Strauß verfassungsrechtlicher Probleme

30.05.2009
Die Diskussion um den von der Koalition vorgelegten Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Kinderpornografie im Internet - auch wir sprachen darüber in der vergangenen Breitband-Ausgabe - geht weiter.
Die Diskussion um den von der Koalition vorgelegten Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Kinderpornografie im Internet - auch wir sprachen darüber in der vergangenen Breitband-Ausgabe - geht weiter. Wie heute auf einer öffentlichen Anhörung des Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Technologie deutlich wurde, ist der Entwurf unter Experten nach wie vor strittig. Die Pläne der Bundesregierung sehen vor, Internetanbieter zur Sperrung von Seiten mit kinderpornografischen Inhalten zu verpflichten. Derartige Seiten soll künftig das Bundeskriminalamt (BKA) in einer Sperrliste aufführen. Internetnutzer, die diese Seiten aufrufen, sollen zu einer Stoppmeldung umgeleitet werden. Der Anbieter wiederum soll dem BKA eine Aufstellung über die Zugriffsversuche übermitteln.

Hauptstreitpunkt unter den Sachverständigen ist die Frage, ob die Grundrechte der Bürger beschnitten werden. Im Zuge der Blockierung von Internetseiten könnten personenbezogene Daten gespeichert werden, befürchtet Ulrich Sieber vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht. "Wenn im Gesetzentwurf nicht klar wird, was mit den gesammelten Daten geschehen soll, dann ist das verfassungswidrig."

Bundesrichter Peter-Jürgen Graf hält ein Gesetz zur Sperrung solcher Seiten für verfassungsrechtlich tragbar. Die Inhalte müssten zudem von den Anbietern entfernt werden, weil sie sich sonst wegen Beihilfe zu einer Straftat selbst strafbar machten. Der Mannheimer Verfassungsrechtler Matthias Bäcker spricht dem Bund dagegen die Gesetzgebungskompetenz für das geplante Gesetz ab, ebenso wie die Kompetenz, das BKA mit der Führung der "Sperrliste" zu betrauen.

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, wandte sich gegen die Erhebung, Speicherung oder Verarbeitung personenbezogener Daten. Schließlich gelangten viele Personen unabsichtlich auf kinderpornografische Seiten, etwa durch Spam oder Phishing. Oliver Süme vom Verband der Deutschen Internetwirtschaft (ECO) sagte, es bestehe die Gefahr, dass "unbescholtene Nutzer einem Ermittlungsverfahren ausgesetzt werden". Die Internet-Branchenverbände wenden sich gegen eine Sperrung europäischer Internetseiten. Das schade der Internetwirtschaft, zumal die pornografischen Inhalte für versierte Nutzer trotzdem abrufbar seien. Auch nach der heutigen Anhörung hält ECO den Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen wegen gravierender Mängel für nicht beschlussreif.
Der Direktor des BKA, Jürgen Maurer, sprach sich für den Gesetzentwurf aus. Das BKA sei die richtige Adresse für die Kontrollaufgabe. "Wir können einschätzen, was Kinderpornografie ist, und was nicht." Alle Experten betonten, dass den Hintermännern der Kinderpornografie das Handwerk gelegt und der Druck auf die Täter erhöht werden müsse. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sei noch kein Weg dorthin, meinte Medienrechtler Dieter Frey. Es fehle eine Gesamtstrategie.
Der Bund Deutscher Kriminalbeamter und die Deutsche Kinderhilfe forderten heute eine zügige Verabschiedung des Gesetzes. Zudem verlangten beide Verbände die Einrichtung mehr hoch qualifizierter Sonderermittlungsstellen durch die Länder, eine spezielle Ausbildung und Ausstattung der beteiligten Kriminalisten und ein höheres Strafmaß für das Herunterladen von Kinderpornografie.
Weitere Informationen: heise.de