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Wohnungsnot
50.000 Studierende in Kalifornien obdachlos

Nach der Vorlesung auf die Straße: Fast 50.000 Studierende sollen in Kalifornien obdachlos sein. Das hat eine aktuelle Studie der California State University ergeben. Viele können sich die überteuerten Wohnungen nicht leisten und haben oft zu wenig Geld, um sich Essen zu kaufen. Nicht alle Unis erkennen das Problem.

Von Katharina Wilhelm | 29.06.2016
    Ein Obdachloser schläft auf einer Straße in San Francisco, Kalifornien, USA
    Viele US-Studierende können sich keine Wohnung leisten (picture-alliance/ dpa/ epa Arleen Ng)
    Ich bin auf dem Uni Campus in der staatlichen Uni in San Francisco unterwegs. Es ist wenig los, gerade sind Semesterferien. Auch hier soll es viele obdachlose Studierende geben, sichtbar sind sie nicht. Ich laufe Daniel in die Arme, er studiert Geisteswissenschaften – ob er das Problem kennt?
    "Das ist überraschend, ich hatte keine Ahnung, dass es das hier gibt?"
    50.000 Studierende sollen obdachlos sein, allein in den staatlichen Unis, die zum Zusammenschluss CSU, zur California State University, gehören. Das sind nicht mal alle Universitäten in Kalifornien, die Zahl dürfte also wohl noch höher liegen. Obdachlos zu sein, heißt dabei nicht, dass die Studierenden auf der Straße schlafen, viele leben zeitweise in ihrem Auto, so wie George Parker, der seine Geschichte im Radio-Sender NPR erzählt:
    "Ich musste einen Sommer lang ziemlich sparen, hatte keinen Job, und musste im Auto schlafen. Dabei hat mir geholfen, mich ans Studium zu klammern, wenn ich das schaffe, wird schon alles ok."
    Obdachlosigkeit oft nicht sichtbar
    Die Obdachlosigkeit ist oft nicht sichtbar. Genauso wenig wie der Hunger. Laut der Uni-Studie sollen 21 bis 24 Prozent der Studierenden nicht regelmäßig essen. Auch davon erzählt George Parker:
    "Ich meine, man denkt, jeder sollte aus einer Familie kommen, die einen liebt, und die einem das Nötigste zum Essen bieten kann. Und wenn das nicht der Fall ist, fühlst du dich ausgeschlossen. Und man will das nicht gerade breittreten und sagen: Hey, es ist halb fünf am Nachmittag und ich verhungere, kann mir jemand helfen? Ich gebe zu, es gab viele Gelegenheiten, in denen ich Hilfe gebraucht hätte, ich aber nicht fragen wollte, weil ich mich zu sehr geschämt habe."
    Allerdings gibt es auch nicht auf jedem Campus Hilfsangebote. Die Studie zeigt auch auf, was vonseiten der Uni getan werden muss. Einige wenige Unis bieten so etwas wie Suppenküchen an, es gibt auch spezielle Studentenkredite. Doch die Hilfsangebote kann nur annehmen, wer auch darüber Bescheid weiß. Und das ist der Studie nach nicht überall der Fall. Außerdem, so die Erkenntnis der Autoren, ist auch das Uni-Personal oft nicht sensibel genug, Studenten in Not zu erkennen.
    Suppenküchen und Studienkredite
    Das grundsätzliche Problem hat jedoch wohl eher mit den immensen Kosten zu tun, die Studierende schultern müssen. Auch Daniel von der Uni in San Francisco kann davon ein Lied singen:
    "Ich lebe nicht auf dem Campus in einem Studentenwohnheim, denn das ist ziemlich teuer. Man gibt schnell 800, 900 Dollar aus, und dann lebt man schon mit fünf oder sechs Leuten zusammen. Ich pendle deswegen, das dauert anderthalb Stunden, und kostete mich aber nur 200 Dollar an Bahnkosten im Monat."
    Auch Studentin Asha kennt das Problem:
    "Ich weiß nicht, ob man es schon eine Wohnungskrise nennen kann, aber es gibt nicht genug Wohnraum, und an unserer Uni wollen sie noch mehr neue Studenten zulassen, es wird also noch schwieriger werden."
    Immense Lebenshaltungskosten
    Einige der kalifornischen Unis befinden sich in den derzeit angesagtesten Metropolen. In Los Angeles oder San Francisco kann man kaum unter 2000 Dollar für ein Apartment ausgeben. Und dazu kommenden die horrenden Gebühren fürs Studium.
    "Ich habe immer mal finanzielle Hilfe bekommen, aber nächstes Jahr und im vergangenen Jahr musste ich zahlen. Das sind 9000 Dollar im Jahr, dafür habe ich einen Kredit aufgenommen", erzählt Daniel. Schnell kommen da mal 40.- bis 50.000 Dollar allein für die Studiengebühren zusammen. Der Studentenkredit muss von vielen Amerikanern teils jahrzehntelang abbezahlt werden. Kein Wunder also, dass einige Studenten offenbar sparen, wo sie nur können. Auch an Essen oder einer Wohnung. Der staatliche Uni-Zusammenschluss will noch zwei Jahre lang zum Thema Obdachlosigkeit forschen – und dabei mehr Hilfsprogramme für bedürftige Studenten anbieten.