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Wohnungsbau
Nachhaltiges Wohnen in Industriehallen

Um neuen Wohnraum zu schaffen wird oft neu gebaut. Vielleicht zu oft, wie einige Studierende der Technischen Hochschule in Köln finden. Sie untersuchen die Möglichkeit, alte Industriehallen als Wohnraum zu nutzen - und gleichzeitig nachhaltiger leben zu können.

Von Mario Müller | 08.07.2017
    Rückansicht der Schweineställe des ehemaligen Schlachthofs an der Landberger Allee in Berlin-Friedrichshain, aufgenommen am 23.08.2015.
    Die Idee des modularen Wohnungsbaus ist mittlerweile in der Politik angekommen. (dpa / Matthias Tödt)
    "Neues Leben in alten Hallen": Das soll der Titel sein der Masterarbeit, an der Martin Büchler gerade sitzt. Der gelernte Zimmermann und studierte Bauingenieur beschäftigt sich in seinem Masterstudiengang "Architektur und Umwelt" mit dem Thema nachhaltiges Wohnen. Besonders alte Industriehallen haben es ihm angetan - ein besonderer Wohnort, wie er erzählt.
    "Die positiven Eigenschaften wären erstmal, dass man 'ne vorhandene Gebäudestruktur hat, die auch 'ne Infrastruktur schon vorhanden hat - wie Strom-, Gas-, Wasserleitung und auch ein Abwassernetz -, die man einfach weiter nutzen kann durch kleine Umbaumaßnahmen und nicht erstmal ein Grundstück wieder neu erschließen muss. Dafür hat man 'ne versiegelte Fläche, die man weiter nutzt und nicht 'ne neue Fläche, die man dafür erst versiegeln muss, um quasi neuen Wohnraum zu schaffen."
    Vorhandenes nutzen, statt Grünflächen zu bebauen
    Sparen könnte man sich dadurch das Bebauen von Grünflächen wie Parks - nicht nur in Köln ein großes Streitthema. Negativ an der Halle kann dagegen die Lichtsituation sein. Praktische Fragen hat Martin Büchler schon in dem interdisziplinären Projekt "Dre:RAUM" an der Hochschule bearbeitet - da ging es um die Energieversorgung durch Solarzellen, ein gutes Raumklima durch Bepflanzung und sogar um soziale Aspekte des gemeinschaftlichen Wohnens. Doch wäre so eine Industriehalle auch was für Studenten?
    "Das könnt ich mir eigentlich sehr gut vorstellen, weil Studenten - ich sag mal meistens - ein bisschen anspruchsloser sind, was die Größe der Wohnräume und auch die Abgeschlossenheit der einzelnen Wohneinheiten betrifft. Und sich eigentlich freuen wenn es wie im Studentenwohnheim gemeinsam genutzte Wohnzimmer gibt oder so was, wo man sich auch austauschen kann, treffen kann, kleinere Feiern machen kann. Deswegen denke ich eigentlich dass Studenten ein gutes Klientel wären, um Hallen in Zukunft zu bewohnen. Und vor allem auch Hallen, die nur zur Zwischennutzung frei gegeben werden. Nach fünf Jahren sind die meisten Studenten fertig mit ihrem Studium und könnten dann auch wieder umziehen."
    Flexibel nutzbarer Wohnraum für wenige Jahre
    Denn das Besondere an "Dre:RAUM" ist seine modulare Bauweise: Die einzelnen Wohneinheiten werden aus gedämmten Holzelementen zusammen gebaut, die auch wieder abgebaut und transportiert werden können. So entsteht flexibel nutzbarer Wohnraum auch für nur wenige Jahre. Gerade bei Industriehallen ist das von Vorteil.
    "Es gibt viele Hallen, die stehen seit mehreren Jahren leer, teilweise auch Jahrzehnten. Und da möchte man halt keine Mietverträge für raus geben, weil man möchte sich die Möglichkeit offen halten, zu jedem Zeitpunkt dieses Gebäude irgendwie entweder umzunutzen oder abzureißen. Und deswegen gibt's so wie ich gehört habe nur Zwischennutzungsverträge."
    Gerade die Idee des modularen Wohnungsbaus ist mittlerweile in der Politik angekommen, es gibt zum Beispiel besondere Förderungen des Bundesumweltministeriums. Und auch die Stadt Köln scheint auf das Projekt "Dre:RAUM" aufmerksam geworden zu sein, wie Leiter Christian Brosig berichtet.
    "Dieser Kontakt besteht auf jeden Fall auch weiter und ich habe auch so von der Stadt aus das Gefühl, dass die da ein Interesse daran haben, dass auch so Projekte, die ne Zwischennutzung ermöglichen, dass die Stadt da auch interessiert dran ist, dass solchen Projekten das auch ermöglicht wird."
    Nachhaltiger als Neubauten
    "Es besteht auf jeden Fall Interesse daran, diese alten Industriehallen weiter zu nutzen. Da auch einige wie gesagt unter Denkmalschutz stehen, und da wär' dann halt die Überlegung: Nutzt man lieber so ein altes Gebäude um, was halt auch noch so einen gewissen Charme von Architektur und alles hat, oder reißt man's ab und baut ein normalen Beton- und Styroporklotz dahin wie es ja überall passiert in Köln, um möglichst billigen Wohnraum zu schaffen, der aber leider nicht nachhaltig ist aufgrund der verwendeten Materialien und auch einfach deshalb, weil man sehr viel Ressourcen verwenden muss."
    Zur sofortigen Verbesserung der studentischen Wohnsituation in Köln wird "Dre:RAUM" vermutlich nicht dienen. Wahrscheinlicher ist, dass zunächst eine Halle in Köln ausgebaut wird, in die eine Künstlergemeinschaft ziehen will. Wer allerdings sofortigen Bedarf hat - und eine leere Halle - könnte sich die Baupläne für die "Dre:RAUM"-Wohnmodule einfach runterladen. Die werden nämlich kostenlos zur Verfügung gestellt. Martin Büchler warnt allerdings: Ein Zimmermann sollte zum Aufbau schon bereit stehen.