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Wohnen in der Zukunft

In der Zukunft werden sich sowohl Städte als auch die Wohnung selbst verändern. Energie muss gespart und zunehmende Landflucht verhinder werden.

Von Stefan Maas | 08.08.2012
    Null-Energiehaus: ein Gebäude der Zukunft
    Null-Energiehaus: ein Gebäude der Zukunft (Schüco International KG)
    "Was ja oftmals ein Thema ist, ist der Umgang mit dem Schlüssel. Wenn es dunkel ist oder ich motorisch eingeschränkt bin, kann ich dann noch komfortabel schließen. Ich kann das natürlich auch anders handhaben.""

    Mit einem Chip am Schlüsselbund zum Beispiel. Kaum größer als eine Münze. Viktor Grinewitschus entwirrt seinen dicken Schlüsselbund, hält den Chip kurz vor ein Lesegerät – und schon öffnet sich das Türschloss mit einem Surren. Ein Schritt – und der Besucher steht mittendrin – in der Zukunft des Wohnens. Die beginnt in Duisburg, nicht weit entfernt von der Universität, im Garten des Fraunhofer Instituts…

    ""Das inHaus 1 ist ein Forschungslabor, wir haben es 2001 eröffnet."

    Vor elf Jahren – etwa zu der Zeit, als die drahtlose Übertragung von Daten aufkam – stellten sich Wissenschaftler die Frage, ob sich die neue Technik auch nutzen ließe, um Häuser und Wohnungen "intelligenter" zu machen, erzählt Professor Grinewitschus, einer der Leiter des inHaus-Zentrums. Kann der Herd, kann die Heizung irgendwann kommunizieren mit anderen Geräten? Und was brächte das dem Nutzer?

    "Was es von heute normalen Gebäuden unterscheidet ist die Infrastruktur. Wir haben eine Fülle von Sensoren installiert, wir haben ein Netzwerk im Hintergrund. Und wir haben viele Dinge integriert, sodass man vom Fernseher auf die Heizungsanlage kommt und so weiter."

    Auf den ersten Blick ist dem Haus nicht anzusehen, dass hier rund 60 Wissenschaftler aus sieben Fraunhofer-Instituten zusammen mit Partnern aus der Wirtschaft an Techniken und Geräten tüfteln, die uns das Leben in Zukunft erleichtern sollen.

    "Das ist ein Doppelhaus, das ist fünfzig Mal gebaut worden am Niederrhein, also kein spaceiges Haus in dem Sinne. Und wir haben eine Laborhälfte, in der die Wissenschaftler experimentieren können – und wir haben eine Wohnhälfte (wo wir uns jetzt drin befinden), die halt so ausgestattet ist wie ein normales Gebäude. Meiner Meinung nach ansprechend eingerichtet, sodass man hier auch mal eine Woche drin verbringen kann und viele Funktionen ausprobieren kann."

    Vom kurzen Flur geht es rechts ab in die Küche; daneben führt eine Treppe hoch in den ersten Stock. Im großen Wohnraum, der den größten Teil des Erdgeschosses einnimmt, steht links ein langer Esstisch aus Holz. Der Blick fällt geradeaus auf einen knallroten Sessel, rechts das Sofa und gegenüber ein riesiger Flachbildschirm.

    Das inhaus1 in Duisburg – nicht mehr das einzige, aber das erste und immer noch größte "Smart Home" Deutschlands. Ein intelligentes, ein mitdenkendes Haus. Heute mag sich noch mancher schwer tun beim Gedanken, dass in wenigen Jahren ein Computer die Fenster schließt, das Licht löscht oder elektronische Geräte ausschaltet, weil die Sensoren erkannt haben, dass niemand zuhause ist. In Zukunft sollen sich Bewohner möglichst wenig Gedanken über die Bedienung der Technik machen müssen – vieles wird intuitiv und zentral über Geräte wie das iPad gesteuert – ob bequem vom Sessel aus oder von unterwegs.

    Andererseits soll die Technik auch helfen, bewusster zu wohnen. Etwa wenn es um Energieverbrauch geht. 40 Prozent der Energie werden zurzeit noch in Gebäuden verbraucht. Ein großer Teil davon in Wohngebäuden - und dort etwa zwei Drittel fürs Heizen.

