Kollektiv 10/11 fördert syrische Autoren

Über Beirut nach Berlin

Libanesische Flüchtlinge sehen Fernsehen in ihrer Notunterkunft in Beirut
Hunderttausende Geflüchtete leben mittlerweile im libanesischen Beirut, unter ihnen sind auch Künstler und Autoren © Imago
Von Cornelia Wegerhoff · 10.03.2016
Die libanesische Stadt Beirut ist in den vergangenen Jahren eine syrische Kulturmetropole geworden, viele Autoren sind hierher geflohen. Deshalb arbeitet die Übersetzerin Sandra Hetzl auch von dort - sie will sie auch in Deutschland bekannt machen.
Sandra Hetzl sucht ein Feuerzeug, der Strom ist ausgefallen. Ihre Wohnung liegt halb im Dunkeln.
"Das kommt öfter vor. Da muss man jetzt im Dunkeln zu den Kerzen finden..."
Im Kerzenschein setzt sich die 35-Jährige zurück an ihren Schreibtisch. Ihr Laptop läuft noch. Auf dem Bildschirm flimmert ein Text aus ihrem jüngsten Übersetzungsprojekt.
"Das heißt 'Die Erfindung der deutschen Grammatik' von Rasha Abbas. Es sind Kurzgeschichten, sehr absurde, sehr punkige Kurzgeschichten. Also der Vorwand ist, so eine Auseinandersetzung mit 'Ankommen in Deutschland', aber das ist nur ein Vorwand. In Wirklichkeit, finde ich, ist das ganze Buch so eine popkulturelle Geste. Das geht so ein bisschen um die Gentrifikation in Neukölln. Da ist dann eine Invasion der Hipster. Da wird so ein Zombie-Film karikiert. Oder Sherlock Holmes lebt immer noch und kommt wegen der überteuerten Mieten in London auch nach Berlin. So Sachen."
Sandra Hetzl schmunzelt. Sie hat eine Vorliebe für skurrile Geschichten. Plötzlich geht das Licht wieder an.
"Jetzt ist er wieder da."

Arabisch hat sie sich selbst beigebracht

Stromausfälle sind in Beirut an der Tagesordnung. Sandra Hetzl geht gelassen um mit den libanesischen Alltagsproblemen. Im Sommer 2014 ist die Übersetzerin nach Beirut gezogen. Auch ihr Partner, der syrische Künstler Fadi Adli, lebt hier. In Berlin, an der Universität der Künste, hat Sandra Hetzl "Visual Culture" studiert. Arabisch hat sie sich selbst beigebracht. Beirut – Berlin, das sind auch die beiden Standorte des von ihr gegründeten Literaturkollektivs.
"Ich bin Übersetzerin, aber unser Projekt, das Kollektiv 10/11, ist eine Literaturvermittlung. Also Autoren entdecken und dann an Verlage vermitteln, in Deutschland, aber ich arbeite auch mit einem französischen Verlag zusammen. Ich hoffe, dass es bald auch mit England klappt. Teil des Kollektivs sind Leute, die im Verlagswesen arbeiten, andere Literaturübersetzer und Autoren."
Die Beirut-Berlin-Connection funktioniert: Die Übersetzung von "Die Erfindung der deutschen Grammatik" der Syrerin Rasha Abbas erscheint pünktlich zur Leipziger Buchmesse beim Berliner Frauenverlag Orlanda, das E-Book beim Berliner Mikrotext-Verlag. Schon im Herbst sorgte die deutsche Fassung von Assaf Alassafs komisch-kritischem Roman "Abu Jürgen – mein Leben mit dem deutschen Botschafter" für begeisterte Kritiken. Es beschreibt das Warten auf ein Visum.
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