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ZDF-Miniserie "Morgen hör' ich auf"
"Wir wollten niemals das deutsche Breaking Bad machen"

"In Deutschland wird nicht mitgefiebert mit einem Mann, der Crystal Meth vertickt", erklärt der Schauspieler und Komiker Bastian Pastewka im Corsogespräch. Deshalb habe man bei der neuen Miniserie "Morgen hör' ich auf" auch nicht die amerikanische Serie "Breaking Bad" kopieren wollen, sondern mit dem Thema Geld etwas aus der deutschen Realität verarbeitet.

Bastian Pastewka im Corsogespräch mit Marietta Schwarz | 30.12.2015
    Der Komiker Bastian Pastewka bei der Verleihung des Deutschen Comedypreises.
    Komiker Bastian Pastewka im Corsogespräch über die neue ZDF-Miniserie "Morgen hör' ich auf" und die Lage des deutschen Serienmarkts. (picture alliance / dpa / Henning Kaiser)
    Marietta Schwarz: Wie würden Sie den Typen beschreiben, den Sie in "Morgen hör ich auf" spielen?
    Bastian Pastewka: Jochen Lehmann ist eigentlich ein klassischer Vermeider. Er lebt mit seiner Familie, also seiner Frau und seinen drei Kindern in Bad Nauheim, da haben wir übrigens auch gedreht, und er hat seinerzeit eine Druckerei vom Schwiegervater übernommen, die inzwischen kein Geld mehr abwirft. Das heißt, er hat finanzielle Schwierigkeiten. Und weil er eben ein Vermeider ist, schafft er es nicht, dieses Problem offensiv anzugehen, sondern spricht mit seiner Familie nicht darüber.
    Er hat längst die Übersicht, und so fängt unsere Serie am Samstag an, über sein Geld verloren und weiß nicht mehr weiter. Und kommt irgendwann auf die tolle Idee, Falschgeld im Keller zu drucken. Und er würde das glaube ich auch nur so lange machen, bis er sich komplett entschuldet hat, also wenn er wieder bei Null ist und seinen Kindern wieder den Schulausflug und regelmäßiges W-LAN garantieren kann - seine Ehe hat er dann noch nicht gerettet, die kriselt munter vor sich hin - um dann wieder neu zu starten. Aber er rechnet nicht damit, dass er mit seiner Falschgeldproduktion in Main-Taunus- Gangsterkreise gerät, die ihn dann nicht mehr vom Haken lassen.
    "Ich bin mit Leib und Seele Komödiant"
    Schwarz: Bastian Pastewka in einer spannenden Serie – das ist für Sie ja auch etwas Neues! Wo Sie, jetzt muss ich vorsichtig sein, ja auch ein bisschen in der Comedy-Schublade stecken.
    Pastewka: Da brauchen Sie gar nicht vorsichtig sein, ich bin so gerne in der Comedy-Schublade! Ich bin mit Leib und Seele Komödiant. Aber Entschuldigung, ich habe Sie unterbrochen.
    Schwarz: Die Frage war eigentlich nur, ob das eine ganz bewusste Entscheidung war, ob das Ihnen zugetragen wurde, wie es dazu kam. Wie Sie sich damit fühlen?
    Pastewka: Also ich habe eine Anfrage bekommen für diese Serie, ob ich das spielen möchte und ich habe diese Entscheidung sehr bewusst getroffen, dass ich dachte: Jo, da wissen die Leute, was sie wollen, und wenn sie mich schon fragen, hat das auch einen Grund. Und dann habe ich mir den Grund angehört, den habe ich bis heute nicht verstanden, hab aber einfach trotzdem gespielt.
    Schwarz: Was haben sie denn als Grund genannt?
    Pastewka: Sie haben gesagt: Du bringst so etwas Leichtes, Naives, Unverbrauchtes mit, das die Figur braucht. Weil es wird dramatisch genug, aber ich will das Leichte bis zum Schluss spüren.
    "In Deutschland muss man andere Serien erzählen als in Amerika"
    Schwarz: Das ZDF hat die Figur ja schon als deutschen "Walter White" bezeichnet, den Jochen Lehmann, den Sie spielen, in Anlehnung an "Breaking Bad". Sind Sie glücklich mit dem Vergleich? Das weckt natürlich unglaublich hohe Erwartungen.
    Pastewka: Die Genese war ein bisschen anders. Das ZDF hat verkündet, wir würden auch mal gerne so eine Serie im Programm haben wie Breaking Bad, und danach wurde gesagt: Übrigens machen wir etwas Vergleichbares gerade mit Bastian Pastewka – "Und morgen hör ich auf". Es gab nie so etwas wie einen direkten oder indirekten Auftrag des ZDF "Macht so etwas wie Breaking Bad".