    "Ob man wirklich dazu kommt, dass man bis 2050 nur noch 20 Prozent der Energie verbraucht – schön wär`s auf jeden Fall. Ist ein gutes Ziel, aber man muss auch gucken, was muss dafür passieren, dass das auch wahr wird."

    Eine Antwort auf diese drängende Frage lautet: Sparen!

    "Wir haben hier im Eingangsbereich mehrere Möglichkeiten geschaffen, die man sich anschauen kann, das Simpelste ist so ein kleiner Drehschalter. In dem Moment, wenn ich das Haus verlasse, drehe ich den Schalter auf Stufe eins: "Kurze Abwesenheit. Licht aus, Fenster zu." Und das Haus schaltet alles stromlos, was abgeschaltet werden kann, weil ich das Haus ja verlasse. Motore schließen dann die Fenster, die motorisch angetrieben sind. Und ich habe so eine Art Zentralverriegelung des Hauses, wenn ich das Haus verlasse."

    Eine weitere Antwort lautet: Mach das Haus klüger:

    ""Also, die Gebäude müssen erkennen, ob jemand da ist, das Nutzerverhalten darf keine großen Auswirkungen auf den Energieverbrauch haben."

    Fenster offen und Heizung auf Volldampf, eine Umweltsünde - in 20 Jahren Schnee von gestern. Sensoren erkennen, wann die Luft im Raum schlecht ist oder zu feucht ist – in der Küche zum Beispiel - dann öffnet das Haus seine Fenster – und schließt sie, sobald die Luft wieder rein ist. Notwendig wird ein intelligenterer Energieverbrauch aber auch durch ein Projekt, für das Bundeskanzlerin Angela Merkel vielleicht noch im Jahr 2032 in guter Erinnerung sein wird.

    Nehmen wir an, die Energiewende ist – trotz aller Unkenrufe - in 20 Jahren geschafft. In Deutschland produzierten Atomstrom gibt es längst nur noch in Geschichtsbüchern. Energie wird nicht mehr nur in einigen wenigen großen Kraftwerken erzeugt und über Hunderte Kilometer quer durchs Land transportiert. Sondern dezentral. Vor Ort. In einem Stadtviertel, vielleicht auf dem eigenen Dach. Mittels Solarzellen. Vorzugsweise für den eigenen Gebrauch.

    "Das führt aber automatisch dazu, dass wir unseren Verbrauch dem Angebot anpassen müssen. Bisher war es ja so, dass die Erzeugung der Nachfrage gefolgt ist. Das heißt, dass wir uns angeschaut haben, wann wird wie viel Energie benötigt, die hat man zu Verfügung gestellt. Die Sonne lässt sich nicht so einfach steuern. Das heißt, wenn wir einen größeren Anteil an Sonnen- oder Windenergie machen müssen, haben wir nur die Alternative zu speichern – Speicher ist teuer – oder wir variieren unseren Verbrauch."

    Und nutzen den Strom dann, wenn er im Überfluss vorhanden ist:

    "Wir werden sicherlich in Zukunft bei einer Waschmaschine nicht mehr einstellen "Start" und dann geht das los. Sondern wir werden eher einstellen, wann soll die denn fertig sein. Und diese Information, wann die Maschine denn startet, mehr oder weniger der Maschine überlassen. Dass die doch bitte mal nachschaut, wann ein günstiger Zeitpunkt ist."

    Nur auf die mitdenkende Heizung oder die kluge Waschmaschine zu setzen, wird allerdings langfristig nicht genügen, sagt Professor Grinewitschus. Schon heute sind die Städte auf der ganzen Welt für rund 80 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Um diese Werte zu senken, heißt das für Planer und Bauherren:

    "Mittelfristig bis langfristig muss die energetische Substanz der Häuser besser werden. Und da denke ich, da sind wir auf einem guten Weg. Es gibt ja heute Ansätze in Richtung eines Nullenergiehauses oder Plusenergiehäuser."

    Solche Häuser sind ideal isoliert und erzeugen – unter anderem durch die Solarzellen auf dem Dach – mehr Energie, als die Bewohner verbrauchen.

    "Man muss nur sehen, dass das alles sehr lange dauert. Wir haben heute Neubauquoten von einem Prozent pro Jahr, man kann sich vorstellen, dass es, bis sowas in der Breite angekommen ist, fünfzig bis hundert Jahre dauern wird."

    "Die Masse der Gebäude, die in 20 Jahren unsere Städte bilden werden, stehen heute schon."

