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Wohngipfel in Berlin
"Das ganze System muss auf den Prüfstand"

Vor dem Wohngipfel in Berlin hat die Architekturkritikerin Laura Weißmüller eine Qualitätsdebatte und neue Ideen im Städtebau gefordert. Zwar sei es am wichtigsten, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, sagte sie im Dlf. Doch Fehler wie tagsüber leer stehende Neubauviertel dürften sich nicht wiederholen.

Laura Weißmüller im Gespräch mit Maja Ellmenreich | 20.09.2018
    Wohnsiedlung in Nürnberg
    Wohnsiedlung in Nürnberg (imago/imagebroker)
    Die Wohnungsnot ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Daher ist der Gipfel am Freitag bei der Kanzlerin dringend, findet Architekturkritikerin Laura Weißmüller. Die Politiker nähmen die Situation jedoch offenbar noch nicht ernst. So sei Horst Seehofer bisher kaum in seiner Funktion als Bauminister in Erscheinung getreten. Und nun entlasse er den einzigen Staatssekretär, der sich mit dem Thema Wohnen beschäftigt hat.
    Das Problem ist nach Ansicht von Weißmüller, dass obwohl die Not in immer mehr deutschen Städten groß ist, nur an kleinen Stellschrauben gedreht wird. Dabei müsste das ganze System des deutschen Wohnungsbaus auf dem Prüfstand. Das fange bei der Architektur an. Zwar verspricht die Bundesregierung, 1,5 Millionen neue Wohnungen zu bauen, aber wie diese aussehen sollen, dazu stehe im Koalitionsvertrag kein Wort. Dabei entscheidet die Architektur, wie die Menschen in einem Haus wohnen, ob sie sich mit ihren Nachbarn begegnen und auch wie sie sich in ihr Umfeld einfügen. Wie in der Bildung braucht auch die Architektur deswegen eine Qualitätsdebatte, so Weißmüller.
    Umgang mit Grund und Boden grundsätzlich verändern
    Zudem mangele es an neuen Ideen, wie die Städte hierzulande dichter werden können. Doch wer nur neue Häuser baut, ohne daran zu denken, was diese für ihre Umgebung bedeuten, sorge automatisch für Ablehnung. Stattdessen einfach nur neue Viertel auf der grünen Wiese zu bauen, die tagsüber leer stehen, weil dort nur geschlafen wird, hält Weißmüller für keine gute Idee. Denn das bedeutet, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen.
    Das Wichtigste aber, um mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, ist für sie, den Umgang mit Grund und Boden grundsätzlich zu verändern. Bislang wird dieser noch wie eine x-beliebige Ware behandelt, dabei ist er weder vermehrbar noch ersetzbar. Das nennt Weißmüller auch in Anbetracht der nachfolgenden Generationen "geradezu verantwortungslos". Um das zu ändern, müsse die öffentliche Hand aufhören, ihre Grundstücke zu verkaufen und solle diese nur noch im Erbbaurecht und nach einem Konzeptverfahren vergeben. Damit wäre sichergestellt, dass dort auch etwas entsteht, was im Sinne des Gemeinwohls geplant, gebaut und gepflegt wird.