    Das ist auch richtig so, weil das ZDF natürlich weiß, es hat nie ein deutsches "Sex and the City", nie einen deutschen "The Wire" gegeben, nie einen deutschen "Ally McBeal" usw. Das hat alles nie funktioniert – warum? Weil die amerikanischen Serien auf amerikanische Verhältnisse zugeschnitten sind. Und in Deutschland muss man eben eine andere Serie erzählen. Und das haben wir auch versucht.
    Schwarz: Jetzt haben Sie aber einen spannenden Punkt angesprochen, nämlich dieses Hinterherhecheln hinter amerikanischen Formaten. Vielleicht ist ja dieser Ruf nach dem "deutschen Was-auch-immer" ein großer Fehler. Vielleicht sollte sich Deutschland bei der Suche nach der großen Serie auf den eigenen Stil besinnen oder den suchen oder wie sehen Sie das?
    Pastewka: Aber wann fängt das an? Wann soll das anfangen? Um jetzt mal sehr weit zurückzugehen und eine Behauptung aufzustellen: Ich glaube, dass wir durch den Zweiten Weltkrieg so ein großes kulturelles Loch gerissen haben in unser Land, dass danach alles, was Fernsehgeschichte geschrieben hat, etwas war, das es im Ausland schon gegeben hat. Nach dem Krieg haben uns die Alliierten erst mal die Literatur dagelassen und dann das Fernsehen. Also Straßenfeger wie "Stahlnetz", oder "Soweit die Füße tragen" oder speziell "Das Halstuch" waren Erfolge im Ausland.
    Selbst der Tatort, als er 1970 das erste Mal auf Sendung ging, hatte ein englisches Vorbild, weil auch da hatte man die Idee, jedem englischen Distrikt einen Ermittler zuzuordnen. Auch ich hätte meine SAT-1-Serie "Pastewka" nie machen können, wenn ich nicht den deutschen Entscheidern eine "Seinfeld"-Folge vorher gezeigt hätte und gesagt hätte: So etwas in der Art wollen wir auch machen. Aber es ist unmöglich das "deutsche Etwas" zu machen und sich nach den Amerikanern, Briten oder Dänen strecken zu wollen.
    "Es geht nur, wenn man weiß: Was sind deutsche Wirklichkeiten?"
    Schwarz: Wo gelingt es denn?
    Pastewka: Es gelingt immer dann, wenn man sich formell in einem gewissen Grad einigt. Wenn man sagt, wir machen es ähnlich wie bei Auslandsproduktion XY. Aber es geht nur, wenn man weiß: Was sind deutsche Wirklichkeiten? Worüber wird hier in Deutschland gelacht? Und hier in Deutschland wird eben nicht mitgefiebert mit einem Mann, der Crystal Meth vertickt, weil das Thema Crystal Meth hier völlig anders behandelt wird als in den USA. Hier haben wir etwas genommen, das zur Stadt Frankfurt passt. Bad Nauheim ist ja um die Ecke von Frankfurt. Nämlich Geld. Es geht um Geld.
    Die Autoren unserer Serie haben sich schon 2008, als die große Lehman-Finanzkrise war - und nicht umsonst trägt mein Charakter den Namen Jochen Lehmann - darüber Gedanken gemacht: Wie ist es, wenn nicht wir alle, das ganze Land, sondern eben Familien mit mittelständischen Betrieben, in die Insolvenz rutschen und langsam aber sicher auch aus einem Sozialgefüge fallen. Das ist eine deutsche Realität, die uns niemand absprechen kann.
    Ich glaube, das werden die Zuschauer auch bemerken, selbst wenn sie "Breaking Bad" schon gesehen haben. Und ich glaube leider, es sind gar nicht so viele. Weil auch Breaking Bad wurde ja hierzulande gezeigt auf "großen Sendern" wie RTL Nitro und Arte und sind deshalb richtig schön am Publikum vorbeigesendet worden. Was ich sehr bedaure natürlich.
    "Im deutschen Fernsehen gibt es zu selten die Geschichte von nebenan"
    Schwarz: Es sind jetzt auch lediglich fünf Folgen von "Morgen hör ich auf" geplant – ist das dem fehlenden Geld oder dem fehlenden Mut der Redaktion geschuldet?
