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Wohnungssuche von Flüchtlingen
Vermittlungsangebote dubioser Makler

Flüchtlinge haben es schwer, eine Wohnung in Deutschland zu finden. Um den häufig beengten Wohnverhältnissen in den Heimen zu entkommen, nehmen die Menschen vermehrt die Dienste dubioser Makler in Anspruch - gegen die Zahlung horrender Vermittlungsgebühren.

Von Kemal Hür | 19.07.2017
    YDie Wohnverhältnisse in den Flüchtlingsheimen sind oft beengt (26.1.2015)
    Die Wohnverhältnisse in den Flüchtlingsheimen sind oft beengt. (dpa / picture alliance / Jens Büttner)
    "Acht Personen bleiben in einem Zimmer. Das ist nicht so gut. Ich kann nicht Deutsch lernen. Ich mache das Buch auf. Nach fünf Minuten habe ich immer Kopfschmerzen. Mein Kopf ist kaputt. Ich kann nicht lernen." Hussein kam vor einem Jahr als Flüchtling nach Deutschland. Der 32-jährige Syrer hat sechs Kinder und lebt mit seiner Familie in einem Heim.
    Seit neun Monaten hat die Familie den anerkannten Flüchtlingsstatus und müsste eigentlich nicht mehr in einer Asylunterkunft leben. Aber eine Wohnung zu finden ist kaum möglich, erzählt Hussein: "Das Jobcenter hat mir die Adresse einer Wohnungsgesellschaft gegeben", sagt Hussein, "die eine große Wohnung hätte. Als ich mich dort vorstellte, sagte man mir, sie würden einer achtköpfigen Familie keine Wohnung geben. Außerdem müsse ich eine feste Arbeit haben und die Miete nicht vom Jobcenter bekommen. Das würden sie nicht akzeptieren."
    6.000 Euro Vermittlungsgebühr
    Hussein hat in Syrien als LKW-Fahrer gearbeitet. Hier lernt er noch Deutsch und hat keine Arbeit. Die Wohnungssuche gibt er nicht auf. Bekannte vermitteln ihm einen arabischen Makler in einem Café. Dieser bietet ihm eine Wohnung an, will aber 6.000 Euro Vermittlungsgebühr haben. Hussein hat das Geld nicht. Auch wenn er es hätte, würde er es nicht zahlen. Das sei illegal, sagt er.
    Hussein ist nicht der einzige, der an dubiose Makler geraten ist, die mehrere Tausend Euro verlangen. Der Anästhesist Hisham, der allein nach Deutschland flüchtete, wohnt mit zwei anderen Syrern in einem Heimzimmer. Er selbst hat Vermittlungsangebote gegen hohe Summen abgelehnt. Aber er kennt mehrere Familien, die auf diese Weise tatsächlich Wohnungen gefunden haben. Hisham: "Die Leute waren in meinem Wohnheim. Sie haben schon bezahlt. Manche haben 3.000 Euro bezahlt, manche 4.000 Euro. Sie sagen, wir sind Familien, wir haben Kinder. Die Kinder können nicht warten. In einem Zimmer fünf oder mehr Personen, das geht nicht."
    Erst Geld, dann Wohnungsbesichtigung
    Auch der 22-jährige Kurde Harsho aus Syrien hat Erfahrungen mit falschen Maklern gemacht. Er hat fünf-, sechsmal arabische Männer getroffen, die ihm im Internet Wohnungen angeboten haben. Doch seine vierköpfige Familie sollte 5.000 Euro für eine Zweizimmerwohnung bezahlen.
    Geld, das die Familie nicht hat, sagt Harsho, der mit seinen Eltern und seiner Schwestern in einem Zimmer wohnt. Es sei außerdem nicht sicher, dass man die versprochene Wohnung bekomme, wenn man das Geld bezahle. Harsho hat auf der Flucht ein Jahr in der Türkei gelebt und spricht deswegen Türkisch. Vor zwei Jahren kam er nach Berlin und besucht zurzeit einen Sprachkurs. Harsho: "Sie zeigen einem die Wohnung nicht. Sie wollen erst eine Anzahlung haben. Ein Makler hat einem Freund von mir eine Wohnung versprochen und wollte dafür 6.000 Euro haben, 1.000 Euro davon vor der Besichtigung. Er hat die 1.000 Euro bezahlt. Dann konnte er den Makler am Telefon nicht mehr erreichen. Er hatte seine Nummer gewechselt. Mein Freund hat keine Anzeige erstattet; denn die Polizei hätte gesagt, warum hast du das Geld bezahlt. Das ist doch illegal. Das Geld war weg."
    Betrugsfälle der Polizei bekannt
    Die Berliner Polizei kennt solche Betrugsfälle. Das Landeskriminalamt ermittelt gegen einen mutmaßlichen Kriminellen, der sich Geflüchteten gegenüber als Makler ausgegeben hat. Der Leiter des Dezernats Betrug, Oliver Klau, sagte dazu gestern in der ZDF-Sendung Frontal 21: "Oft ist es so, dass tatsächlich auch eine Wohnung gezeigt wird, vorgeführt wird. Das sind entweder Wohnungen, die tatsächlich gar nicht zur Verfügung stehen, oder aber Wohnungen, die sich gerade im Bau befinden, und wo behauptet wird, nach Fertigstellung oder nach Sanierung können die Flüchtlinge dort einziehen."
    Mit diesem Fall beschäftigt sich inzwischen die Staatsanwaltschaft. Es läuft ein Ermittlungsverfahren gegen einen Beschuldigten, der von mehreren Geschädigten angezeigt wurde. Klau geht davon aus, dass es eine hohe Dunkelziffer geben könnte. Die Geflüchteten würden selten Anzeigen erstatten.
    Flüchtlinge haben Angst, zur Polizei zu gehen
    Die Geflüchteten sagen, sie hätten Angst zur Polizei zu gehen, weil sie schlechte Erfahrungen mit der Polizei und dem Militär in ihrem Land gemacht haben. So auch Harsho. Der 22-Jährige zeigt den Schriftverkehr mit einem angeblichen Makler auf seinem Smartphone: "Hier habe ich die Fotos. Ich habe einen Mann angeschrieben, der auf Facebook eine Zweizimmerwohnung in Neukölln angeboten hat. Er hat gesagt, er kann mir helfen, aber ich müsse 6.000 Euro zahlen. Für eine Zweizimmerwohnung! Als ich dann sagte, dass das zu viel Geld sei für nur zwei Zimmer, sagte er: Ciao."
    Harsho und die anderen Geflüchteten wollen lieber warten, bis sie auf legalem Weg Wohnungen finden, auch wenn sie dafür noch lange zu mehreren Personen in einem Heimzimmer wohnen müssen. Das Bezirksamt Neukölln hat eine Sonderkommission ermittelt und will den Betrügern das Handwerk legen.