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ZDF-Staatsvertrag
Der Fall Brender und die Freiheit des Rundfunks

Am Donnerstag werden die Ministerpräsidenten der Länder den neuen ZDF-Staatsvertrag unterzeichnen. Mit ihm soll der Einfluss der Politik auf die öffentlich-rechtliche Anstalt deutlich eingeschränkt werden. Nicht nur der einst geschasste ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender begrüßt das. Aber es gibt auch Kritik.

Von Ludger Fittkau | 17.06.2015
    Ein Techniker steht neben einer Leiter vor einem ZDF-Logo. Auf einem Tisch sieht man Mineralwasser und Gläser.
    Weniger Einfluss der Politik: Das ZDF bekommt einen neuen Staatsvertrag. (Christian Charisius dpa)
    Den 25. März 2014 wird Nikolaus Brender niemals vergessen. Es war ein strahlender Frühlingstag in Karlsruhe.
    "Es war einfach eine tolle Situation! Nun bin ich selbst als Jura-Student häufig von Freiburg nach Karlsruhe gefahren, um mir die Urteile des Verfassungsgerichts anzuhören. Aber da schien die Sonne und ebenso sonnenklar war der Spruch des Verfassungsgerichtes."
    Der lautete: Teile des ZDF-Staatsvertrags sind verfassungswidrig. Ein medienpolitischer Paukenschlag, der bis heute nachhallt. Denn das Bundesverfassungsgericht schrieb dem ZDF und dem gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunk ins Stammbuch, bei der Besetzung ihrer Aufsichtsgremien einige Leitsätze besser zu beachten als bisher. Zitat:
    "Gebot der Vielfaltsicherung. Einbeziehung von Personen mit möglichst unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungshorizonten aus allen Bereichen des Gemeinwesens. Berücksichtigung auch von kleineren Gruppierungen des öffentlichen Lebens. Konsequentere Beachtung des Gebots der Staatsferne für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk."
    Genugtuung für Brender
    Karlsruhe ist der Meinung, dass die ZDF-Aufsichtsgremien die geforderte gesellschaftliche Vielfalt bislang nicht spiegeln würden. Und dass Fernseh- und Verwaltungsrat nicht "staatsfern" genug seien. Ein Urteilsspruch, auf den der ehemalige ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender lange gewartet hat:
    "Der ganz klar gesagt hat: Der jetzige Zustand - so damals - der jetzige Zustand der Gremien ist verfassungswidrig. Das wollte von den anwesenden Politikern niemand so gerne hören. Verfassungswidrig."
    Der frühere ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender
    Der frühere ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender (dpa / picture-alliance / Jörg Carstensen)
    Fürs ZDF sind die 16 Bundesländer verantwortlich. Das Bundesverfassungsgericht hat den Ministerpräsidenten eine Frist von etwas mehr als einem Jahr gesetzt, um einen neuen, verfassungskonformen ZDF-Staatsvertrag zu schreiben. Diese Frist läuft nun ab, ein neuer Vertrag ist fertig und soll morgen auf der Ministerpräsidentenkonferenz unterzeichnet werden. Die Länderparlamente müssen dann noch entscheiden, bevor der Vertrag am 1. Januar 2016 in Kraft treten kann. In ihm wird die Zahl der sogenannten „staatsnahen" Vertreter in den Aufsichtsgremien auf ein Drittel begrenzt - so wie es Karlsruhe gefordert hat.
    Entscheidungen mit parteipolitischer Brille
    Die Politik hatte bisher zu viel Einfluss auf den Mainzer Sender, konstatierte das höchste deutsche Gericht. Es erwähnte im Urteil beispielhaft die Existenz der sogenannten "roten und schwarzen Freundeskreise" unter den Gremienmitgliedern und bisweilen auch unter ZDF-Journalisten. In diesen Zirkeln wurden Programm- und Personalentscheidungen jahrzehntelang wohl auch mit parteipolitischer Brille vorbereitet, vermutet Nikolaus Brender. Er erinnert sich, wie stark die Politik in den Mainzer Sender noch hineinregiert hat, als er im Jahr 2000 Chefredakteur wurde:
    "Als ich kam, war es immer noch üblich, das Parteivertreter, Generalsekretäre, Minister oder deren Sprecher unmittelbar im Programm herumgefuhrwerkt wurde. Dass dort in laufende Sendungen hinein angerufen wurde und Ähnliches. Und ich habe dann so reagiert, dass ich gesagt habe: Wenn das noch mal vorkommt, veröffentliche ich das. Das muss veröffentlicht werden, weil diese Einflussname kein Privatvergnügen ist. Es belastet die Journalisten, es tangiert die Freiheit des Unternehmens. Und deswegen habe ich in den Verwaltungsräten beziehungsweise im Fernsehrat eindeutig gesagt: Wehe, das geschieht noch mal, derjenige wird veröffentlicht."
