Donnerstag, 25. April 2024

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Wulffs Wunschkonzert

Blasierte Musikexperten und sonstige Miesepeter mögen knurren, wie sie wollen - die Wahrheit ist: Die Wunschtitel von Christian Wulff eignen sich bestens als bekenntnishafter Ausdruck seiner Persönlichkeit, seiner Ideale und seiner Karriere.

Eine Glosse von Arno Orzessek | 07.03.2012
    Allein das Stück "Wo Menschen sich vergessen" von Christoph Lehmann, Text Thomas Laubach!

    Mit diesem Lied blickt Wulff erkennbar zärtlich zurück auf seine Anfänge: Damals, als er wagemutig aus der Friedensstadt Osnabrück ins Haifischbecken Hannover wechselte - und dort bekanntlich allen Segen empfing: Tolles Amt, tolle Freunde, tolle Frau.

    In der Stadt an der Leine mag Wulff oft so gesungen haben: Wo Menschen sich vergessen, die Wege verlassen, und neu beginnen, ganz neu, da berühren sich Himmel und Erde.

    Und wie litt Wulff dann vergangene Weihnachten, als er im Amt des Bundespräsidenten zwischen Himmel und Erde "Stahlgewitter" ausmachen musste, die genau auf ihn im Schloss Bellevue zielten.

    Der gläubige Katholik, dem der fromme Schein heilig ist, hasst ja Stahlgewitter, er liebt bonbonfarbene Visionen. Und deshalb zählt auch "Over the rainbow" von Harold Arlen, Text: Edgar Harburg, zu seinem musikalischen Testament, ein Song aus den Dreißigern, dessen durchsichtiger Seifenblasencharakter Reinhard Meys "Über den Wolken" als aggressiv-realistisches Agitationslied erscheinen lässt.

    Zeile um Zeile offenbart "Over the rainbow", ursprünglich komponiert zur Verfilmung von "Der Zauberer von Oz", das tiefe Trostbedürfnis des Bundespräsidenten in Krisenzeiten.

    Es heißt dort nicht nur: Manchmal wünsche ich mich auf einen Stern, [...]. Wo Probleme wie Zitronenbonbons schmecken, sondern auch: Ich sehe Freunde Hände schüttelnd, Guten Tag sagend. Sie sagen eigentlich: Ich... Ich liebe dich.

    Ach, Christian! möchte man Wulff über seine Peter-Hinze-Gedächtnisfrisur streicheln... Deine wahren Freunde, das waren zum Teil die falschen. Und deine implizite Botschaft, dass nicht nur der Islam, sondern auch Carsten Maschmeyer zu Deutschland gehört, hat die Integrationsbereitschaft von so manchem überfordert.

    Da mag es passen, dass Wulff die Sonderzugabe "Ebony and ivory" von Paul McCartney und Stevie Wonder nicht durchsetzen konnte. Andernfalls wäre aufgefallen, dass die Friede-Freude-Eierkuchen-Hymne in diesem Rahmen nur auf die friedliche Koexistenz zwischen der dunklen Gestalt Maschmeyer und Weiße-Weste-Wulff anspielen kann.

    Tatsächlich wird Wulff nun mit dem echt schmissigen Alexandermarsch seinen Abgang ins Klinkerhäuschen von Großburgwedel einleiten, wo Ähnliches Rrummtä-rrummtä-rrummtätä zur Schützenfestfolklore gehören mag. Wulff bekennt sich deutlich zu seiner zweiten Heimat: Der Alexandermarsch ist der Divisionsmarsch der in der Landeshauptstadt stationierten 1. Panzerdivision.

    Und die "Ode an die Freude" des Duos Schiller-van Beethoven wird auch nicht fehlen. Das Stabsmusikkorps spielt für Wulff sogar das Maximum, volle vier Titel. Aber Sonderwünsche, Vergünstigungen und Gratiseinladungen sind ja wohl Wulffs Markenzeichen. Irgendwie klar, dass das geklappt hat.

    Gespielt wird die Ode, gesungen wird sie zu Wulfs Glück nicht. Denn an wen würde er neidisch denken müssen bei den zukunftsgerichteten Zeilen "Duldet mutig, Millionen! Duldet für die bessere Welt!" - an wen wohl?... wenn nicht an Joachim Gauck.