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Wolfgang Langhoff
Ruhm und Ungnade im DDR-Theater

Er wurde Kommunist, kam ins Konzentrationslager und machte das Deutsche Theater in Ostberlin zur wichtigsten DDR-Bühne neben dem Brecht-Ensemble: der Schauspieler und Regisseur Wolfgang Langhoff. Als Theatermacher in der DDR bekam er zu spüren, was es bedeutet, wenn aus idealistischen Vorstellungen harte Realität wird.

Von Ruth Fühner | 25.08.2016
    Der Intendant des Deutschen Theaters in Berlin (DDR) und Nationalpreisträger Wolfgang Langhoff.
    Der Intendant des Deutschen Theaters in Berlin (DDR) und Nationalpreisträger Wolfgang Langhoff auf einer undatierten Aufnahme. (picture-alliance / dpa)
    Wolfgang Langhoffs zweitliebster Berufswunsch war: zur See fahren. Geboren 1901, erlebte er das Ende des Ersten Weltkriegs als Marinekadett – und den Frieden von Versailles als Katastrophe. Revanchelüstern schließt er sich einem Freikorps an und kämpft im Baltikum gegen die russischen Revolutionäre. Aus Abenteuerlust, entschuldigt er sich später in einem geheimen Bericht für die SED. Dann die Kehrtwende. In Königsberg bekommt Langhoff die Chance, seinen liebsten Berufswunsch zu verwirklichen: Schauspieler.
    "Ich hatte das Glück, gleich eine Hauptrolle, so einen 17-jährigen Jungen spielen zu dürfen, und als ich den gespielt hatte, bekam ich eben gleich einen dreijährigen Vertrag und wuchs so langsam in Königsberg in das des jugendlichen Liebhabers, später des jugendlichen Helden, hinein."
    Es folgen weitere Engagements. In Düsseldorf spielt Langhoff - blond, markantes Jünglingsgesicht - die ganz großen Rollen, er gibt sich als umschwärmter Dandy. Und wird immer unzufriedener.
    "Ich lebte ein Scheinleben auf der Bühne. Und sah aber, wie um mich herum, im wirklichen Leben, die Arbeiter erwerbslos wurden, die Arbeiter ausgesperrt wurden, wie der Kampf des Volkes immer härter und immer schwerer wurde, und ich fragte mich, ob es eigentlich überhaupt einen Sinn habe, auf der Bühne zu stehen, für Ideale da zu sein."
    13 Monate in Gefängnissen und Konzentrationslagern
    1928 schließt sich Langhoff der kommunistischen Partei an. Mit einer Agitprop-Truppe zieht er durch die Betriebe, privat lebt er in einer bohèmeartigen Wohngemeinschaft. Es ist Karneval in Düsseldorf, als Langhoff im Frühjahr 1933 verhaftet wird. 13 Monate verbringt er in nationalsozialistischen Gefängnissen und Konzentrationslagern, zuletzt in Börgermoor.
    "Graues, aufgebrochenes Ödland, soweit das Auge reicht. "Singen! Du sollst singen, rote Sau!" Wir singen alle durcheinander, was jedem einfällt. Und immer im gleichen Eilschritt. Links, links, links, einmal hört alles auf. Links, links, links, warte nur, das wird euch nicht vergessen."
    Das schreibt Wolfgang Langhoff in seinem Buch "Die Moorsoldaten", einem der ersten, die den Terror des NS-Regimes festhalten. Im Lager denkt er an Selbstmord. Bis er mit der geheimen kommunistischen Lagerleitung in Kontakt kommt. Die Genossen retten ihm das Leben - das wird ihnen Wolfgang Langhoff nie vergessen. Und sich der Parteidisziplin, unter welchen Opfern auch immer, unterordnen.
    Ostern 1934 kommt er frei und flieht in die Schweiz. Am Züricher Schauspielhaus entstehen seine ersten Inszenierungen. Zwölf Jahre dauert das Exil. Bald nach seiner Rückkehr bietet man ihm die Leitung des Deutschen Theaters an. Im sowjetischen Sektor von Berlin entwirft Langhoff seine ersten Spielpläne: eine Mischung aus Klassik und Antifaschismus, humanistischer Tradition und politischer Aufklärung.
    "Das Theater ist heute, in der Mitte des 20. Jahrhunderts, nur dann noch wirkungsvoll, wenn es als die Welt und die Gesellschaft veränderndes Theater begriffen wird."
    Vor dem Zentralkomitte der SED
    Wolfgang Langhoff fühlt sich zuhause in der DDR – doch bald muss er sich wegen seiner Westkontakte verteidigen und verliert seine Parteiämter. Immerhin, Intendant darf er bleiben. Das Auge der Partei ruht kritisch auf ihm, aus dem Westen wird er angefeindet – doch Langhoff macht das Deutsche Theater zu einer Vorzeigebühne der DDR.
    Ein Stück des jungen Peter Hacks wird ihm 1963 zum Verhängnis. Zwar spielt "Die Sorgen und die Macht", wie von oben gewünscht, in der sozialistischen Produktion, aber die DDR-Oberen fühlen sich und die Arbeiterklasse beleidigt. Vor dem Zentralkomitee der SED muss Wolfgang Langhoff Selbstkritik üben, entlassen wird er trotzdem. Zwei Jahre später spricht er noch einmal in "seinem" Haus – als man ihn, schon sterbenskrank, zum Ehrenmitglied des Deutschen Theaters ernennt:
    "Und da fällt mir ein Vers, die erste Strophe des wunderschönen Liedes von Bertolt Brecht ein: "Anmut sparet nicht noch Mühe, Leidenschaft nicht noch Verstand, dass ein gutes Deutschland blühe, wie ein gutes andres Land". Und besser als Bertolt Brecht kann ich es nicht sagen. Dass ein gutes Deutschland blühe, war auch mein Bemühen."
    Wenige Monate nach diesem Bekenntnis, am 25. August 1966, starb Wolfgang Langhoff in Ost-Berlin.