    Mit seiner unerschrockenen Haltung hat sich Brender nicht nur Freunde gemacht.
    "Das mochte man natürlich nicht, weil da ein Recht infrage stand, das vor allem den Damen und Herren der Christlich-Demokratischen Union zu Eigen schien."
    Koch gegen Brender
    Der unionsdominierte ZDF-Verwaltungsrat hat es 2009 abgelehnt, Brenders Vertrag als Chefredakteur zu verlängern. Wortführer im Gremium war damals der hessische Ministerpräsident Roland Koch. In einem Interview in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" wurde der CDU-Politiker dazu befragt.
    Der frühere hessische Ministerpräsident Roland Koch schaut skeptisch in die Kamera.
    Gegner von Nikolaus Brender: Der frühere hessische Ministerpräsident Roland Koch. (picture alliance / dpa / Uwe Anspach)
    "Wenn die Verträge von leitenden Direktoren auslaufen, hat der Verwaltungsrat die Aufgabe die Entwicklung in den Arbeitsbereichen zu prüfen. Und da haben eine Reihe von Verwaltungsratsmitgliedern – auch ich – Fragen gestellt. Diese Fragen betreffen nicht, wie öffentlich kolportiert wird, parteipolitische Zusammenhänge, sondern die betreffen ganz handfest: Wie hat sich die Informationssparte des ZDF in den letzten sieben, acht Jahren entwickelt? Können wir im Wettbewerb mit anderen damit zufrieden sein? Und die Frage ist auch, wie ist das innere Klima in den Redaktionen beim ZDF? Ist da genug Freiheit und Kreativität vorhanden? Oder besteht die Möglichkeit, durch eine andere Leitung neue Impulse zu setzen? Das ist wahrlich keine illegitime Diskussion, sondern Aufgabe des Verwaltungsrates."
    "Coup war lange geplant"
    Doch diese Diskussion führte das Unionslager im Verwaltungsrat damals auch gegen den ZDF-Intendanten Markus Schächter. Der nämlich wollte den Vertrag seines Chefredakteurs verlängern. Der Coup gegen ihn sei in der Spitze der Union schon lange geplant gewesen, glaubt Brender:
    "Es war ja nicht das erste Mal. Nach der Bundestagswahl mit den beiden Spitzenkandidaten Stoiber/Schröder hatte der damalige Generalsekretär der CSU gesagt, entweder der Brender muss sofort entlassen werden, zumindest darf sein Vertrag nicht mehr verlängert werden. Den Versuch gab es ja schon einmal: Nach der Berichterstattung über den Irak-Krieg gab es heftige Interventionen mit einer Menge von Anträgen, die beweisen sollten, wie amerikafeindlich unsere Berichterstattung gewesen wäre."
    Streitpunkt Irak-Krieg
    Damals hatten Brender und sein Team beim ZDF die Behauptung der US-Regierung hinterfragt, wonach der irakische Diktator Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen besitze.
    "Diese Fragen alleine schon wurden als amerikafeindlich betrachtet. Und der, der dafür verantwortlich war, war ich. Ich habe es zugelassen."
    Und das habe maßgeblichen Leuten an der Spitze von CDU und CSU nicht gepasst, vermutet Brender. Die dann Ende 2009 die Gelegenheit der anstehenden Vertragsverlängerung genutzt hätten, um ihn endlich loszuwerden. Deswegen war für den geschassten Chefredakteur das Karlsruher Urteil fünf Jahre später auch eine persönliche Genugtuung.
    Beck unterstützt Brender
    Auch Kurt Beck war nach Karlsruhe gefahren, um dem Verfassungsgericht seine Sicht der Dinge zu vermitteln. Der ehemalige SPD-Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz ist bis heute Vorsitzender des ZDF-Verwaltungsrates:
    "Nikolaus Brender war ja oder ist ein sehr eckiger Typ, was ich durchaus nicht negativ meine, im Gegenteil. Und er hat sich sozusagen als Exempel angeboten zumal in dieser Zeit, als sein Vertrag zur Verlängerung anstand oder eben auch nicht."
    Kurt Beck winkt jemandem freundlich lächelnd zu. Im Hintergrund sind Landtagsabgeordnete auf den Bänken zu erkennen.