    Pastewka: Im Gegenteil. Weder noch. Es ist der Tatsache geschuldet, dass wir niemals das deutsche Breaking Bad machen wollten, sondern uns geeinigt haben auf eine Geschichte, die in fünf Episoden erzählt wird. Auch final übrigens. Wir wollten eine besondere, kleine Geschichte erzählen. Die Geschichte von nebenan, die es für mein Verhältnis im deutschen Fernsehen zu selten gibt. Und ich behaupte, im deutschen Leben und damit auch in der deutschen Fiktion- und Fernsehrealität, die wir natürlich alle nur nachstellen, muss es auch die kleine schmutzige und auch kurze Geschichte geben. Und deshalb haben wir unsere Serie auf diese Weise gemacht.
    Schwarz: Welche Serien und Formate findet der Fernsehkritiker Bastian Pastewka gut?
    Pastewka: Also ich als alter Gaukler freue mich, dass es im Jahr 2015 einfach mal zwei Sitcoms gegeben hat. Zwei Sitcoms aus Deutschland! Man höre und staune. Normalerweise wird pro Jahr vielleicht eine versucht und nach drei Folgen für immer in eine unbestimmte Pause geschickt. Es waren "Die Mockridges", eine WDR-Produktion, und "Eichwald, MdB", eine ZDF-Produktion, um einen gestrauchelten Politiker, der sich als Hinterbänkler versucht, nach vorne zu robben. Das war beides so komisch, dass ich dachte: Ach Kinder, es geht doch, wir müssen doch gar nicht immer schimpfen!
    Aber klar, diese beiden Serien hatten jeweils vier Folgen und nicht mehr, und jetzt braucht es halt wieder zwei Jahre, bis eventuell weitere Folgen kommen. Das ist übrigens auch so ein Problem zwischen dem deutschen und amerikanischen Markt: Der sogenannte Output ist einfach viel viel größer in Amerika, weil es einfach sehr viel mehr Amerikaner und Menschen, die englisch verstehen, gibt.
    "In den deutschen Fernsehredaktionsstuben tut sich was"
    Schwarz: Fürs nahende Jahr 2016 stehen zahlreiche Neuproduktionen auf der Liste: Phoenixsee, Soenke Wortmann dreht eine historische Krankenhausserie, wir warten auf den Start von "Die Stadt und die Macht" – glauben Sie, wir sind da gut aufgestellt für die Zukunft?
    Pastewka: Ehrlich gesagt: ja! Wenn ich sehe, dass sich jetzt schon der heilige Tatort leistet, Ermittlerteams zu kombinieren oder mal in zwei Folgen eine Geschichte zu erzählen oder im Falle vom Borowski-Krimi den "Stillen Gast", dargestellt von Lars Eidinger, nach drei Jahren einfach noch mal zurückkehren zu lassen, desto bessere Zeichen, finde ich, sind das. Da tut sich was. Ganz ehrlich: Das täte sich in deutschen Fernsehredaktionsstuben nicht, wenn der Druck des internationalen Marktes nicht so groß wäre, das muss man auch sagen.
    Schwarz: Und leider ist der Druck der Quote am Ende auch recht hoch, wie man gerade an der viel gelobten Serie "Deutschland 83" sieht: Das Feuilleton hat sie bejubelt, die Quote: extrem niedrig. Würden Sie sagen, die Quote wird überbewertet, vielleicht auch gerade von den öffentlich-rechtlichen Sendern?
    Pastewka: Als die Quotenmessungen in den 90er-Jahren anfingen und man sich dann verrückterweise auch noch so was wie unterschiedliche Zielgruppen ausgedacht hat, wurde diese Quote zu einer Art von Währung. Also wir können uns manchmal nicht ganz frei davon machen zu sagen: Die Serie war übrigens schlecht, weil sie kaum Zuschauer hatte. Das sind dann meistens Serien, die wir gar nicht gesehen haben, von denen einer erzählt hat: Ach, so richtig toll war es nicht, weil er sie auch nicht gesehen hat. Da kommt manchmal wie so ein Independence Day Raumschiff, so ein komischer Schatten über so ein Projekt.
    Deshalb ist die Quote übrigens ja sowieso nur ein errechneter mathematischer Wert - aber auch noch nicht ganz korrekt, weil einfach durch das Binge-Watching-Verhalten, das, was auf unseren DVR- oder Festplattenrekordern, von mir aus auch noch Videorekordern drauf ist, nicht mitgezählt wird. Oder eben die große Frage: Wie wirkt sich so eine Serie in den DVD-Verkäufen oder bei den Streaming-Diensten aus? Und das ist natürlich toll, dass man sozusagen über diesen "zweiten Bildungsweg" auch Sachen, die vielleicht schon etwas älter sind, einem Publikum präsent machen kann, was es jetzt auf diesem Anbieter mag.