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WWF-Studie
"Ein Weniger an Fisch wäre eine richtige Katastrophe"

In den Ländern rund um den tropischen Gürtel stelle Fisch ein Grundnahrungsmittel dar, sagte Karoline Schacht, Fischexpertin der Natur- und Umweltschutzorganisationen WWF, im DLF. Fisch sei ein wichtiger Proteinlieferant - ihm müsse deshalb im Kampf gegen Hunger mehr Bedeutung beigemessen werden.

Karoline Schacht im Gespräch mit Georg Ehring | 11.01.2017
    Ein Teil des Fangs wird direkt vom Strand weg verkauft an lokale Kunden in Dakar, Senegal am 19.2.2011.
    Ein Teil des Fangs wird direkt vom Strand weg verkauft an lokale Kunden in Dakar, Senegal am 19.2.2011. Im Senegal stellt Fisch mit 40 Prozent den entscheidenen Proteinversorger dar. (imago / Haytham Pictures)
    Georg Ehring: Für rund 800 Millionen Menschen ist Fisch die wichtigste Quelle von Proteinen in der Ernährung. Unter anderem in Japan, aber auch in vielen armen Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas ist das so. Doch für viele Menschen ist es schwer, an Fisch zu kommen. Industrielle Fischerei für Europa und Nordamerika macht ihnen den Fang streitig. Wie es um die Zukunft der Fischerei bestellt ist, damit hat sich der WWF befasst, der World Aide Fund Bor Nature. Er hat heute eine Studie veröffentlicht mit dem Ergebnis: Fisch essen wird zu einer Frage der Gerechtigkeit. Telefonisch verbunden bin ich mit Karoline Schacht, Fischexpertin beim WWF. Guten Tag, Frau Schacht!
    Karoline Schacht: Hallo nach Köln.
    Fisch als Grundnahrungsmittel in manchen Ländern benötigen
    Ehring: Frau Schacht, wie steht es denn um die künftigen Bestände?
    Schacht: Tatsächlich geht es uns ja in dieser Studie weniger um die reine Ökologie, sondern vielmehr um die Effekte, die wir mit der Fischerei haben, auf die Ernährungssicherheit der Zukunft, und das ist das Neue an dieser Studie, die wir gemacht haben. Wir wollten im Grunde wissen, wie viel Fisch können wir denn im Jahr 2050 unter nachhaltigen Bedingungen aus dem Meer gewinnen. Wie verändert sich aber auch die globale Fischnachfrage bis 2050 aufgrund des Bevölkerungswachstums. Und als Synthese klafft denn dann möglicherweise eine Lücke zwischen der Protein-Nachfrage und der maximalen Fangmenge und da muss man sagen, nicht wenn man einfach nur mathematisch hergeht, aber sehr wohl, wenn man bedenkt, dass es hoch abhängige Länder gibt, Menschen, die den Fisch als Grundnahrungsmittel benötigen, und auf der anderen Seite uns, die wir uns alles leisten können und die wir auch mit Nachdruck darauf hinarbeiten, dass wir auch an der Fischtheke nach wie vor aus dem Vollen schöpfen.
    Ehring: Welche Länder sind das denn, die nicht aus dem Vollen schöpfen können und die aber besonders abhängig davon sind?
    Schacht: In Zukunft - das hat unsere Hochrechnung oder unsere Prognose ergeben - werden von diesen Lücken in ihrer Versorgung vor allem die Länder rund um den tropischen Gürtel betroffen sein. Das sind Länder von Westafrika bis Südostasien, da auch vor allem die kleinen Inselstaaten, denen viele wertvolle Fischbestände in ihren Küstengewässern geschenkt sind, auf denen aber großes Interesse lagert vonseiten der Nutzer aus Europa und anderen Industriestaaten.
    Proteinversorgung durch Fisch
    Ehring: Das heißt, diese Entwicklungsländer, deren Fischer werden künftig wesentlich weniger Fisch fangen können?
    Schacht: Es geht tatsächlich darum, ob die Küstenbewohner, ob die Küstengemeinden ihre Fischversorgung, tatsächlich ihre Ernährung durch Fischversorgung, natürlich auch ihr wirtschaftliches Standbein, das Fischen und auch das Verarbeiten, aber inwieweit sie ihre Versorgung sicherstellen können. Wir müssen bedenken: Wir in Europa - und da kann man mal Deutschland als Beispiel rausnehmen -, wir essen im Jahr etwa 14 Kilo Fisch und der Fisch macht bei uns gerade mal sieben Prozent Anteil in der Gesamt-Proteinversorgung aus, wo hingegen im Senegal zum Beispiel 24 Kilo pro Jahr gegessen werden und damit 40 Prozent des Proteinbedarfs gedeckt werden. Gerade für solche Länder wäre ein Weniger an Fisch eine richtige Katastrophe.
    Ehring: Für Europa gibt es ja Fangquoten für die Meere rund um Europa. Wie sieht das denn weltweit aus? Wären da Fangquoten möglicherweise eine Lösung, wenn Europa dann weniger abbekommen würde und diese Länder dafür mehr?
    Armut und Hunger abschaffen, geht nicht ohne Fisch
    Schacht: Fangquoten sind eine Methode oder eine Maßnahme, die wir in Europa ja schon seit Jahren erprobt haben. Die sind gut und wichtig, sind aber natürlich nur ein Baustein auf dem Weg zu einem wirklich umfassenden Management. Wir haben auch hochgerechnet, dass man die weltweiten Fangerträge sehr wohl steigern könnte, wenn denn eine wirklich grundlegende Verbesserung im Fischereimanagement geschieht. Das bedeutet, auch das komplette Feld der Meeresgesundheit besser in den Blick zu nehmen und die Durchsetzungskraft des Managements zu erhöhen. Das heißt, jedes Management ist nur so gut wie seine Kontrollierbarkeit, und da würden wir uns wünschen, dass da mehr Nachdruck hinter kommt. Das liegt ja zum Beispiel auch daran, dass die Weltgemeinschaft sich gerade neue Ziele gesetzt hat, bis 2030 beispielsweise Armut und Hunger abzuschaffen, und wir gehen einfach mal davon aus, dass das nur gelingt, wenn man auch dem Fisch hier mehr Priorität beimisst und sich mehr kümmert.
    Ehring: Noch ganz kurz zum Schluss gefragt: Fisch muss man vielleicht mit schlechtem Gewissen essen. Welcher Umgang ist denn okay? Wie oft darf Fisch auf den Teller?
    Schacht: Tatsächlich ist es ja so: Bei uns in Europa sind wir proteinmäßig nicht abhängig vom Fisch und es ist generell eine unliebsame Situation zu sagen, weniger Fisch wäre gut. Aber es gibt ausreichend nachhaltigen Fisch, nachhaltig produzierten Fisch. Da würden wir zu raten. Und ein bisschen weniger wäre hier mehr, vor allem für andere Menschen auf der Erde.
    Ehring: Karoline Schacht war das vom WWF zum Thema Fisch und Welternährung. Herzlichen Dank.
    Schacht: Danke auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.