Freitag, 19. April 2024

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Wohnungseigentümergesetz
Verhaltene Freude über geplante Gesetzesnovelle

Modernisierungen an Wohneigentum hinken oft hinterher, weil die Eigentümer sich nicht einigen können. Eine Gesetzesreform soll Beschlüsse nun erleichtern. Gabriele Heinrich von "Wohnen im Eigentum" ist nur zum Teil überzeugt. "Die Eigentümer kommen mit einem blauen Auge davon", sagte sie im Dlf.

Gabriele Heinrich im Gespräch mit Jessica Sturmberg | 08.09.2020
Die Fassade eines Altbaues im Hamburger Stadtteil St. Georg wird hinter einer Plane saniert. Foto: Markus Scholz | Verwendung weltweit
Mancher Eigentümer kann oder will kein Geld für eine Maßnahme am Wohnhaus geben. Diesen Umstand adressiert die geplante Novelle des Wohnungseigentümergesetzes. (picture alliance / dpa / Markus Scholz)
In Wohnungseigentümerversammlungen kann es hoch her gehen. Mitunter kann ein einziger Eigentümer eine von allen anderen gewollte Maßnahme verhindern, wenn er seine Zustimmung verweigert. Auch die umfassenden Befugnisse eingesetzer Hausverwalter stehen in der Kritik, Missbrauch Tür und Tor zu öffnen. Eine Reform des Wohnungseigentümergesetzes von 1951 soll jetzt dagegen Abhilfe schaffen. Wie am Montag (7. September) bekannt wurde, haben sich die Koalitionspartner Union und SPD auf eine Novelle geeinigt, die noch im November 2020 in Kraft treten soll.
Neue Beschlusskriterien für die Eigentümerversammlung
Manche Maßnahmen soll ein Eigentümer demnach auch ohne Zustimmung der Miteigentümer durchführen können, wenn er sie selbst zahlt - darunter etwa Anpassungen zur Barrierefreiheit, eine Lademöglichkeit für Elektroautos oder Vorrichtungen zur Einbruchssicherheit.
25.02.2019, Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin: An einer Ladestation für Elektroautos wird die Batterie aufgeladen.
Ladestationen verzweifelt gesucht Die E-Mobilität kommt in Deutschland nur langsam voran. Das hängt auch mit den unzureichenden Lademöglichkeiten für E-Autos zusammen. Derartige Anlagen gibt es etwa in Tiefgaragen von Wohnanlagen nur in den seltensten Fällen, wie der ADAC ermittelte.
Bei Beschluss anderer Maßnahmen soll das Mehrheitsprinzip gelten. Mit einer einfachen Mehrheit wäre ein Beschluss möglich. Allerdings müssten dafür nur diejenigen zahlen, die dafür gestimmt haben. Anders bei einer Zweidrittel-Mehrheit, dann müssten alle zahlen.
Befugnisse von Hausverwaltern "etwas eingeschränkt"
Zustimmung zur Gesetzesnovelle kommt von Gabriele Heinrich von Wohnen im Eigentum, einer Interessenvertretung von Wohnungseigentümern in Deutschland. Das Gesetz werde "jetzt deutlich optimiert mit den Änderungen. Und wir denken schon, wenn diese Sachen kommen, dass dann die Schieflage der Machtverhältnisse zwischen Wohnungseigentümer und Verwalter ausgeglichen werden."
So seien Befugnisse der Verwalter "etwas eingeschränkt" worden, es gebe neue Klagemöglichkeiten, Ansprüche auf Schadenersatz und vereinfachte Kündigungsbedingungen. Wird damit Missbrauch effektiv verhindert? "Wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft da entsprechend aktiv und fit ist, kann das verhindert werden", so Heinrich.
Novelle könnte auch neue Probleme schaffen
Aber befördert das Mehrheitsprinzip nicht auch strategisches Abstimmen - wenn ich weiß, dass eine Maßnahme sowieso kommt, dann stimme ich dagegen und bekomme sie, ohne dafür zahlen zu müssen? "Das finden wir schon schwierig", sagt Gabriele Heinrich. Die Macher des Gesetzentwurfs wollten Sanierungen vorantreiben und verwiesen auf die Möglichkeit von Probeabstimmungen. Zudem könne man Abstimmungen auch nachträglich aufheben.

