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Xenobiologie
Fotosynthese im Reagenzglas

Ohne Pflanzen gäbe es kein Leben auf der Erde. Sie halten mithilfe von Licht und CO2 die Stoffkreisläufe der Biosphäre in Bewegung und machen aus der Erde einen lebenswerten Planeten. Xenobiologen versuchen, diese Leistung der Natur zu verändern - und vielleicht sogar zu verbessern.

Von Michael Lange | 27.05.2016
    Licht und Schatten zeichnen sich am Freitag an satt grünen Blätter ab. Versehen mit Denkfabrik-Stempel.
    Die Aufgabe von Blättern ist die Fotosynthese, mit der der Austausch von Sauerstoff und Kohlendioxid mit der Umgebungsluft einhergeht. (dpa/picture alliance/Arno Burgi)
    Die Fotosynthese arbeitet in zwei Etappen: Die Lichtreaktion, bei der Pflanzen die Energie des Sonnenlichtes einfangen, und die Dunkelreaktion. Dabei wird die Energie genutzt, um aus dem CO2 der Luft Zucker herzustellen. Die Hauptlast dieser CO2 -Fixierung bewältigt ein Enzym namens RuBisCO - mit vollem Namen: Ribulose-1,5-Bisphosphat-Carboxylase.
    Ein extrem wichtiges Enzym - weiß Tobias Erb vom Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg.
    "Das unterschätzteste Enzym auf dem Planeten. Es ist das häufigste Enzym, das auf der Erde vorkommt. Für jeden Menschen sind es etwa fünf Kilogramm Rubisco, die auf dem Planeten existieren."
    Verschiedene Enzyme kooperieren
    Viel Futter braucht RuBisCO nicht. Das CO2 im Wohnzimmer reicht, um daraus eine Handvoll Zucker zu produzieren. Aber die RuBisCO ist nicht die schnellste. Sie muss mehrere Aufgaben parallel erledigen, und nimmt es nicht immer ganz genau. Bei jeder fünften Reaktion bindet sie Sauerstoff statt CO2. Das müsste besser und schneller gehen, dachte sich der Enzymspezialist Tobias Erb - und es geht schneller. Das Purpurbakterium Rhodobacter sphaeroides erledigt die gleiche Aufgabe mit einem anderen Enzym.
    "Das heißt Crotonyl-CoA Carboxylase/Reductase. Sehr komplizierter Name, aber eine sehr elegante Reaktion."
    Während das Pflanzenenzym RuBisCO ein Pick-up ist, gleichzeitig Lastwagen und Pkw, ist das Enzym des Purpurbakteriums ein rasanter Sportwagen. Sage und schreibe 100 Mal effizienter als die RuBisCO. Allerdings sind Enzyme im Stoffwechsel keine Einzelgänger. Die RuBisCO arbeitet im Calvin-Zyklus mit einem Team aus verschiedenen Enzymen zusammen. Das Pick-up-Team passt jedoch nicht zum neuen Sportwagen-Enzym. Deshalb hat Tobias Erb verschiedene Enzyme zusammengesucht, die mit dem neuen Enzym kooperieren sollen.
    "Man findet Enzyme aus der menschlichen Leber, die die eine Reaktion, die wir brauchen, katalysieren. Wir finden Enzyme, die in Pflanzen vorkommen und eine andere Reaktion katalysieren. Eine dritte Reaktion kommt aus dem Darmbakterium Escherichia coli. Eine weitere Reaktion liefert ein marines Archaeum, eine Spezies, die im Meer vorkommt. Die Frage ist natürlich: Können all diese verschiedenen Enzyme mit einander funktionieren? Können sie tatsächlich in einem Umfeld zusammen arbeiten?"
    Noch üben die Enzyme im Reagenzglas
    Es dauerte eine Weile bis alles zusammenpasste. Während einige Enzyme schnell ihre Aufgaben erledigten, blieben andere ineffizient. Jede Menge Versuch und Irrtum war und ist notwendig, damit der Kreislauf optimal arbeitet.
    "Man muss auch testen: Welche Enzyme können mit welchen zusammenarbeiten? Das ist eine Sache. Und die andere Sache: Wir mussten lernen, dass wir den Enzymen neue Tricks beibringen müssen. Manchmal können sie eine Reaktion, die wir brauchen, gerade zu zehn Prozent, und dann müssen wir sie weiter optimieren und evolvieren, dass sie wirklich hoch effizient mit unserem Substrat arbeiten."
    Im Moment üben die Enzyme Teamwork im Reagenzglas - schwimmend in einer Flüssigkeit. Aber natürlich könnte das Ganze auch im Innern einer biologischen Zelle ablaufen. Auch in Pflanzenzellen könnte die neu zusammenstellte Enzym-Mannschaft arbeiten - und dort die Aufnahme von CO2 verbessern.
    Noch steht die Anwendung dieser Technik für Tobias Erb nicht im Vordergrund. Aber vieles ist denkbar: eine biologische Minimalzelle, die sich hoch effizient mit CO2 aus der Luft versorgt. Oder eine Art Hybrid-Technik, bei der Fotovoltaik und Biochemie zusammen arbeiten. Diese Technik würde gleichzeitig die Energie der Sonne nutzen und CO2 aus der Luft entnehmen. Genau das, was Pflanzen, wenn auch langsam, bereits seit etwa 500 Millionen Jahren machen.