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Wurzeln des Krieges

Evolution. - Kaum ein Nachrichtenblock im Radio, kaum ein Kapitel im Geschichtsbuch ohne das Thema Krieg. Wann wird der Mensch zum Krieger? Diese Frage beschäftigt Wissenschaftler schon lange: Archäologen graben nach den Wurzeln des Krieges, Ethnologen suchen nach Antworten in fernen Weltregionen. Und Verhaltensforscher dokumentieren Konflikte bei unseren nächsten Verwandten.

Von Volkart Wildermuth | 23.12.2010
    Streit unter Schimpansen. Mit ihren scharfen Eckzähnen, den kräftigen Muskeln sind sie gefährliche Tiere. Sie jagen Stummelaffen und bekämpfen Mitglieder anderer Schimpansengruppen. Aber Krieg? Der Begriff schien nicht auf das Verhalten von Tieren zu passen. Anfang der Siebziger aber dokumentierte Jane Goodall die tödliche Auseinandersetzungen zwischen zwei Schimpansengruppen. Inzwischen ist klar, dass es sich dabei nicht um eine Ausnahme gehandelt hat, meint der Verhaltensforscher Richard Wrangham von der Harvard-Universität.

    "Wie sich Schimpansengruppen zueinander verhalten, das erinnert durchaus an Krieg. Es gibt Koalitionen von Männchen, die bei günstigen Gelegenheiten angreifen und Mitglieder anderer Gruppen töten."

    Eigentlich halten unterschiedliche Schimpansengruppen einen respektvollen Abstand vom jeweils fremden Territorium. Gelegentlich wagen sich aber Gruppen von Männchen über die Grenze. Sie verhalten sich vorsichtig, bis sie ein einzelnes Tier treffen. Das ist nicht ungewöhnlich, schließlich teilen sich die Schimpansentrupps auf der Suche nach den weit im Urwald verstreuten Früchten auf. Sobald die Eindringlinge so ein isoliertes Opfer gefunden haben, greifen sie gemeinsam an. Die Kooperation steht dabei auf tönernen Füßen, schließlich sind die Beziehungen zwischen Schimpansenmännchen normalerweise von Konkurrenz geprägt. Wrangham:

    "Als erstes wollen die Männchen deshalb sicher sein, dass die anderen auch mitmachen. Sie sehen sich an, berühren sich ganz intim. Es sieht so aus, als ob der Konflikt die Bereitschaft zur Zusammenarbeit bei den Männchen fördern würde."

    Es klingt paradox: ein Konflikt erfordert Kooperation. Aber nur gemeinsam können die Schimpansen sich ihres Sieges sicher sein.

    "Die Formel ist ganz einfach: wenn Du ohne Risiko töten kannst, dann lohnt sich das."

    Dass es sich tatsächlich lohnt, konnten kürzlich Forscher im Kibale Nationalpark in Uganda dokumentieren. Eine besonders große Gruppe von rund 150 Schimpansen tötete über die Jahre 21 Mitglieder von Nachbargruppen und konnte so das eigene Territorium um fast ein Viertel vergrößern. Das erinnert durchaus an Auseinandersetzungen zwischen menschlichen Gemeinschaften, etwa zwischen kriegerischen Stämmen in der Südsee. Wrangham:

    "Ich glaube, die Dinge die wir bei Schimpansen beobachten, könnten ähnlich auch in der menschlichen Frühgeschichte vorgefallen sein, vielleicht sogar sehr häufig. So könnte die Evolution in der menschlichen Psychologie ein Fundament für komplizierte Formen des Krieges gelegt haben."

    Der Mensch hat aber zwei nächste Verwandte, die Schimpansen und die Bonobos. Letztere sind ausgesprochen friedlich.

    "Die Bonobos sind ein wunderbares Problem. Hier haben wir diese beiden Arten, gleich nah zum Menschen. Auf der einen Seite haben wir die Schimpansen, die zu den gewalttätigsten Tieren gehören. Und auf der anderen Seite die extrem friedlichen Bonobos. Wir wissen, dass sich die Nahrung der beiden Arten unterscheidet. Bonobos fressen auch Blätter und nicht nur seltene Früchte. Sie bleiben in großen Gruppen zusammen, deshalb gibt es nicht dieses Zahlenungleichgewicht, wenn Nachbarn aufeinandertreffen. Deshalb sind Bonobos so friedlich."

    Krieg und Frieden - es kommt auf die Umstände an. Das gilt für die beiden Menschenaffenarten und wohl auch für ihre nächsten Verwandten: für die Menschen.

    Hinweis: Mehr zum Thema erfahren Sie morgen in der Sendung Krieg mit Keule in "Wissenschaft im Brennpunkt", 16:30 Uhr, im Deutschlandfunk.