die deutschen Verlage 50 Prozent ihres Gesamtumsatzes mit kostenpflichtigen digitalen Inhalten erwirtschaften. Um das zu erreichen, gibt es viele Wege.

    Welcher davon der Richtige ist, weiß jedoch derzeit niemand. Und so setzen die einen wie "Bild" und "Welt" auf kostenpflichtige Anwendungen für mobile Endgeräte, sogenannte Apps, andere Zeitungshäuser wie der Berliner Tagesspiegel dagegen auf Bezahlschranken, sogenannte Paywall. Wer dort bestimmte Artikel lesen will, muss zahlen. Für die Apps spricht die vergleichsweise einfache Abrechnung, glaubt André Hellmann. Seine Firma Zelect ist auf Bezahllösungen für Verlage und Medienunternehmen spezialisiert.

    "Es gibt bisher noch wenige bis keine Möglichkeiten, wirklich auf den Webseiten der Inhalteanbieter für die Inhalte Geld zu verlangen. Da gibt’s keine Systeme oder wenn man Systeme will, muss man die selber bauen und das ist dann mitunter sehr teuer, die einzubinden. Und diese Möglichkeit habe ich eben über die Apps. Also der Appstore von Apple oder der Android-Shop von Google, darüber kann ich die Apps kostenpflichtig beziehen, der Bezahlprozess wird abgewickelt über Apple oder Google oder Amazon, auf dem Kindle zum Beispiel. Aber, da ist dann der Nachteil, dass ich dann den Partnern Geld in die Hand drücken muss dafür, dass ich meine Inhalte auf den Shops verkaufen kann."

    Gegen die Apps spricht aus Sicht der Verlage, dass sie damit eines ihrer wichtigsten Pfunde aus der Hand geben: die direkte Beziehung zu ihrem Kunden - dem Leser. Jörg Röver, Verleger des Schwäbischen Tagblatts strebt daher für die Vermarktung der Tagblatt-Inhalte im Netz auf lange Sicht ein Bezahlmodell an,

    "wo wir auch nicht wie beim iPhone jetzt die Beziehungsmöglichkeit zu unserem Leser und zu unserem Abonnenten verlieren."

    Trotzdem setzt auch das Tagblatt, wie 40 Prozent der deutschen Verlage, vorerst auf eine App für das iPhone. Die ist derzeit bei den Schwaben noch in der Entwicklung, soll aber noch in diesem Jahr kommen. Dabei geht es Jörg Röver darum, in einem überschaubaren Rahmen Erfahrungen zu sammeln.

    "Wie laufen solche Geschäftsmodelle, wie ist das Nutzungsverhalten unserer Leser, was lernen wir durch die interne Organisation, die wir verändern müssen, gerade, wenn wir bestimmte Inhalte anders darbieten müssen, inhaltlich anders, aber auch zeitlich anders – also es sind viele Aspekte, die da eine Rolle spielen, die dann sagen, okay, das ist ein überschaubarer Rahmen, da machen wir mit, um auch auf diesem Markt Erfahrungen zu sammeln und für andere Entwicklungen, die garantiert kommen werden, auch gerüstet zu sein."

    Wie die meisten Verlage, würde auch das Schwäbische Tagblatt seine digitalen Inhalte am liebsten über ein Abo-Modell vermarkten. Ganz so wie die gedruckte Zeitung. Im Gespräch sind in der Verlagsbranche aber auch Modelle, bei denen die Nutzer einzelne Artikel kaufen. Laut André Hellmann ist es genau das, was die Nutzer wollen. Doch dafür sind Systeme nötig, mit denen schnell und einfach Cent-Beträge bezahlt werden können, die Micropayment-Lösungen.

    Zwar gibt es bereits eine Reihe von Bezahlsystemen im Internet, aber die sind teuer und daher nicht für die Zahlung kleiner Beträge geeignet. Bei Click and Buy beispielsweise werden pro Transaktion 35 Cent pauschal und zusätzlich 2,9 Prozent vom Umsatz fällig. Bei einem Artikel-Preis von einem Euro müsste der Verlag also 38 Cent nur für das elektronische Inkasso bezahlen. Bei Google Checkout und Paypal sind die Kosten je Bezahlvorgang ähnlich hoch. Hinzu kommt, dass selbst von diesen bekannten Systemen kein einziges so verbreitet ist, dass Nutzer sich komfortabel und schnell auf verschiedenen Webseiten Artikel zusammenklicken könnten. Google kündigt eine neue Lösung an - angeblich arbeite der Konzern an einer universellen Bezahllösung für bezahlten Inhalt.

    Doch selbst wenn sich eine kostengünstige Lösung für die Abwicklung von Zahlungen findet, ist das noch kein Garant für den Erfolg der Verlage mit Bezahlinhalten. Darüber hinaus, meint Andrè Hellmann, fehle

    "in vielen Fällen das Konzept, für was verlange ich denn Geld und wie viel Geld und von wem verlange ich das eigentlich. Und da müssen natürlich Anpassungen an den Content-Management-Systemen gemacht werden, an den Webseitentemplates. Da haben Sie auf jeden Fall das Problem, dass Sie ihre Inhalte künstlich verknappen müssen, das heißt, sie müssen ihre Inhalte ja wegsperren. Sie müssen und das sind massive Eingriffe in die Infrastruktur der Verlage und das ist dann eben auch sehr teuer, wenn sie so ein Bezahlsystem wie Click and Buy oder Paypal einführen wollen."