    Sein Land zog vors Bundesverfassungsgericht: Der ehemalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (Fredrik von Erichsen/dpa)
    Zu denen, die neben Roland Koch die Vertragsverlängerung Brenders verhindern wollten, gehörte unter anderem der damalige saarländische Ministerpräsident Peter Müller - heute Richter am Bundesverfassungsgericht. Und der ehemalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber. Daran erinnert sich Kurt Beck:
    "Also mein Eindruck - der beruht auf ganz, ganz vielen Vier-Augen-Gesprächen, Gruppengesprächen. Mein Eindruck war, dass Teile der Union innerhalb der Gremien doch den Versuch richtig geplant hatten, das ZDF wieder stärken an die Kandare zu nehmen. Der damalige Intendant - Markus Schächter- hat sich halt nicht wie ein Befehlsempfänger der Staatskanzlei München oder des Kanzleramtes generiert. Das hat man nicht so gern gesehen und da wollte man ein Zeichen setzen."
    Keine Stellungnahme Kochs
    Wir hätten selbstverständlich gerne gewusst, wie Roland Koch heute die Causa Brender sieht. Wie er das Karlsruher Urteil bewertet und wie er zum Entwurf eines neuen ZDF-Staatsvertrags steht. Doch aus Termingründen stand er dem Deutschlandfunk für ein Interview nicht zur Verfügung.
    Nikolaus Brender sagt, er werde nie vergessen, wer damals auf dem öffentlichen Höhepunkt des Skandals auf seiner Seite stand. Nicht zuletzt die "Frankfurter Allgemeine Zeitung":
    "Und ich glaube, ohne diese Öffentlichkeit, ohne die Artikel in den vielen Zeitungen - ich möchte da übrigens Frank Schirrmacher besonders hervorheben, der frühzeitig erkannt hat, welche Bewegungen sich eigentlich in den Parteien abspielen und was das für die innere Freiheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bedeutet, obwohl er ja in manchen Punkten sehr kritisch dem öffentlich-rechtlichen System gegenüberstand, hat er mich von Anfang an unterstützt und hat tolle Artikel geschrieben. Die galten aber nicht mir, sondern sie galten der Freiheit des Rundfunks. Und dafür bin ich ihm und werde ihm immer sehr, sehr dankbar sein."
    Uneinigkeit im Unionslager
    Doch auch im Unionslager waren längst nicht alle mit Kochs Vorgehen einverstanden. Ruprecht Polenz war lange Zeit Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages und im Jahr 2000 Generalsekretär der CDU unter Angela Merkel. Polenz leitet seit Langem den ZDF-Fernsehrat, neben dem Verwaltungsrat das zweite, größere Aufsichtsgremium des Mainzer Senders.
    Ruprecht Polenz blickt ernst durch seine Brille vor einem blau-grauen Hintergrund.
    Ruprecht Polenz, Vorsitzender des ZDF-Fernsehrats. (picture alliance / dpa / Fredrik von Erichsen)
    "Für den Fernsehrat war eigentlich klar: Wir haben mit Herrn Brender gut zusammengearbeitet. Ich war die ganze Zeit über im Chefredakteursausschuss. Da gab es sicherlich die eine oder andere Diskussion, wie das normal ist über diese oder jene Sendung. Aber es war eine vertrauensvolle und gute Zusammenarbeit. Und wir haben dann mehr aus einer Zuschauerposition heraus verfolgt, wie die Diskussionen um die Frage der Vertragsverlängerung in den anderen Gremien des ZDF dann gelaufen sind."
    Grüne für Normenkontrollklage
    Tabea Rößner gehörte zu denjenigen, die damals eine Verfassungsklage gegen den ZDF-Staatsvertrag befürworteten. Die ZDF-Redakteurin war seinerzeit gerade für die Grünen in den Bundestag gewählt worden. Heute ist sie medienpolitische Sprecherin der Fraktion:
    "Na ja, ich kam ja gerade vom ZDF und dann war das ZDF sofort auf meinem Tisch. Es ging darum, dass der Chefredakteur seinen Vertrag nicht verlängert bekommen sollte. Es gab vorher schon Diskussionen darüber. Aber es gab dann tatsächlich die besagte Sitzung des Verwaltungsrats, wo es eine Sperrminorität gab, die Roland Koch organisiert hatte und ich dachte: Das kann nicht sein, wir haben das Gebot der Staatsferne. Hier greift Politik über eine Personalie auf das Programm zu und das ist nicht verfassungskonform."