Das Interview in voller Länge:
Jessica Sturmberg: Die Koalition hat einen Kompromiss gefunden für ein neues Wohnungseigentumsgesetz. Das ist ein sehr relevantes Thema für alle, die eine eigene Wohnung in einem Mehrfamilienhaus haben und dort zusammen mit anderen Eigentümern über ihr gemeinsames Wohnumfeld entscheiden und das geht nicht selten mit viel Streit einher. Ladestationen für Elektroautos in der Tiefgarage oder Einbau eines Aufzugs – dafür brauchen Wohnungseigentümer momentan die Zustimmung der Miteigentümer und sie brauchen einen guten Fremdverwalter, der nicht gegen, sondern für sie arbeitet. Das neue Wohnungseigentumsrecht sieht eine Neuregelung vor, die dringend nötig ist, das aktuelle Gesetz ist von 1951.
Wir sprechen über den Entwurf mit Gabriele Heinrich von der Eigentümer-Interessenvertretung "Wohnen im Eigentum". Die Eigentümergemeinschaften beauftragen Unternehmen mit der Verwaltung ihres Gemeinschaftseigentums, bei Neubauten sind es oft die Bauträger, die diese Unternehmen einführen. Es knirscht da nicht selten in dem Verhältnis. Etwa, weil die Verwalter verbandelte Handwerksunternehmen zu hohen Preisen beschäftigen, weil Rechnungen nicht transparent sind oder manchmal gar nicht vorliegen. Der ursprüngliche Entwurf sah eine Erweiterung der Rechte der Fremdverwalter vor, Frau Heinrich, wie ist es nun?
Gabriele Heinrich: Im Gesetzentwurf sollte die Stellung des Verwalters sehr gestärkt werden und das ist jetzt in den Verhandlungen zwischen CDU und SPD zurückgenommen worden. Die Bundestagsfraktionen haben sich auf umfassende Änderungen im WEG-Gesetz geeinigt, und zwar soll zum Beispiel der Verwalter nur noch wenig eigenständig entscheiden dürfen, nur noch Maßnahmen von untergeordneter Bedeutung und die keine gewichtigen finanziellen Auswirkungen für die Wohnungseigentümer haben. Für alles andere soll er einen Beschluss der Wohnungseigentümer benötigen.
Was sind Maßnahmen von untergeordneter Bedeutung?
Was nun Maßnahmen von untergeordneter Bedeutung sind, werden sich jetzt viele Wohnungseigentümer fragen, und dazu ist in der Begründung zum Gesetz jetzt wohl eine ausführliche Erläuterung eingefügt worden, so dass sowohl für die Verwalter als auch für die Wohnungseigentümer als auch für die Gerichte klar wird, dass die Rechte des Verwalters sehr eng gefasst sind und dass er für die allermeisten und alle wichtigeren Sachen einen Beschluss der Wohnungseigentümer einholen muss.
Darüber hinaus sollen die Wohnungseigentümer aber die Rechte und Pflichten des Verwalters erweitern oder auch einschränken können, je nachdem wie es in ihrer WEG am sinnvollsten ist. Das ist auch neu.
Sturmberg: Vielleicht können wir an der Stelle mal kurz einhaken. Das was Sie jetzt beschrieben haben, ist das Innenverhältnis. Das beschreibt das Verhältnis zwischen den Eigentümern und dem Fremdverwalter. Jetzt tritt der Fremdverwalter ja auch nach außen auf, wenn er zum Beispiel einen Auftrag vergibt für das Rasenmähen oder Versicherungsverträge abschließt, Wartungsverträge abschließt und so weiter. Da sah der ursprüngliche Gesetzentwurf ja vor, dass der Fremdverwalter da mehr Rechte eingeräumt bekommt und sogar Kredite aufnehmen kann. Wie ist das denn jetzt geregelt, und ist das in Ihrem Sinne?
