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Serie „Chambers“
Horror ohne Herz

Die neue Netflix-Serie „Chambers“ handelt von einer Herztransplantation mit scheinbar schockierenden Folgen. Wirklich furchterregend sind aber nur Dialoge und Vorhersehbarkeit. Auch US-Star Uma Thurman enttäuscht. Die Serie zeigt eine Tendenz: Massenware statt Herz.

Von Julian Ignatowitsch | 24.04.2019
Hauptdarstellerin Uma Thurman steht in der Horror-Serie "Chambers" von Netflix im Grünen
Uma Thurman in der Horror-Serie "Chambers" von Netflix (Ursula Coyote/Netflix)
Eine Narbe, die sich vom Hals bis kurz unter die Brust zieht.
Sasha: "Ich wollte das erste Mal mit einem Jungen schlafen an diesem Abend."
Das Ergebnis eines folgenschweren Herzinfarkts.
Sasha: "Mein Herz schlug kurz davor so unglaublich schnell, ich dachte, es wären die Nerven oder Dr. Pepper."
Ein Notfall, ein Spenderherz, eine Transplantation.
Sasha: "Jetzt muss ich ein Jahr wiederholen und Pillen schlucken bis zum Rest meines Lebens."
Und plötzlich sind da diese Albträume, diese Visionen.
Sasha: "Ich will nur wieder das alles so wird, wie es vorher war."
Das Herz einer Anderen
Natürlich ist nichts mehr, wie es einmal war - das merkt die 17-jährige Sasha sehr schnell. Das eigene Herz verloren und plötzlich schlägt das einer Anderen in ihrer Brust. Man sieht nur mit dem Herzen gut, heißt es ja schon im "Kleinen Prinz".
Freundin: "Fühlt es sich irgendwie anders an?"
Fühlt, hört, sieht Sasha nun also mit dem Herzen einer Fremden, einer Toten?
Freundin: "Es war ein Stromschlag unter der Dusche. Sie hatte immer so ein altes Radio an, während sie sich fertig gemacht hat - und eines Abends fiel das Radio in die Dusche und … fuck."
Und fuck … denken Sie sich jetzt vielleicht auch. Denn so konstruiert und an der Grenze zum Lächerlichen wie das Radio in der Dusche kommt auch die neureiche Familie der verstorbenen Rebecca daher. Zwischen bedeutungsschweren Tattoos, dem SUV im Vorgarten, Batman und Totenmaske an der Wand.
Vater: "Du kannst auch Joker zu mir sagen!"
Sie bieten der bildungsschwachen Sasha ein Stipendium an Rebeccas alter Eliteschule an.
Mutter: "Damit das, was ihr passiert ist, nicht umsonst war."
Schablonenhafte Figuren
Spätestens hier beginnt der Schrecken inklusive schockierender Enthüllungen und überraschender Wendungen… nein! Schrecken nur im übertragenden Sinn: Denn gruselig sind in "Chambers" lediglich die gezwungenen Dialoge und schablonenhaften Figuren.
Sasha: "Ich werde nicht auf diese blöde Schule gehen, ich will nicht von denen gerettet werden."
Vater: "Wir waren kurz davor, das Dach über dem Kopf zu verlieren - und zwar schon oft."
Auch Uma Thurman als Sashas neurotische Ersatz-Mutter ist da keine Ausnahme und zeigt, dass prominente Namen in Serien mittlerweile keine Qualitätsgarantie mehr darstellen.
Mutter: "Ich lasse dein Kleid reinigen. Versprichst du mir, dass du es bald abholst."
Nun ist Horror ja ohnehin ein Genre, das gerne mit Klischees, Plot- und Figurentypologien arbeitet. So trivial, glatt und harmlos wie in "Chambers" kommt der Schrecken aber selten daher.
Freundin: "Du hattest einen Herzinfarkt. Sie haben dich aufgeschnitten und dir die Organe von einem toten Mädchen eingepflanzt."
Man merkt, dass Serien-Erfinderin Leah Rachel keinerlei Vorerfahrung in diesem Bereich hat und bisher hauptsächlich an belanglosen romantischen Komödien mitgewirkt hat. Überraschungseffekte und echte Schocker gehen der Serie völlig ab.
Massenware vom Fließband
So fällt "Chambers" nicht in die Kategorie der Kult-Highschool-Horrorfilme aus den 90er-Jahren wie "Scream" oder "Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast". Und schon gar nicht in die unheimliche Trash- und Schmuddelecke alter Carpenter-Klassiker. Hier ist alles Hochglanz über der weiten Wüste von Arizona - und vielleicht hätte man besser daran getan, eine Naturdokumentation zu drehen.
Die Serie "Chambers" ist ein trauriges Beispiel dafür, was vielen neuen Netflix-Produktionen, die immer öfter an Massenware vom Fließband erinnern, fehlt: Herz. Welche Selbstironie - die einzige bei diesem Thema!
Die Serie "Chambers" läuft ab Freitag, 26.4., auf Netflix