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Wortgewaltiger Prediger mit einer dunklen Seite

Der Kirchenvater Johannes Chrysostomus gilt als größter Prediger der griechischen Kirche. Doch er wurde auch zu einem der Weichensteller des christlichen Antijudaismus. Seine Predigten belasten bis heute das jüdisch-christliche Verhältnis.

Von Anna Gann | 14.09.2007
    Chrysostomus ("Goldmund") - den Beinamen erhielt der Kirchenvater Johannes zwar erst nach seinem Tode. Aber schon die Zeitgenossen kannten den Patriarchen von Konstantinopel, dem ehemaligen Byzanz, als wortgewaltigen Prediger, der gegenüber den Mächtigen kein Blatt vor den Mund nahm. Kaiserin Eudokia, zugleich auch Regentin der Kirche, betrieb im Jahr 404 schon zum zweiten Mal seine Absetzung. Unerschrocken erinnerte Bischof Johannes deshalb an Johannes den Täufer, den der Statthalter Herodes auf Verlangen seiner Frau Herodias enthaupten ließ:

    "Wiederum tobt und wütet eine Herodias; erneut will sie das Haupt des Johannes auf einer Schüssel in Empfang nehmen."

    Chrysostomus hat die Verquickung der staatlichen mit der kirchlichen Macht und den Reichtum bei Hofe scharf attackiert. Um 350 in Antiochien geboren, hatte er selbst zunächst streng asketisch als Einsiedler gelebt. Als Priester prangerte er dann in seinen Predigten gesellschaftliche Ungerechtigkeit an. Mitunter stützte er aber auch das Herrscherhaus, so 386, als sich wegen der wachsenden Steuerlast in Antiochien ein Aufstand gegen den Kaiser erhob, der blutig niedergeschlagen wurde.

    "Wenn schon im alten Israel die Jünglinge im feurigen Ofen sich nicht entsetzten vor des Tyrannen Zorn, wieviel mehr müssen wir, die wir einen menschenfreundlichen und sanftmütigen König haben, voll guten Mutes sein!"

    Wohl auch wegen seines Ruhmes und seines Einflusses auf das Volk ließ Kaiser Arkadios nach dem Tod des Bischofs von Konstantinopel Chrysostomus zum Nachfolger weihen. Als Patriarch der reichsten Stadt des ost-römischen Reiches war er nun - nach dem Papst - zweithöchster Kirchenfürst der Christenheit. An seiner Sozialkritik hielt er jedoch fest. Er setzte prunksüchtige Oberhirten ab und baute Krankenhäuser für Arme. Auch zog er gegen den Sittenverfall bei Hofe zu Felde. Eine Synode verbannte Chrysostomus schließlich auf Betreiben kirchlicher und weltlicher Herrscher. Als er nicht von seiner Predigttätigkeit abließ, folgte eine zweite Verbannung an die äußerste Grenze des Römischen Reiches. Auf dem Weg dorthin erlag Chrysostomus am 14. September 407 den Strapazen der Reise.

    Besonders in der Orthodoxie wird Chrysostomus auch heute noch hoch verehrt. Zum Beispiel ist die nach ihm benannte "Göttliche Liturgie unseres heiligen Vaters Chrysostomos" weiterhin die am meisten gebräuchliche Liturgieform in den byzantinischen Ostkirchen.

    Der Kirchenvater Chrysostomus gilt als größter Prediger der griechischen Kirche. Doch Chrysostomus wurde auch zu einem der Weichensteller des christlichen Antijudaismus. In seinen vielgelesenen "Acht Reden gegen die Juden", die er noch als Priester in Antiochien verfasste, schrieb er:

    "Die Juden sind nicht besser als Schweine und Böcke."

    Viele Christen Antiochiens wurden von jüdischen Gebräuchen angezogen, sie besuchten an Festtagen die Synagoge. Deshalb wollte Chrysostomus sie zur klaren Abgrenzung drängen. Doch der aggressive Tonfall seiner Reden ging über diesen Anlass weit hinaus. Auf dem Höhepunkt seiner Polemik spitzte er den alten christlichen Vorwurf zu, die Juden seien Gottesmörder. Die jahrhundertelange Gewalt und Verfolgung gegen sie sei deswegen eine Strafe Gottes.

    "Man muss die Juden fliehen, wie eine die ganze Welt bedrohende Pest; man muss die Märtyrer nachahmen, die die Juden hassten, weil sie Christus liebten. Denn man kann das Opfer nicht lieben, ohne die Mörder zu hassen."

    Gerade wegen seines Rufs als brillanter Prediger hatten die Gedanken des Chrysostomus eine verhängnisvolle Wirkung in der Christenheit. Manche Sätze aus seinen "Reden gegen die Juden" klingen heute wie erschreckende Vorboten der Ermordung des europäischen Judentums:

    "Wie ein gemästetes und arbeitsunfähiges Tier taugen ... [die Juden] nur noch für den Schlächter."

    Viele seiner Biografen klammern diese beschämenden Injurien des "Goldmundes" immer noch aus. Sogar das angesehene katholische "Lexikon für Theologie und Kirche" bemerkt nur vage: Die Predigten des Chrysostomus seien für das jüdisch-christliche Verhältnis bis heute "eine schwere Hypothek". Es ist an der Zeit, dass die christliche Nachwelt auch die dunkle Seite des Heiligen Johannes Chrysostomus ohne Abstriche bekennt.