    Sagt Walter Siebel, emeritierter Professor für Soziologie an der Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg. Etwa 90 Prozent der Gebäude sind bereits gebaut und werden auch in Zukunft genutzt. Vor allem in Städten. In Berlin, Hamburg, München, Frankfurt, Stuttgart, Düsseldorf und Köln, aber auch in Mittelzentren, in Universitätsstädten. Ein Trend, der sich fortsetzen wird, glaubt Stadtforscher Siebel, denn:

    "Wir erleben generell, was man genannt hat, eine Renaissance der Innenstädte, das ist eine neue Nachfrage nach Stadt als Wohn- und Lebensraum."

    In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind die Menschen aus den Innenstädten geflohen. Hinaus auf die grüne Wiese. In die Speckgürtel um die großen Städte, aufs Land. Jetzt wollen sie wieder zurück ins Zentrum. Für den Soziologen Walter Siebel ist das Leben in der Vorstadt ein Modell der Vergangenheit. Schon jetzt und wahrscheinlich erst recht im Jahr 2032:

    "Das hängt damit zusammen, dass Suburbanisierung sehr eng mit der familialen Lebensweise verbunden ist. Der Wunsch nach dem Einfamilienhaus als idealem Gehäuse für die familiale Lebensweise. Und diese familiale Lebensweise verliert an Bedeutung."

    Immer mehr Menschen – ob jung oder alt - sind Singles und wohnen alleine. Auch das ein Trend, der sich weiter fortsetzen wird. 2030 werden laut einer Vorausberechnung des Statistischen Bundesamtes gut 43 Prozent aller Deutschen alleine leben. Nicht weit dahinter: Zweipersonenhaushalte.

    Und die Städte ziehen sie alle an. Die Jungen. Zum Studieren, zum Arbeiten. Das Büro ist um die Ecke, genau so wie ein attraktives Freizeitangebot. Das lockt auch die fitten Älteren an. Für sie stimmt das Kulturangebot, die Gesundheitsversorgung, denn sie wollen so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden leben. Und auch für die jungen Familien ist die Stadt attraktiv, denn Kita, Schule und Arbeitsplatz sind hier gleich um die Ecke. Die kurzen Wege sparen Energie - denn die Benzinpreise werden weiter steigen:

    "Das bedeutet, dass auch Pendler eine Güterabwägung vornehmen. Lohnt es sich noch ein Haus auf dem Grün zu bauen und dann ein Zweitauto anzuschaffen. Ist es nicht viel rentabler gleich in die Stadt zu ziehen und aufs Auto zu verzichten."

    Sagt der Zukunftsforscher, Professor Horst Opaschowski. München etwa erwartet bis 2030 um rund ein Zehntel auf dann etwa 1,5 Millionen Einwohner zu wachsen, 20.000 zieht es jedes Jahr neu nach Berlin. Hamburg mit seinen 1,8 Millionen Einwohnern wächst jährlich um rund 5.000 Neubürger. Das ist zwar zu wenig, um in absehbarer Zeit die Zwei-Millionen-Marke zu knacken. Dennoch stehen die Stadtplaner vor einem Problem. Sie sind lange nicht davon ausgegangen, dass deutsche Städte überhaupt noch wachsen. Jetzt tun sie es – zumindest die Metropolen. Doch wie kann eine Stadt sinnvoll wachsen?

    "Das Hochhaus, wenn es eingebunden ist in den städtischen Kontext, kann akzeptabel sein, aber gerade das Hochhaus, wie man es im Englischen so schön nennt "Tower in the Park", also das Hochhaus auf der grünen Wiese in einer Parklandschaft, ist eben nur begrenz attraktiv."

    Sagt Aljoscha Hofmann, der sich als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Universität Berlin mit Planungs- und Architektursoziologie beschäftigt. Die Trabantensiedlung vor den Toren der Stadt, eine Wohnvision aus den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts hat ausgedient. Längst sind diese Hochhausschluchten wie in München-Neuperlach oder Köln-Chorweiler zu sozialen Brennpunkten geworden.

    "Das ist das Schwierige mit Visionen. Man kann den Planern damals, den Architekten, Politikern und Planern nicht vorhalten, dass sie eine schlechte Zukunft wollten. Man glaubte natürlich an diese Idee."

