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Yeosu bedeutet "schönes Wasser"

Bis zum 12. August 2012 lockt die Weltausstellung unter ihrem Motto "Lebendiger Ozean, lebendige Küste" die Touristen nach Yeosu. Die quirlige Hafenstadt am südlichen Ende der koreanischen Halbinsel hat aber weitaus mehr zu bieten als die Expo 2012.

Von Bodo Hartwig | 05.08.2012
    Yeosu-Expo: Endstation für den blau-weißen Hochgeschwindigkeitszug KTX - einer koreanischen Variante des französischen TGV. Vor knapp dreieinhalb Stunden erst hatte er die 350 Kilometer entfernte Hauptstadt Seoul verlassen.

    Vor allem ältere Menschen steigen aus, manche haben ihre Enkelkinder dabei. Ein Mitarbeiter der koreanischen Bahn nimmt einer Dame die Koffer ab.

    Die Reisenden empfängt eine heiße Meeresbrise. Nur wenige Hundert Meter von den Gleisen entfernt liegen ein paar Fähren im Hafen. Sonnenstrahlen spiegeln sich an glänzenden Fassaden wagemutiger Pavillo-Architektur. Vor einem Dreivierteljahr noch sah es hier völlig anders aus, weiß Leonie Stenske zu berichten:

    "Also, das Expogelände selber wurde ja neu erschaffen. Und als ich dann das erste Mal zur Expo gegangen bin, fielen mir fast die Augen aus dem Kopf, wie sehr sich innerhalb dieser kurzen Zeit diese ganze Gegend verändert hat."

    Die junge Frau mit den kurzen blonden Haaren hat ihre Heimat Göttingen 2011 direkt nach dem Abitur verlassen. Seit dem lebt sie zusammen mit ihrem amerikanischen Freund in Yeosu, wo sie Schulkindern Nachhilfeunterricht in Englisch gibt.

    "Die Umgebung des Expogeländes war einmal ein etwas ärmlicheres Viertel, in dem die Fischer gewohnt haben, ältere Leute. Plötzlich allerdings sind ganz viele Cafés und Restaurants aus dem Boden gestampft worden. Es gibt sogar eine Dönerbude, und die gibt's sonst nirgends. Aber je weiter man hinausgeht, je weiter man die Expo verlässt, desto ursprünglicher wird's."

    Im benachbarten Jasan-Park führen hölzerne Treppen auf eine felsige Anhöhe hinauf. Hibiskussträucher blühen am Wegesrand, ein paar Bäume wiegen sich in der salzigen Meeresbrise. Die kleine Mühe des Aufstiegs wird mit einer großartigen Aussicht belohnt.

    "Yeosu ist sehr weit auseinandergezogen, es ist nicht ein großer Fleck, sondern liegt zwischen ganz vielen Bergen und an der Küste natürlich. Es ist sehr malerisch, es gibt sehr viele schöne Strände. Die Berge sind alle erschlossen, also man kann wandern gehen. Im Allgemeinen ist es eine sehr sehr schöne Stadt."

    Das Yeo in Yeosu heißt übrigens schön, su bedeutet Wasser. Hier oben, in luftiger Höhe, lässt sich erahnen, was damit gemeint ist ...

    "Wir stehen jetzt hier auf dem Pavillon. Im Norden sehen wir die Expo und im Süden finden wir das offene Meer mit vielen Tankern. Wenn wir uns weiter nach Osten drehen, kommt Odong-do. Odong-do ist eine beliebte Touristenattraktion, auch genannt 'Die Liebesinsel', also sehr beliebt auch unter Liebespaaren."

    Odong-do ist über einen langen Betonsteg bequem zu Fuß erreichbar. Ein Labyrinth aus schmalen Wegen und Holzstegen lädt zum Flanieren ein. Rund 200 Pflanzenarten machen die kleine Insel zu einem dicht bewachsenen botanischen Paradies, in dem die Zeit stehen zu bleiben scheint.

