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Young-Adult-Serien
Zielgruppenbindung bei Netflix

Jung, hübsch und hinterhältig: Neue Netflix-Serien wie "13 Reasons Why" oder "Riverdale" erzählen vom Erwachsenwerden zwischen Liebe, Freundschaft und Identitätsfindung. Der Streaming-Dienst setzt damit verstärkt auf Themen für junge Erwachsene - dahinter steckt eine Strategie.

Von Julian Ignatowitsch | 03.04.2017
    Die Schauspieler Dylan Minnette (links) und Katherine Langford bei der Premiere von "13 Reasons Why" in Los Angeles
    Die Schauspieler Dylan Minnette (links) und Katherine Langford bei der Premiere von "13 Reasons Why" in Los Angeles (AFP/Mark Ralston)
    Es ist ausgerechnet ein Päckchen mit alten Kassetten, das die Enthüllungsgeschichte rund um Klatsch, Tratsch und Mobbing in Zeiten von Social Media auf den Weg bringt.
    "Hey hier ist Hannah, Hannah Baker. Ich bin es, live und in Stereo!"
    Die tote Hannah Baker meldet sich kurz nach ihrem Suizid mit verstörenden Nachrichten vom Tonband bei scheinbaren Freunden und vermeintlichen Feinden:
    "Nimm dir was zu knabbern und mach es dir gemütlich, denn ich werde dir jetzt die Geschichte meines Lebens erzählen. Genauer gesagt, wieso mein Leben ein Ende fand."
    "13 Reasons Why" ist eine Geschichte von gescheiterten Liebesbeziehungen, verräterischen Freunden und dem Alltagsterror an einer amerikanischen Highschool. #Gossip #Fail. Wer weiß was über wen? Wer ist der Stärkste? Wer ist die Schönste?
    Hannah: "Denkst du ich könnte genauso hübsch sein wie Jessica Davis?" - Clay: "Jessica ist hübsch und all das … aber du bist besonders." - Hannah: "Besonders wie behindert?" - Clay: "Ich sagte besonders!" - Hannah: "Zwecklos, ich sah deinen Blick und, naja … Fail!"
    "Die Netflix-Macher sind natürlich stark kommerziell orientiert"
    Ja, es sind die typischen Dialoge und Themen des sogenannten "Young Adult"-Genre, das sich an junge Erwachsene zwischen 15 und 25 Jahren richtet, erklärt Medienwissenschaftler Lars Gräßer:
    "Das ist so das Lebensalter, wo die Weichen für das spätere Leben gestellt werden. Der Übergang von der Schule zum Beruf. Der Klassiker ist 'Coming of age', Geschichten vom Erwachsenwerden, Identitätsfindung, Ablösung vom Elternhaus, Liebe, Sex, Partnerschaft - das steht im Vordergrund."
    Filme und Bücher in diesem Bereich sind seit Jahren Verkaufsschlager, auch bei Serien hat das Format Tradition, wie etwa in "Gossip Girl" oder "One Tree Hill", in letzter Zeit steigt die Zahl aber auffällig.
    Allein Netflix hat in diesem Jahr mit "Riverdale" und jetzt "13 Reasons Why" schon zwei Young-Adult-Eigenproduktionen herausgebracht, dazu Titel wie "Between" oder "Lovesick" ins Programm genommen. Mitte April startet "#Girlboss" und Anfang Mai "Anne". Medienexperte Gräßer sieht darin eine Strategie:
    "Die Netflix-Macher sind natürlich stark kommerziell orientiert, wollen diese Zielgruppe nicht verlieren und an der Nutzung halten, um später davon zu profitieren. Bei so einer jungen Zielgruppe findet die Mediennutzung viel im Elternhaushalt statt, darüber können dann die Kosten abgewickelt werden."
    In Studien wird immer wieder darauf hingewiesen, wie Jugendliche im Medienbereich die Kauf- und Konsumentscheidungen ihrer Eltern mitbeeinflussen. Die 15- bis 25-Jährigen - alles in allem also eine sehr wichtige Zielgruppe, um die sich die Unternehmen jetzt verstärkt bemühen. Auch indem sie speziell zugeschnittene Trailer, Gespräche oder Backstage-Storys zu den Serien produzieren.
    Zahlen gibt Netflix wie so oft nicht bekannt, man räumt aber ein, beim Angebot auf diese Altersgruppe zu achten. Bislang sind die Streaming-Dienste noch zweite Wahl:
    "Dominant ist da immer noch YouTube", sagt Medienwissenschaftler Gräßer. "YouTube ist die wichtigste Bewegtbild-Plattform für Jugendliche im Alter von 14 bis 19 Jahren. Rund die Hälfte schaut das, dann erst kommt Netflix mit einem Drittel. Das macht deutlich, dass die kostenfreien Bewegtbild-Plattformen bedeutsam sind."
    Young-Adult-Serien müssen sich nicht verstecken
    Gerade wurde die kostenlose YouTube-Web-Serie "Wishlist" mit dem Grimme-Preis prämiert. Das Wetteifern um das junge Publikum, es hat jedenfalls einen schönen Nebeneffekt:
    Von der Qualität und Aufmachung müssen sich die Young-Adult-Serien nicht vor den hochgelobten Hits der vergangenen Jahre verstecken: "13 Reasons Why" arbeitet mit einer puzzlehaften Erzähltechnik, mit Vor- und Rückblenden, "Riverdale" hat eine ausdrucksstarke Mise en Scène und experimentiert mit Kamera und Schnitt. Ja, Handlung und Charaktere sind oft Stereotype, aber selbst das wird ein ums andere Mal ironisch und selbstreferentiell gebrochen. Die Kassette lässt grüßen …
    Mutter: "Was hörst du dir denn da an?" - Clay: "Das ist für den Geschichtsunterricht …" - Mutter: "Kassetten im Geschichtsunterricht, na klar! Kann ich es hören?" - Clay: "Nein, das ist nur Unsinn. Ich geh mal in mein Zimmer, Hausaufgaben machen."