Heinrich: Es ist etwas eingeschränkt worden. Ein Verwalter soll jetzt keine Kredite mehr aufnehmen können und auch keine Grundstücksverkäufe in Angriff nehmen können. Das nicht. Ansonsten gilt aber die unbeschränkte Vertretungsmacht nach außen weiterhin.
Man hofft jetzt, so wurde mir gesagt, dass durch die sehr starke Einschränkung im Innenverhältnis der Missbrauch verhindert wird. Außerdem ist es so, dass die Verwalter erleichtert abberufen werden können sollen, und auch die Verwalterverträge – das ist neu – erleichtert gekündigt werden sollen. Diese beiden Punkte und der dritte, dass die einzelnen Wohnungseigentümer weiterhin einen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Verwalter behalten, den Direktanspruch gegenüber dem Verwalter behalten, dass das alles Maßnahmen sind, die verhindern, dass der Verwalter seine unbeschränkte Vertretungsmacht nach außen missbraucht.
Beirat soll Verwalter unterstützen und kontrollieren
Sturmberg: Wie schätzen Sie das denn ein? Wenn zum Beispiel ein Verwalter, der sehr viele Handwerksunternehmen in der Hand hat, mit denen möglicherweise auch sehr eng kooperiert, dann diese Unternehmen auch gerne beschäftigt zu vielleicht Preisen, die nicht ganz im Interesse der Eigentümer sind, ist diese Möglichkeit nun jetzt eingeschränkt, oder eher nicht?
Heinrich: Es kommt darauf an. Es kommt natürlich darauf an, wie aktiv die Wohnungseigentümergemeinschaft ist. Es soll ja auch jetzt der Verwaltungsbeirat zum Kontrollorgan aufgewertet werden. Es soll jetzt im Gesetz drinstehen, dass der Verwaltungsbeirat den Verwalter bei seinen Aufgaben unterstützt und kontrolliert. Das ist neu.
Außerdem soll der Verwaltungsbeirat auch den Verwalter verklagen können, ein Klagerecht erhalten. Diese Maßnahmen zusammen sollen wie gesagt verhindern, dass der Verwalter seine Vertretungsmacht missbraucht, und ich denke schon, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft da entsprechend aktiv ist und fit ist, dass das auch wirklich eingeschränkt oder verhindert werden kann.
Sturmberg: Sind denn Verwaltungsbeiräte – das sind ja Laien – überhaupt in der Lage, das in dieser Weise kontrollieren zu können?
Heinrich: Verwaltungsbeiräte haben eine verantwortungsbewusste hohe Aufgabe und dazu gehört auch, wenn man dieses Amt übernimmt, dass man sich entsprechend informiert und sich berät und sich auch fortbildet.
Härtefall-Regelung "eine gewisse Hilfe"
Sturmberg: Eigentümergemeinschaften können ja generell sehr unterschiedlich aussehen. Da gibt es Häuser, in denen ein Investor die Mehrheit hat und Entscheidungen durchsetzen kann wie zum Beispiel Luxussanierungen, die dann eine Minderheit finanziell überfordern können – bis dahin, dass die dann sogar ihr Eigentum aufgeben müssen, weil sie Maßnahmen nicht mehr mittragen können. Oder das andere Extrem: Eine Mehrheit ist sich einig über eine energetische Sanierung oder den Einbau eines Fahrstuhls und Miteigentümer blockieren das. – Ist der Interessenausgleich in der Novelle jetzt hergestellt?
Heinrich: Man hat jetzt in den Verhandlungen von SPD und CDU noch eingefügt, dass es eine Härtefall-Regelung geben soll. Das heißt, wenn es einen Beschluss gibt, der Wohnungseigentümer finanziell unangemessen benachteiligt, dass sie gerichtlich dagegen vorgehen können. Das ist eine gewisse Hilfe.