    "Die Insel ist berühmt für eine bestimmte Pflanze, ich weiß nicht genau welche, so eine Blüte. Da wird dann Saft daraus gewonnen und Süßigkeiten daraus gemacht. Die gibt's da drüben. Sehr lecker! Ich geh' mir gleich welche kaufen."

    Kamelien – auf koreanisch Dong Bek heißen diese Blüten.

    Die Bäume blühen von Oktober bis März, im April ist die Insel dann mit den tiefroten Kamelienblüten übersät, erzählt die Tee- und Bonbonverkäuferin.

    Die Kamelienblüte gilt in Korea als Sinnbild für Schönheit aber auch für Melancholie. In dem berühmten Lied "Dong Bek Agashi" der Sängerin Lee Mi-Ja aus den 60er-Jahren beweint eine junge Frau die Abwesenheit ihres Geliebten.

    Der alte Hafen liegt im ursprünglichen Stadtkern Yeosus. Vor über 500 Jahren hatte hier der berühmte Admiral Yi Sun-sin sein Marinehauptquartier, von wo aus er entscheidende Seeschlachten gegen die japanischen Invasoren führte.

    Heute liegen ein paar angerostete Fischerkähne hier vor Anker, es riecht nach Fisch und Schiffsdiesel.

    Son Wol-won, Ende 40, sportliche Figur, ist in Yeosu geboren. Hier ganz in der Nähe ist er aufgewachsen.

    Mit dem Auto geht es über eine 450 Meter lange Brücke hinüber zur Insel Dolsan, der größten von insgesamt 317 zu Yeosu gehörenden Inseln.

    Son hat in Paris studiert, wo er inzwischen lebt. Seit 30 Jahren schreibt er Gedichte. Seine alte Heimat Yeosu liebt er immer noch über alles.

    "Ich habe wunderbare Erinnerungen an meine Kindheit in Yeosu, ich bin extra auf die Berge gestiegen, um das Meer zu sehen, ich hatte das Gefühl ich kann die vorbeifahrenden Schiffe da draußen einfach so mit den Händen greifen und zu mir heraufheben. Diese unvergessliche Kindheitserinnerung bewahre ich wie einen Schatz in mir auf. Das ist meine Heimat."

    Viele Koreaner wissen die Schönheit der Küstenregion um Yeosu zu schätzen. Die reichlichen Früchte des Meeres, aber auch das milde Klima im Winter sind Gründe für eine ganzjährig frische und leckere Küche. Darüber hinaus laden einsame Sand- und Steinstrände zum Verweilen ein.

    ""Am schönsten ist es in Yeosu im Frühjahr, im März und April. Die Steine am Strand sind dann schon angenehm warm von der Sonne. Man legt sich auf diese runden Steine und lässt sich den lauwarmen Wind um die Nase wehen. Dabei kann man so herrlich vor sich hindämmern und süß träumen - es gibt nichts Schöneres auf der Welt!"

    Jeder Traum geht einmal zu Ende, und selbst, wenn die meisten Gäste Yeosus wohl ausschließlich die Expo besucht haben, erlebten sie mit ein wenig Glück vielleicht ein neues Wahrzeichen der Stadt. Was dort unweit des Bahnhofs in den Himmel ragt, ist nicht nur Aussichtsturm, sondern gleichzeitig Freiluft-Orgel. Unter dem Namen "Vox Maris" von einem deutschen Orgelbauer für die Expo gebaut, soll sie der Stadt auch darüber hinaus erhalten bleiben.
    Die Freiluft-Orgel Vox Maris in Yeosu - (ACHTUNG NUR IN VERWENDUNG MIT SONNTAGSSPAZIERGAN VOM 5.AUGUST 2012
    Die Freiluft-Orgel Vox Maris in Yeosu. (Bodo Hartwig)