    Städte sollen sich weder in die Breite noch in die Höhe ausdehnen – sondern nach innen wachsen: Sie verdichten sich. Ungenutzte oder nicht mehr genutzte Flächen rücken in den Blick der Stadtplaner. Stillgelegte Flächen der Bahn wie in Stuttgart, alte Fabrikgrundstücke – oder der Hafen. Wie in Hamburg. Dort sollen bis 2025 fast 6.000 Wohnungen entstehen, 45.000 Menschen sollen Arbeit finden. Wohnen, Arbeiten, zur Schule gehen, Leben – alles im Quartier. Die Stadt der Zukunft ist eine Stadt der kurzen Wege – auch das soll zur Verringerung der klimaschädlichen Emissionen beitragen. Für den Hamburger Zukunftsforscher und Politikberater Professor Horst Opaschowski bedeutet das im Umkehrschluss:

    "Die ganzen Supermärkte werden wieder in die teilweise Innenstädte ziehen. Tante-Emma-Laden wird wieder entstehen, oder es entstehen neue Einrichtungen, die alles in einem sind. Lebensmittelladen, Post, Kiosk, Zeitungsladen. Weil vor allem die alternde Gesellschaft nicht mehr so mobil ist und ihre Einkäufe nicht mehr am Stadtrand oder draußen vor den Stadttoren erledigen will."

    Dieser Wunsch nach Wohnen in der Stadt hat seinen Preis, das lässt sich schon heute erkennen: Gerade in den großen Städten sind in den vergangen fünf Jahren die Kaufpreise pro Quadratmeter stark gestiegen. In Köln um etwa 19 Prozent, in Düsseldorf um 25, in Berlin und Hamburg jeweils weit über 30 Prozent. In München ist der Quadratmeter sogar fast 40 Prozent teurer geworden. Preise, die nicht jeder bezahlen kann:

    "Also man kann sagen, wir haben eine polarisierte Nachfrage nach Stadt. Nach sehr billigen, einfachen Wohnungen. Und nach luxuriös aufgewerteten Wohnungen."

    Die Folge ist für den Stadtforscher Walter Siebel:

    "Wenn es gut geht, dann wird es eine Stadt sein, die man als Mosaik verschiedener Lebenswelten beschreiben kann. Also ein Nebeneinander sehr unterschiedlicher Lebensweisen. Quartiere, in denen mehr Ältere wohnen, Quartiere, in denen mehr Jüngere wohnen, also Studenten, Quartiere, in denen Zuwanderer sind, die sich ja nicht unbedingt untereinander mischen werden, arme Quartiere, wohlhabende."

    Das kann zu einem harmonischen Miteinander führen oder zu einer tief gespaltenen Stadt, in der die Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinanderklafft.

    "Mit luxuriös aufgewerteten Quartieren, dann vielleicht mit einigen Quartieren des Übergangs, die sich noch so eben halten und Quartieren der Ausgrenzung, in denen Menschen an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden."

    Die wachsende Stadt im Jahr 2032. Doch auch das genaue Gegenteil wird der Fall sein. Nach Vorausberechnungen des Statistischen Bundesamtes werden dann in Deutschland nur noch rund 77 Millionen Menschen leben. Grob fünf Millionen weniger als heute. Für viele kleine Städte, besonders im ländlichen Raum, bedeutet das: Ihre Bevölkerung schrumpft. Allein bis 2020 werden mehr als die Hälfte aller Landkreise und kreisfreien Städte davon betroffen sein.

    Weniger Bürger auf derselben Fläche: Eigentlich ein Traum aller Stadtplaner des vergangenen Jahrhunderts. Denn sie wünschten sich ein städtisches Leben, das nicht von Enge geprägt ist – und Bevölkerungsrückgang sorgt für mehr Platz. Außerdem sinken die Wohnkosten. Eigentlich ideal, gerade für Familien.

    "Das Problem ist, dass die Einkommen der Gemeinden gebunden sind, indirekt an Wachstumsprozesse. Im Durchschnitt verliert eine Stadt pro Abwanderung 1500 Euro an Einnahmen pro Jahr. Das heißt, einer Stadt gehen gerade in dem Moment, wo aufgrund von Rückgang der Bevölkerung sie Platz hat, genau in dem Moment geht ihr das Geld aus, um diese jetzt physisch gegebene Chance zu nutzen."

