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Würzburger Uni-Projekt Integraid
Flüchtlinge mit Firmen verkuppeln

Flüchtlinge schneller integrieren und Angestellte in Zeiten des Facharbeitermangels vermitteln war das Ziel von Würzburger Studierenden und deren Professoren. Sie entwickelten das Konzept der "Job-Coaches", die zwischen Unternehmen, Behörden und Geflüchteten vermitteln - mit großem Erfolg.

Von Eleonora Pauli | 26.08.2016
    Baustein mit der Aufschrift "Fachkraft"
    Deutschland hat nach wie vor unter Fachkräftemangel zu leiden. (dpa / Stephanie Pilick)
    "Ich glaube, der hat erst zwei Wochen Praktikum gemacht und hat sich dann ziemlich schnell ziemlich gut angestellt."
    Es ist vorlesungsfreie Zeit in Würzburg. An der Promenade am Main haben sich die BWL-Studierenden Bianca Heim, Joscha Riemann und Thomas Glaser getroffen. Auf einer Steinmauer am Wasser essen sie Pizza, trinken Radler und arbeiten an ihrem Uni-Projekt Integraid - ein Wortspiel aus "integrieren" und dem englischen Wort "aid" für "helfen". Das tun sie eigentlich jeden Tag. Denn die Idee, Ehrenamtliche Helferinnen und Helfer zu sogenannten "Job-Coaches" auszubilden, ist längst über die Arbeit im BWL-Seminar hinausgewachsen. Mittlerweile haben die drei Studierenden ein Büro und ein Gründungsstipendium. Und in der Pilotstadt Alzenau bei Aschaffenburg haben sie ihr Projekt mit drei Job Coaches umgesetzt.
    "Unsere Job-Coaches sind wirklich sehr engagiert! Und was wir ganz stolz sagen können, ist, dass sie jetzt innerhalb von zwei Monaten schon sieben Leute vermittelt haben: Einer ist jetzt in der Schlosserei, ein anderer ist auch über ein Praktikum in einem Altenheim in eine Festanstellung gekommen, dann haben wir zwei afghanische Mädchen, die ein Praktikum in der Stadt machen und ja die sind in verschiedenen Brachen."
    Hilfe bei Bewerbungen und arbeitsrechtlichen Fragen
    So wie Alexander Duminov aus der Ukraine. Gemeinsam mit einem Kollegen verschweißt der 39-jährige die Nähte an einem Stahlträger, dann wischt er sich die kräftigen Hände an einem Lappen ab. Seit sechs Monaten ist Alexander Duminov in Deutschland, hat Asyl beantragt, seit vier Wochen arbeitet er nun in der Schlosserei Stenger nahe Alzenau - noch ist manches neu.
    "Ich will lernen, was ich nicht gemacht in meine Stadt. Das ist für mich neue Schweißmaschinen. Aber ich lerne auch, dass Menschen gut erklären, gut helfen."
    Den Kontakt zwischen der Schlosserei Stenger und Alexander Duminov hat Hans Strack hergestellt. Hans Strack, ein eleganter Herr in weißem Hemd und dunkler Anzughose, 68, Doktor der Chemie im Ruhestand, ist einer der Job-Coaches, die von den Würzburger Studierenden ausgebildet wurden. Er kann helfen bei arbeitsrechtlichen Fragen, er unterstützt Geflüchtete bei der Bewerbung, vor allem aber baut er Vertrauen auf - seine weißen Haare seien dabei sein Kapital, sagt Hans Strack.
    "Daher, dass ich die Arbeitnehmer- und die Arbeitgeberseite kenne, habe ich manchmal einen anderen Blick und trage dazu bei, dass die verschiedenen Parteien sich gegenseitig wahrnehmen und die Leistung der jeweils anderen auch positiv aufnehmen können."
    Austausch mit der Agentur für Arbeit
    So steht er beispielsweise in regem Kontakt mit der Agentur für Arbeit, wenn es um die Unterlagen für Alexander Duminov und die Anstellung in der Schlosserei Stenger geht. Dafür ist Florian Stenger, der im Familienbetrieb die Arbeitsabläufe koordiniert, sehr dankbar. Und auch dafür, dass er einen fähigen neuen Mitarbeiter hat.
    "Das kam erst durch den Coach Hans, weil wir hatten keine Berührung damit. Man hörte zwar die ganze Geschichte mit den Flüchtlingen, aber hier bei uns auf dem Land kam’s nicht zur Sprache. Also wer zur Zeit Fachkräfte sucht für seinen Betrieb, denke ich, ist da einfach für uns eine Möglichkeit."
    Eine Möglichkeit, die Joscha Riemann, Thomas Glaser und Bianca Heim ausbauen wollen. Ab September werden die studentischen Unternehmensgründer IntegrAi.de als social Business führen, ihr Ziel ist es, in den nächsten zwei Jahren 1.000 Job-Coaches in ganz Deutschland ausbilden - auf diese Weise sollen 20.000 Geflüchtete eine Arbeitsstelle finden. Ganz allein mit ihrem großen Vorhaben sind die drei aber nicht, betont Thomas Glaser.
    "Das Seminar wird weiterlaufen mit neuen Studenten, die sicher viele Ideen haben und hoffen, dass wir immer neue Wege finden, die Situation noch weiter zu verbessern.