Donnerstag, 25. April 2024

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Würth-Forum in Künzelsau
Kultur als Lockmittel

Das Kongress- und Kulturzentrum, das der Schraubenfabrikant Reinhold Würth jetzt seiner Gattin zum 80. Geburtstag schenkte, ist einerseits Versammlungshalle für Würths Belegschaft, soll aber auch andererseits hochkarätige Konzerte aufs platte Land bringen – für alle. Schon die Architektur beeindruckt.

Von Christian Gampert | 19.07.2017
    Blick auf das Carmen Würth Forum in Künzelsau (Baden-Württemberg). Der Unternehmer Reinhold Würth widmet seiner Frau Carmen zum 80. Geburtstag ein Forum, das ihren Namen trägt.
    Carmen Würth Forum in Künzelsau (Baden-Württemberg). (Christoph Schmidt/dpa)
    Wo Chipperfield draufsteht, ist auch Chipperfield drin. Das Kulturzentrum des englischen Star-Architekten ähnelt vielen anderen Chipperfield-Entwürfen und schmiegt sich äußerst harmonisch in die liebliche hohenlohische Landschaft: ein flaches, rechteckiges Haus mit einer Glasfront, weiträumig und trotzdem bescheiden - antikisch inspirierter Funktionalismus.
    "Wir haben einfach eine Art Akropolis gebaut. Das Gebäude ist sehr flexibel – ein Kulturzentrum auf einem Firmengelände. Es sollte nicht zu künstlich aussehen und eine natürliche Ausdehnung haben – wie das Unternehmen, für das es gebaut ist."
    Der Forum-Charakter des Chipperfield-Baus wird schon am Vorplatz deutlich: Eine von zwei Mauern und der Gebäude-Fassade begrenzte weiträumige Piazza, die Begegnungen ermöglicht; ihr gegenüber ist bereits die große Open-Air-Bühne aufgebaut, auf der am Wochenende die Würth-Philharmoniker unter Kent Nagano, aber auch Cro und Sting auftreten werden. Ja, der Unternehmer Würth leistet sich ein eigenes Orchester.
    Reinhold Würth ist der typische schwäbische Unternehmer
    Innen dann ein großes Foyer und zwei Säle: Ein kleinerer, holzgetäfelter Kammermusiksaal, der ein bisschen aussieht wie eine finnische Sauna. Und ein großes Forum mit blendender Akustik, das als Klassik-Konzertsaal für große Orchester, aber auch für Kongresse und firmeneigene Veranstaltungen genutzt werden soll. Reinhold Würth ist der typische schwäbische Unternehmer, ein freundlicher Patriarch, der auch mit 82 Jahren noch in die Firma geht.
    "Also zunächst mal ist diese Halle eine Mehrzweckhalle. Was das bringt für diese Region ist eine Verbesserung der kulturellen Grundsituation, möchte ich sagen."
    Reinhold Würth möchte, dass seine Leute miteinander sprechen, und nicht nur über Schrauben, sondern auch über Kunst und Musik. Nur, wer sich bilde, wer sich wohlfühle, der sei auch motiviert für die Arbeit, so das Motto.
    Alle sollen von Würths Kulturengagement profitieren
    Das kann man natürlich kapitalismuskritisch und als klugen Schachzug sehen. Und Würths Investition in Kultur ist nebenbei natürlich auch ein Steuersparmodell. Aber nicht nur die Mitarbeiter des weltweit agierenden Konzerns profitieren von Würths Kulturengagement, sondern auch die Einwohner von Künzelsau und Schwäbisch Hall und des ganzen Hohenlohe-Kreises.
    Deshalb war eigens Ministerpräsident Winfried Kretschmann angereist, um Danke zu sagen. Das Land Baden-Württemberg könnte ein solches Großprojekt auf dem platten Land im Moment nicht stemmen, das Ganze kostet 60 Millionen Euro.
    "Weltmarktführer trifft man bei uns überall. Auch im Hohenlohischen. Nun ist es wichtig, dass dort nicht nur innovative Unternehmen hocken, sondern auch ein entsprechendes Kulturangebot. Und das ist hier der Fall."
    Dass Reinhold Würth mit seinen Kunstmuseen in Schwäbisch Hall und jetzt auch mit der Kultur- und Konzerthalle Menschen in einem Gebiet beglückt, wo sich sonst Fuchs und Hase treffen, hat auch strategische Gründe: Die Mitarbeiter von Wirtschaftsunternehmen wählen ihren Arbeitsplatz, sofern sie eine Wahl haben, nach dem sogenannten Freizeitwert des Standorts. Kultur ist ein Lockmittel.
    Eröffnungszeremonie war Mischung aus Staatsakt und Firmenfeier
    Andererseits übernimmt die Würth-Gruppe öffentliche Aufgaben, die eigentlich Sache der Stadt, des Landkreises, des Landes wären. Die Würth-Kultur verdeckt auch einen Mangel an öffentlicher Kulturpolitik, an Geld, an Konzepten für die Provinz.
    Nie würde ein Ministerialbeamter auf die Idee kommen, ein riesiges Kulturzentrum ins Hohenlohische zu bauen. Würth schon – weil es gleich gegenüber seiner Firmenzentrale liegt und zuvörderst natürlich eine Convention Hall für seine eigene Belegschaft ist.
    Und so war die Eröffnungszeremonie eine Mischung aus Staatsakt und Firmenfeier. Selten sah man so viele betuchte Menschen auf einem Haufen. Hoffen wir, dass das nicht so bleibt, dass auch das gemeine Volk sich vor und in die heiligen Hallen traut. Das Open-Air-Konzert von Sting am Sonntag ist da sicher ein Anfang.