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Zähneputzen mit System

Die meisten Deutschen putzen sich mehrmals täglich die Zähne, die meisten leiden aber trotzdem an Zahnproblemen wegen mangelnder Mundhygiene. Ist die falsche Zahnputztechnik daran schuld? Welche Technik ist überhaupt am besten? Fragen, denen Forscher der Universität Gießen nachgegangen sind - mit überraschenden Ergebnissen.

Von Jennifer Wengler | 20.09.2012
    Eine Doktorandin der Universität Gießen steht vor einem Waschbecken im Institut für Medizinische Psychologie. In der Hand hält sie eine rote Zahnbürste. Sie feuchtet die Bürste unter dem Wasserhahn an. Dann schrubbt sie in kleinen Bewegungen waagerecht über ihre Zähne:

    ""Das war die modifizierte Bass-Technik. Also, die ist schon so ein bisschen unangenehm, weil man unter das Zahnfleisch kommt. Und durch das Hin- und Herrütteln das Zahnfleisch auch gereizt wird. Fühlt sich nicht so angenehm an.""

    Sie hält die Bürste wieder unter den Wasserhahn und setzt erneut an. Diesmal macht sie kreisende Bewegungen über die Zähne:

    "Das war die Fones-Technik, also eine Kreistechnik und die war viel angenehmer und die kennt man auch meist schon aus der Schule."

    So wie sie, empfindet es auch ein Großteil aller Teilnehmer einer Gießener Zahnputzstudie. Forscher des Instituts für Medizinische Psychologie haben mit der interdisziplinären Studie versucht herauszufinden, ob eine systematische Technik beim Zähneputzen das Putzergebnis verbessern kann.

    Dafür lernte die Kontrollgruppe der Studienteilnehmer einfache Grundlagen des Zähneputzens. Zwei andere Gruppen trainierten mit Hilfe von Computerpräsentationen entweder die sogenannte Fones-Technik oder die modifizierte Bass-Technik.

    Die Fones-Gruppe übte, die Zähne in kreisenden Bewegungen systematisch zu reinigen. Die Gruppe der modifizierten Bass-Technik lernte, Ablagerungen mit schnellen horizontalen Schrubbbewegungen und vertikalen Streichbewegungen von Zahnfleisch zu Zahn zu entfernen.

    Nach mehreren Wochen wurde der Gesundheitszustand der Zähne in den drei Gruppen verglichen. Dabei stellte Professor Renate Deinzer eine höhere Effektivität der Fones-Technik fest.

    "In unserer Untersuchung hat sich herausgestellt, dass die Fones-Gruppe am meisten dazugelernt hat, die besten Fertigkeiten entwickelt hat. Und die Bass-Gruppe sich nicht von der Kontrollgruppe unterschieden hat. Sie war sogar, ohne dass das statistisch bedeutsam wurde, ein klein bisschen schlechter als die Kontrollgruppe."

    Und das, obwohl die Bass-Technik von Zahnärzten empfohlen wird, weil sie angeblich Plaques besser beseitigt und schonender zum Zahnfleisch ist.

    Renate Deinzer sieht einen Grund für das bessere Abschneiden der Fones-Technik in der Erziehung der Studienteilnehmer. Denn wenn eine Putztechnik in Kindergarten oder Elternhaus gelehrt werde, dann sei es zumeist eine unsystematische Mischung aus Schrubb- und kreisenden Bewegungen. Diese kommen der Fones-Technik sehr nah. Somit sei die Fones-Technik für die Studienteilnehmer leichter zu lernen und auszuführen gewesen, schlussfolgert Deinzer:

    "Was wir jetzt schon schließen aus dem Ergebnis, dass es vielleicht gar nicht so sinnvoll ist, wenn ich schnell etwas erreichen will, Erwachsene auf eine völlig neue Technik umzugewöhnen. Denn das hat ja bei uns offensichtlich nicht funktioniert, oder zumindest hat die Fones-Technik besser funktioniert."

    Weitere Studien müssen nun zeigen, ob die modifizierte Bass-Technik grundsätzlich ungeeignet ist. Oder ob sie, bereits im Kindesalter gelehrt, schließlich bei Erwachsenen auch zu besseren Putzergebnissen führen kann. Die Fones-Technik sei vorerst zu empfehlen, weil sie den momentanen Voraussetzungen des durchschnittlichen Deutschen entgegen komme.

    Unabhängig von der Putzmethode muss aber eines gelten: Es kommt auf Gründlichkeit und eine gewisse Systematik an. Keine Zahnfläche darf vernachlässigt werden, insbesondere Backenzähne und innere Kauflächen brauchen viel Pflege. So wie der Zahnfleischrand: Denn dort treten mit zunehmendem Alter die meisten Zahnprobleme auf. Auch in den Zahnzwischenräumen sammeln sich viele Beläge, die mit Zahnseide täglich entfernt werden sollten. Zahnpasta sorgt für die Fluoridierung der Zähne. Einen geeigneten Zeitpunkt gibt es nach Renate Deinzer für das Zähneputzen nicht:

    "Es gibt keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass man morgens seine Zähne besonders gründlich putzen muss oder abends seine Zähne besonders gründlich putzen muss, oder dass es auf jeden Fall vor dem zu Bett gehen sein muss. Wesentlich ist, dass einmal am Tag die Zahnbeläge - wirklich - komplett entfernt werden, dann ist sehr viel gewonnen."

    Wild losputzen sollte man nun aber nicht: Die richtige Anwendungsweise von Zahnbürste und -seide erklärt am besten noch einmal individuell und in Ruhe der Zahnarzt, bevor das Training der neuen Zahnputztechnik beginnen kann.