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Wohltätige Rivalen
Männer zeigen beim Spenden biologische Reflexe

Vor Weihnachten wird allerorts wieder an die Spendenbereitschaft der Leute appelliert. Selbstlose Hilfe gilt als ureigene menschliche Eigenschaft. Wie soziale Gruppen funktionieren und zusammenleben war diesmal Schwerpunkt auf den 10. Göttinger Freilandtagen am Deutschen Primatenzentrum.

Von Michael Stang | 14.12.2015
    Ein Helfer der Johanniter ordnet Spenden für Flüchtlinge in Leipzig.
    Gerade in der Vorweihnachtszeit ist die Spendenbereitschaft groß. (picture-alliance / dpa / Jan Woitas)
    Auch das Spendensammeln ist mittlerweile im digitalen Zeitalter angekommen. Ein paar Klicks genügen, um Hilfsorganisationen zu unterstützen. Für die Höhe der Zuwendungen interessieren sich nicht nur die Betreiber der Spendenseiten, sondern auch Verhaltensbiologen, wie etwa Nicola Raihani vom University College London.
    Sie wollte herausfinden, ob es Unterschiede im Spendenverhalten von Männern und Frauen gibt. Dazu hat sie mehr als 650 Webseiten untersucht, die vor dem London Marathon angelegt worden waren. Aufgerufen hatten meist Privatinitiativen oder Vereine. Auf diesen Seiten waren jeweils die letzten fünf bis zehn Geldgeber samt Foto und Höhe der Summe zu sehen. Wer wollte, konnte auch online spenden.
    "Wenn Menschen in einer Situation nicht wissen, wie sie sich verhalten sollen, dann schauen sie auf den Vorgänger und ahmen ihn nach. Bei einer Internet-Spendenseite wissen viele ja nicht, wie viel sie geben sollen. Also schauen sie, wie hoch die letzten Spenden waren und geben dann genauso viel."
    Uralte biologische - Verhaltensweisen
    Bei der Analyse sah Nicola Raihani, dass die Leute mehr Geld gaben, wenn jemand direkt zuvor 50 oder 100 Pfund gespendet hatte. Danach wollte die Forscherin untersuchen, ob sich die Höhe des Betrages geschlechtsspezifisch festmachen lässt. Denn sie vermutete, dass sie hier uralte biologische - Verhaltensweisen finden kann, schließlich warben vieler Spendenseiten mit attraktiven Menschen - somit könnten die potenziellen Geldgeber in Konkurrenz zueinander stehen.
    "Die Theorie war: Wenn Menschen um Sexualpartner konkurrieren und als Grundlage für die Partnerwahl die Höhe einer Spende gilt, dann kommt es zu einem Wettkampf. Die Beteiligten einer Gruppe versuchen dann, besser als der Andere zu sein."
    Unterschiede zwischen Frauen und Männern
    Und tatsächlich stellte Nicola Raihani deutliche Unterschiede in Bezug auf die Spendenbereitschaft zwischen Männern und Frauen fest, vor allem, wenn die Webseite mit einer attraktiven Frau zum Geldsammeln aufgerufen hatte.
    "Männer liefern sich bei den Online-Spenden direkt einen Wettkampf - aber eben nur, wenn eine attraktive Frau zum Spenden aufgerufen hatte und wenn ein Mann - also ein Rivale - direkt zuvor eine größere Summe gespendet hat. Dieses Wettkampfverhalten gibt es aber nicht, wenn eine Frau eine größere Summe gespendet hat oder wenn der Spendensammler ein Mann ist oder wenn die Spendensammlerin weniger attraktiv ist."
    Kompetitives Balzverhalten
    Männer verfallen also unbewusst in ein kompetitives Balzverhalten, so Verhaltensbiologin. Stellt sich die Frage, welchen Nutzen ein Spender davon hat.
    "Wenn jemand zeigt, dass er hilfsbereit und extrem kooperativ ist, wird er vielleicht als attraktiver wahrgenommen als jemand, der dieses Verhalten nicht zeigt. Hilfsbereite Menschen werden in dieser Hinsicht als attraktiver wahrgenommen und haben so leichter Zugang zu Sexualpartnern."
    Beim Spenden geht es also nicht nur um selbstlose Hilfe, sondern eher um das Prinzip "Tue Gutes und rede darüber". Das könnte auch die Erklärung dafür sein, weshalb von tausenden Geldgebern nur weniger als 12 Prozent Gebrauch von der Option des anonymen Spendens machten.
    "Falls der Gewinn darin besteht, dass man mithilfe dieser Kosten seine Reputation steigert, erwarten wir nicht, dass jemand anonym spendet, denn dann gebe es ja nur die Kosten, aber nicht den Nutzen."
    Mehr Infos:
    freilandtage