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Zank um den Bundestrojaner

Mit neuen Terrorwarnungen versetzte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble die Republik in helle Aufregung und heizte damit die Debatte um Sicherheitsmaßnahmen wie etwa die Online-Durchsuchung erneut an. Andere Politiker warnen indes davor, die Gefahrenlage für solche Argumentationen zu nutzen.

Manfred Kloiber im Gespräch mit Peter Welchering | 23.06.2007
    Manfred Kloiber: Mit seinen Terrorwarnungen hat Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble gestern die Republik in helle Aufregung versetzt. Doch gleich darauf folgte die Relativierung: Bayerns Innenminister Günter Beckstein, CSU, sagte, die Warnung sei etwas überzogen. Der SPD-Sicherheitspolitiker Fritz-Rudolf Körper wurde deutlicher: Die Union, wird Körper bei dpa zitiert, versuche die gegenwärtige und noch immer abstrakte und keineswegs dramatische Gefahrenlage politisch zu instrumentalisieren. Gemeint sind wohl die Verhandlungen über die so genannten Anti-Terror-Gesetze. Wichtiger Bestandteil davon: die geplanten Online-Durchsuchungen von Computern. Der Innenausschuss hat sich am Mittwoch in seiner 45. Sitzung damit beschäftigt. Und am Tag davor, am Dienstag, hat die SPD-Fraktion kurzfristig eine Koalitionsrunde zum neuen Sicherheitsgesetz platzen lassen. Ist damit der Regierungsentwurf für das Anti-Terror-Gesetz und somit die Online-Durchsuchungen erst einmal vom Tisch, Peter Welchering?

    Peter Welchering: Zumindest ist der Regierungsentwurf aufgeschoben. Vor der Sommerpause wird das nichts mehr. Im Augenblick dürfte Innenminister Schäuble keine parlamentarische Mehrheit für sein Konzept eines Sicherheitsgesetzes finden. Die SPD hat ihm sogar nahegelegt, doch lieber mit seinem Wunsch-Koalitionspartner FDP über das BKA-Gesetz und die Online-Durchsuchungen zu verhandeln als mit ihnen, der SPD. Das war natürlich bloße Kampfrhetorik. Denn die FDP hat ja Ende vergangener Woche auf ihrem Bundesparteitag in Stuttgart verdeckte Online-Durchsuchungen klar abgelehnt. Also wenn die Online-Durchsuchung, der Bundestrojaner für das BKA, nicht im Herbst in der Großen Koalition beschlossen wird, dann könnte er tatsächlich ad acta gelegt werden. Bleibt die SPD-Bundestagsfraktion bei ihrer ablehnenden Haltung, was das Sicherheitsgesetz insgesamt angeht, ist keine Mehrheit für die Online-Durchsuchungen mehr zu finden für Innenminister Schäuble.

    Kloiber: Was ist denn eigentlich der Knackpunkt? Woran scheiden sich die Geister zwischen SPD und CDU in Fragen Online-Durchsuchung und Sicherheitsgesetz?

    Welchering: Beim Sicherheitsgesetz verweigert die SPD die weitgehende Überwachung der Internet-Telefonie. Gestritten wird um die positive und die negative Rasterfahndung und die Daten dafür, die aus Internet-Überwachungen gewonnen wurden. Bei der Online-Durchsuchung selbst wird vor allen Dingen über die Methode gestritten, wie der Bundestrojaner konkret auf einen bestimmten Zielcomputer gebracht werden soll. Nicht alle Abgeordneten der Großen Koalition wollen einer Verpflichtung der Provider zustimmen, die ganz gezielt den Bundestrojaner an angeschlossene Rechner mit einer bestimmten IP-Adresse über Wartungsprogramme installieren sollen. Außerdem reicht einigen SPD-Abgeordneten das bisher vorgestellte Konzept nicht, wie der Bundestrojaner systematisch vom Algorithmus her aufgebaut sein soll. Da machte in dieser Woche im Bundestag das Wort von der Trojaner-Umpolung die Runde. Da wurde die schlichte Frage gestellt: Was passiert, wenn Kriminelle einen im Netz gefundenen Bundestrojaner umprogrammieren, und der berichtet fortan an den Zentralrechner der Mafia? Darauf hat die Regierung bisher keine schlüssige Antwort. Das kann nicht einmal die zuständige Arbeitsgruppe im Bundesinnenministerium ausschließen.

    Kloiber: Was ist denn bei der Online-Durchsuchung von so genannten virtuellen Speicherplattformen im Internet angedacht?

    Welchering: Da geht es um Server, auf denen eben nicht so genannter Web-Space vermietet wird, also Speicherplatz für die eigene Internet-Präsenz, sondern hier geht es um Daten, die vor allen Dingen Geschäftsleute im Netz auf Servern speichern, damit sie jederzeit an jedem Ort auf ihre Daten zugreifen können. Geschäftsleute, die viel unterwegs sind, machen das ganz gern. Strittig dabei ist: Wie weit dürfen solche Speicherplattformen online durchsucht werden. Bei einem konkreten Verdacht, etwa dass Terroristen auf einer solchen Speicherplattform Bombenpläne gespeichert haben, würde die gesamte Plattform oder zumindest große Teile dieser Plattform durchsucht werden. Das hat damit zu tun, dass der Bundestrojaner nicht auf einzelne Anwender solcher Speicher beschränkt werden kann, sondern nur auf bestimmte Festplatten. Damit werden dann aber auch Dateien von gänzlich Unbeteiligten, die zufällig auf der selben Platte des selben Server liegen, mit durchsucht und an die Auswertungsrechner übermittelt. Und da regen sich bei einigen SPD-Abgeordneten Bedenken. Auf der anderen Seite hat das Innenministerium bisher nicht ausreichend klarstellen können, mit welcher Suchtechnologie das Ausspähen von gänzlich Unbeteiligten vermieden werden kann. Solange das nicht geklärt ist, wird es in der Großen Koalition weiterhin heftigen Widerstand gegen die erweiterten Präventivbefugnisse des BKA und gegen verdeckte Online-Durchsuchungen geben.