Das andere ist, dass nur diejenigen eine Maßnahme bezahlen, die sie auch tatsächlich wollen. Bezüglich der baulichen Maßnahmen gibt es jetzt drei Regelungen. Das eine sind die sogenannten privilegierten Maßnahmen. Dazu gehören Maßnahmen zur Barrierefreiheit, zur E-Mobilität oder zum Einbruchsschutz und darauf hat jeder Wohnungseigentümer einen Anspruch, die umsetzen zu können. Die zweite Maßnahme heißt, wenn es eine Mehrheit in der Eigentümerversammlung gibt, dass dann diejenigen, die dafür gestimmt haben und bereit sind, diese Maßnahmen zu zahlen, entsprechend diese Maßnahmen bezahlen. Das ist eine Art Koalition der Willigen. Diejenigen, die die nicht wollen, auch dagegen stimmen, die müssen dann auch nicht für diese Maßnahmen zahlen. Das Dritte: Es müssen alle eine Maßnahme zahlen - das betrifft dann besonders energetische Maßnahmen -, wenn zwei Drittel für die Maßnahmen gestimmt haben und mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile vertreten sind.
Führt das Mehrheitsprinzip zu strategischen Abstimmungen?
Sturmberg: Sind das aus Ihrer Sicht gute Regelungen? Wenn ich mir gerade den zweiten Baustein noch mal durchdenke, die Koalition der Willigen - das könnte ja auch dahin führen, dass man sehr strategisch anfängt abzustimmen, weil man auf der einen Seite gerne die Maßnahme möchte, weiß, dass möglicherweise die Nachbarn schon dafür votieren werden, und dann komme ich in den Genuss einer Maßnahme, die ich aber nicht finanziere.
Heinrich: Da haben wir auch nachgefragt, wie das dann gehen soll, oder dass im Vorfeld nicht hundertprozentig klar ist, wie hoch die Kosten sein werden. Denn wenn ich denke, okay, von meinen 20 Wohnungseigentümern werden zehn für die Maßnahme stimme, und dann bin ich auch bereit, diese tausend Euro zu zahlen, aber nachher stimmen nur sechs dafür, dann ist das natürlich schon ein Problem, weil dann die Kosten für mich auch entsprechend höher würden. Das finden wir schon schwierig. Hier heißt es dann aber, man will die Sanierungen ja vorantreiben. Man will, dass es in den Wohnungseigentümergemeinschaften vorangeht. Und deswegen wird empfohlen, zum Beispiel Probeabstimmungen zu machen im Vorfeld, so dass dann klar ist, stimmen genug Wohnungseigentümer für so eine Maßnahme und wenn ja, dann entsteht auf diese Art und Weise eine Kostensicherheit. Oder die andere Variante ist, wenn jetzt in der Abstimmung plötzlich sehr viel weniger für eine Maßnahme stimmen, dass dann diese Abstimmung aufgehoben wird.
"Eigentümer kommen mit einem blauen Auge davon"
Sturmberg: Sie nannten vorhin schon das Stichwort E-Mobilität. Jetzt soll jeder einzelne Wohnungseigentümer oder Eigentümerin auf eigene Kosten eine Lademöglichkeit für Elektroautos einbauen können. Gleiches gilt auch für Solaranlagen, barrierefreien Umbau, Einbruchsschutz oder einen Glasfaser-Anschluss. Kann es jetzt mit der E-Mobilität losgehen? Das war ja auch eine der großen Hürden bislang.
Heinrich: Angeblich schon. Das Gesetz soll ja, wenn alles seinen Weg geht, schon ab dem 1. November gelten, und zwar mit dem Argument, diese kurzfristige Einführung wird mit dem Argument vertreten, dass dann die Wohnungseigentümer jetzt noch schnell handeln könnten, um zum Beispiel die Mehrwertsteuer mitzunehmen, oder auch, um entsprechende Fördermittel, die vielleicht Ende des Jahres auslaufen, auch noch mit nutzen zu können.
Sturmberg: Das ist jetzt eine sehr umfassende Novelle. Das derzeit gültige Gesetz ist von 1951. Ist das aus Ihrer Sicht jetzt gelungen?
Heinrich: Es wird jetzt deutlich optimiert mit den Änderungen und wir denken schon, wenn jetzt diese Sachen kommen, dass dann die Schieflage der Machtverhältnisse zwischen Wohnungseigentümer und Verwalter dadurch ausgeglichen werden. Und man kann da wirklich sagen: Die Wohnungseigentümer kommen mit einem blauen Auge davon.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.