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Wohnraum
Wie der Staat am Immobilienboom mitverdient

In Städten und Speckgürteln explodieren die Mieten, die Preise für Immobilien und Grundstücke steigen. Und der Staat verdient dabei in gleich mehrfacher Hinsicht mit - und zwar in Milliardenhöhe. Das gilt auch bei der Schaffung von neuem Wohnraum, der dringend gebraucht wird.

Von Sina Fröhndrich | 30.07.2018
    Neubau eines Hauses in Hamburg
    In Deutschland werde viel zu wenig Bauland freigegeben, kritisieren Ökonomen (picture alliance/Bildagentur-online)
    München, Berlin, Hamburg, Köln – wer dort eine Wohnung sucht, braucht Geduld und ein gutes finanzielles Polster. Die Mieten steigen seit Jahren, auch Wohneigentum und Grundstücke werden vor allem in Ballungsgebieten teurer. Und das spürt auch der Fiskus. Die Einnahmen sprudeln.
    "Bund und Länder verdienen im ganz erheblichen Maße an der Immobilienmarktentwicklung", sagt Claus Michelsen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. Er nennt mehrere Gründe. Zum einen werde schlicht mehr gebaut, die Wohnungswirtschaft setze mehr Geld um – macht am Ende höhere Steuereinnahmen.
    Und: Auch an steigenden Mieten verdient der Fiskus mit. Vermieter müssen ihre Mieteinnahmen versteuern. Allein im Jahr 2014 kamen 26 Milliarden Euro zusammen – durch Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung, die versteuert werden. Und die Kommunen verdienten auch durch ihre eigenen Immobilien, sagt der Immobilienökonom Michael Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln.
    "Auch die kommunalen Wohnungsgesellschaften sind attraktiver geworden, haben höhere Mieteinnahmen, konnten Leerstände abbauen. Auch da profitiert der Staat."
    Einnahmen durch Grunderwerbssteuer haben sich verdoppelt
    Eine weitere Geldquelle sei die Grunderwerbssteuer – sie wird fällig, wenn Immobilien oder Baugrund den Besitzer wechseln. Auch hier wird zugelangt:
    "Die Länder profitieren von der Grunderwerbssteuer, die Transaktionen haben zugenommen, die Kaufpreise haben zugenommen, außerdem hat man die Steuersätze deutlich erhöht. Das hat eben dazu geführt, dass die Grunderwerbssteuereinnahmen sich verdoppelt haben innerhalb weniger Jahre."
    Nämlich auf 13 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Ein neuer Rekordwert. 2006 brachte die Grunderwerbssteuer gerade mal sechs Milliarden Euro ein. Seither entscheiden die Länder selbst über die Höhe. Nordrhein-Westfalen etwa nimmt inzwischen 6,5 Prozent, statt ursprünglich mal 3,5 Prozent.
    "Das große Problem ist, dass die Länder einen starken Anreiz haben, die Steuer zu erhöhen, auch weil die Steuer im Länderfinanzausgleich privilegiert ist, das heißt, normalerweise, wenn ich als Land mehr Einnahmen habe, muss ich die teilen mit den anderen Ländern, das ist bei der Grunderwerbssteuer nicht der Fall, deshalb haben gerade hoch verschuldete Länder wie Berlin und Nordrhein-Westfalen die Grunderwerbssteuer deutlich erhöht."
    Staat behindert Neubau durch Auflagen und zu wenig Bauland
    Die Chance, dass die Steuer sinken könnte, halten Ökonomen eher für gering. Auch wenn das geboten sei, sagt Claus Michelsen vom DIW:
    "Im Bereich der Grunderwerbssteuer kann man sagen, dass das ja schon Profite sind, die vom Himmel gefallen sind. Da kann man durchaus drüber nachdenken, ein bisschen Entlastung hineinzugeben und vor allen Dingen den Ländern, vielleicht die besonders hohe Sätze haben, denen noch mal nahe zu legen, dass sie da noch mal an der Schraube drehen können."
    Der Staat verdient nicht nur an explodierenden Immobilienpreisen, zum Teil sorge er auch durch Auflagen dafür, dass Kosten in die Höhe getrieben würden, kritisiert der Ökonom Voigtländer.
    "Das heißt, zum Beispiel ein Projektentwickler, der Einfamilienhäuser baut, muss gleichzeitig auch den Kindergarten oder die Schule mitfinanzieren. Das können eben Zusatzbelastungen dann sein im fünfstelligen Bereich für Familien. Wo man dann natürlich schon fragen kann, ist es gerecht, dass letztlich die Familien, die dort einziehen einen Großteil am Kindergarten mittragen sollen – oder es teilweise dazu führt, dass sich Familien diese Wohnungen nicht mehr leisten können."
    Steuern seien zwar wichtig, um die öffentliche Infrastruktur finanzieren zu können, betonen Ökonomen. Aber: Gleichzeitig müsste dann auch ausreichend neuer Wohnraum geschaffen werden. Hier sei noch viel Luft nach oben. Es werde zu wenig Bauland freigegeben.