    Stattdessen müssen sich Stadtväter und Bewohner fragen, wie gehen wir mit leeren Häusern um? Wo können wir sinnvoll abreißen – damit lebendige Quartiere mit guter Infrastruktur erhalten bleiben und die Stadt nicht zu einer Ansammlung zufällig bewohnter Häuser und leerer Grundstücke verkommt. Sie müssen auch Antworten finden auf Fragen wie: Wo können und müssen wir sparen? Und wie viel Infrastruktur ist noch bezahlbar? Schulen, Schwimmbäder, Theater, öffentlicher Nahverkehr.

    "Wo es peripher wird, da ist dann natürlich die Situation so, dass die Kleinstädte schwächeln, dass die Dörfer schwächeln. Und dann tritt ein Teufelskreis ein, wo dann am Schluss eine ganze Region so schwach wird, verbunden noch mit einem negativen Image, dass dann nur noch Wegzug herrscht."

    Holger Magel, emeritierter Professor für Bodenordnung und Landmanagement an der Technischen Universität München. Als langjähriger Chef der Bayerischen Verwaltung für Ländliche Entwicklung ein engagierter Kämpfer für die Belange des ländlichen Raums. Auch er kennt die Prognosen, die nicht nur Zukunftsforscher Opaschowski artikuliert:

    "Es wir immer ein paar ältere Menschen geben, die fast bis zum letzten Atemzug auf dem Land in ihrem Dorf bleiben, wo fast nichts mehr geboten wird, aber ansonsten ist die Stadt die Gesellschaft von morgen."

    Aus landespolitischen Gründen muss hier vom Staat her dafür gesorgt werden, dass kein Teil des Landes aufgegeben wird.

    Hält Magel dagegen.

    "In Deutschland gibt’s die Vorstellung, wir wollen gleichwertige Lebensbedingungen in allen Teilen des Landes garantieren. Sodass sie auch in einem Dorf fließendes Wasser haben und alles des, was man sich heute, im 21. Jahrhundert, unter Lebensqualität vorstellt. (…) Und was ist die Realität, wir schauen einfach zu – zum Teil fasziniert, zum Teil hochgejubelt von Fachliteratur: Urbanisierung, Urbanisierung, Urbanisierung, München wächst und wächst und wächst und zieht die Menschen an. Und draußen fallen ganze Regionen brach. Also, das erinnert mich an Entwicklungsländer."

    Und so wird er im Sommer 2032 noch in viel mehr Regionen als heute unterwegs sein: Der Lebensmittelhändler, der seine Waren vom Lkw aus verkauft. Und wahrscheinlich werden mit ihm die Post, die Bank, der Arzt mobil ihre Dienste anbieten. Schwarz gemalt? Der Zukunftsforschers Horst Opaschowski schüttelt den Kopf:

    "Ja, ich glaube, diese Entwicklung ist fast schicksalhaft und fast unaufhaltsam. Weil die Nahversorgung nicht mehr finanziert werden kann. Oder sie schaffen autarke Gemeinschaften, die dann für ihre Versorgung auch selber sorgen."

    Horst Magel, der Professor für Bodenordnung und Landmanagement, will dabei nicht einfach tatenlos zusehen. Er sieht die Politik in der Pflicht zu handeln. Trotz knapper Kassen. Es dürfe nicht immer nur rein wirtschaftlich auf den ländlichen Raum geschaut werden, sonst würden manche Regionen ausgetrocknet.

    "Selbst wenn es sich nicht mehr rechnet, eine Schule zu fahren, einen Schulzweig, dann soll man es so lange halten, als es nur irgendwie geht, weil das einfach für die Lebensqualität, weil das einfach für diese Standorte wichtig ist."

    Auch technische Entwicklungen können helfen, sagt Viktor Grinewitschus im inHaus-Zentrum in Duisburg. Sie können Infrastruktur schaffen, damit ein qualifizierter Arbeitnehmer nicht nur in der Stadt einen Job findet. Damit er von zuhause arbeiten kann, von überall im Land. Und trotzdem gut vernetzt ist.

    "Wenn sie es wirklich schaffen, eine virtuelle Nähe zu erzeugen, wo sie sagen, sie können genauso gut zusammenarbeiten, auch wenn der Schreibtisch hundert Kilometer wegsteht, wird vielleicht auch der Druck auf die Ballungsräume möglicherweise nachlassen. Und sie haben dann nicht mehr den Effekt, dass sich so Landstriche mehr oder weniger komplett entvölkern. Das ist natürlich ein sehr ambitioniertes Ziel, aber auch nicht unvorstellbar."