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Yuri Herrera zu Donald Trump
"Eine reale, existenzielle Gefahr für einen Großteil der Welt"

Mexiko habe sich der von den USA diktierten Migrationspolitik unterworfen, kritisierte der mexikanische Schriftsteller Yuri Herrera im DLF. Der "Schmusekurs" mit dem künftigen US-Präsidenten Donald Trump werde seinem Land keinerlei Vorteile bringen. Es sei eine Gefahr für einen Großteil der Welt, "wenn ein Psychopath die Kontrolle über Atomwaffen besitzt".

Von Peter B. Schumann | 20.11.2016
    Der mexikanische Autor Yuri Herrera
    "Für Mexiko besteht die unmittelbarste Gefahr in dem Hass, den Trump geschürt hat", befürchtet der mexikanische Autor Yuri Herrera. (dpa / picture alliance / Rolf Vennenbernd)
    Yuri Herrera hat Politologie studiert und schreibt seine Romane aus einer dezidiert politischer Sicht: es sind realistische Abgesänge auf das Mexiko von heute. Kann sich dieses von Gewalt und Korruption geschwächte Land gegen die Aggressionen behaupten, die Donald Trump angedroht hat?
    Yuri Herrera: Diese Gewalt und Korruption gehen teilweise auf unsere Beziehungen zu den Vereinigten Staaten zurück. Die mexikanische Regierung hat sich der von den USA diktierten Emigrationspolitik und ihrem Antidrogen-Kampf unterworfen. Dadurch wurde die Grenze aufgerüstet und wurden Auswanderer sogar auf unserem eigenen Territorium verfolgt. Wenn unsere Regierung ein größeres Maß an Unabhängigkeit gegenüber den USA zeigen würde, dann könnte sie sich behaupten.
    "Sich unterzuordnen entspricht der traditionellen Haltung mexikanischer Präsidenten"
    Der mexikanische Präsident Peña Nieto hat aber vor kurzem erst das Gegenteil demonstriert. Er hat Trump während dessen Wahlkampf nach Mexiko eingeladen, dieser hat dann seine bekannten Drohungen wiederholt, und Peña Nieto hat nicht protestiert.
    Herrera: Sich unterzuordnen entspricht der traditionellen Haltung mexikanischer Präsidenten. Außerdem ist das Beraterteam Peña Nietos von unglaublicher Mittelmäßigkeit. Er und seine Leute haben keinerlei staatspolitische Vision, keine Vorstellung von der Rolle Mexikos in der Welt, sondern immer nur Angst vor den Entscheidungen der US-Administration. Als sie befürchten mussten, dass Trump gewinnt, haben sie einen Schmusekurs eingeschlagen und ihn eingeladen. Doch der dürfte Mexiko keinerlei Vorteile bringen.
    "Selbst Obama hat bereits drei Millionen abgeschoben"
    Trump will das Freihandelsabkommen mit Mexiko und Canada aufkündigen. Er will Importe aus Mexiko mit einem fünfunddreißigprozentigen Zoll belasten. Er will Millionen von Mexikanern, auf deren Dollar-Überweisungen zahllose Familien angewiesen sind, in ihr Heimatland zurückschicken. Würde das nicht zu einem wirtschaftlichen und auch sozialen Zusammenbruch in Mexiko führen?
    Herrera: Ich glaube, dass viele seiner Vorschläge vor allem dazu dienten, Stimmen in ausländerfeindlichen und fanatisierten Schichten zu gewinnen. Wenn er an der Regierung ist, wird er feststellen, dass solche Maßnahmen auch negative Auswirkungen auf die Stabilität der USA haben.
    Und was die Ausweisungspolitik betrifft, dürfen wir nicht vergessen, dass selbst Obama bereits drei Millionen abgeschoben hat und seine Emigrationspolitik eine der schlimmsten in der Geschichte der USA war, die die Demokratische Partei viele Stimmen gekostet hat. Auch kann Trump gar nicht mehr so viele Ausländer ausweisen, denn die Wirtschaft der USA ist auf die qualifizierte Arbeit der Einwanderer angewiesen.
    "Trumps Gefolgsleute fühlen sich in ihrem Hass legitimiert"
    Selbst wenn manche von Trumps Ideen Wahlkampfgetöse, Demagogie waren, ist mit einer protektionistischen Politik zu rechnen, die mittelfristig wirtschaftliche Folgen für Mexiko und für viele andere Länder haben wird. Die größte Gefahr durch die Wahl von Donald Trump sieht Yuri Herrera in einem anderen Problem.
    Herrera: Es bedeutet eine reale, existentielle Gefahr für einen Großteil der Welt, wenn ein Psychopath, reizbar wie er, die Kontrolle über Atomwaffen besitzt. Für Mexiko besteht die unmittelbarste Gefahr in dem Hass, den Trump geschürt hat und der bei rassistischen Gruppen auf fruchtbaren Boden gefallen ist. Sie haben bereits Angriffe auf Einwanderer unternommen.
    Hinzu kommen die Auswirkungen seiner angekündigten Maßnahmen auf die Wirtschaft und die Sicherheitslage Mexikos. Aber beängstigender finde ich die Haltung von Trumps Gefolgsleuten, die sich in ihren rassistischen Vorurteilen und ihrem Hass durch seinen Wahlsieg legitimiert fühlen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.