    Tabea Rößner sammelte unter den Abgeordneten im Bundestag Unterschriften. Ihr Ziel war es, eine Normenkontrollklage in Karlsruhe einzureichen, die ein renommierter Medienrechtler für die Grünen schrieb.
    "Aber um eine abstrakte Normenkontrollklage vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe einreichen zu können, brauchte man ein Viertel der Stimmen der Bundestagsabgeordneten. Und Linke und Grüne hatten zwar alle komplett unterschrieben, aber es fehlten uns noch genau zwölf Stimmen. Und wir hatten Vertreter aus verschiedenen anderen Fraktionen, die uns auch Sympathien bekundet hatten. Es gab auch einige gerade aus der SPD, die uns unterstützen wollten. Aber die wurden dann zurückgepfiffen."
    Becks Vermittlungen scheitern
    Zurückgepfiffen von Kurt Beck. Der versuchte zunächst - in Verhandlungen mit der Staatskanzlei von Roland Koch - einen neuen Staatvertrag auszuhandeln, um den Gang nach Karlsruhe zu vermeiden.
    "Wir haben dann verhandelt. Lang und intensiv. Und ich muss sagen, dann im Lichte der öffentlichen Reaktionen mit Hessen auch sehr konstruktiv und wollten diese Möglichkeit, dass man mit Einfluss einer politischen Seite die Sperrminorität erreichen kann, also dass der Intendant die Dreifünftel-Mehrheit im Verwaltungsrat nicht erreichen kann, das wollten wir miteinander auflösen durch eine andere Zusammensetzung des Gremiums. Also ähnlich, wie es jetzt im Entwurf des Staatsvertrages steht."
    Doch dieser Versuch der SPD scheiterte:
    "Leider haben dann andere unionsgeführte Länder nicht mitgemacht, es gab dann einen Streit innerhalb der Unionsseite. Und dann war das kaputt."
    Rheinland-Pfalz klagt selbst
    Der parteiübergreifende Versuch, einen Kompromiss für das ZDF zu finden, misslang. Schließlich entschied sich die rheinland-pfälzische Landesregierung, eine eigene Normenkontrollklage beim Bundesverfassungsgericht einzureichen. Tabea Rößner, medienpolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion:
    "Da war der Druck dann doch so groß, dass Ministerpräsident Beck und das Land Rheinland-Pfalz selber klagen mussten. Also im Grunde einen Vertrag, den sie selber abgeschlossen hatten, beklagen mussten. Sie haben sich selbst beklagt."
    Blick von oben auf das neue Sendezentrum des Zweiten Deutschen Fernsehens auf dem Lerchenberg in Mainz, aufgenommen im November 1983.
    Das ZDF-Sendezentrum auf dem Lerchenberg in Mainz (picture-alliance / dpa)
    Nikolaus Brender ist noch heute froh darüber, dass Kurt Beck und seine rheinland-pfälzische Staatskanzlei damals so gehandelt haben:
    "Da kann man den Beteiligten wirklich nur dankbar sein, denn in dem Augenblick, in dem sie das Verfassungsgericht angerufen haben, sind sie nicht mehr Herr des Verfahrens. Dann gibt es keinen Kompromiss mehr zwischen den Parteien, sondern das Verfassungsgericht bemächtigt sich des Falls. Und urteilt wirklich nach bestem Gewissen und mit gutem Gewissen."
    Nicht nur das ZDF profitiert
    Das Karlsruher Urteil vom März 2014 stärkt die Unabhängigkeit nicht nur des ZDF, sondern des gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Das sieht nicht nur Nikolaus Brender so, sondern auch Markus Höppener, der Justiziar des Deutschlandradios:
    "Das ist sicher ein Gewinn für die Rundfunkfreiheit. Der Auftrag ist nun mal der, unabhängig zu berichten. Ein Sender wie der Unsere berichtet vor allem über politisches Geschehen. Und da ist die Unabhängigkeit vom Gegenstand der Berichterstattung ganz besonders wichtig."
    Denn das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat auch Auswirkungen auf die Aufsichtsgremien des Deutschlandradios - hier auf den Hörfunkrat sowie den Verwaltungsrat. Beide Gremien sind bis jetzt jeweils zur Hälfte mit Vertreter der Länder und des Bundes besetzt. Dieser Anteil muss nun auf ein Drittel reduziert werden. Markus Höppener:
    "Bei uns stellt sich die besondere Herausforderung, dass wir derzeit nur 40 Mitglieder, das ist vergleichsweise wenig, wenn sie es in Relation zum ZDF sehen, haben. Im Hörfunkrat. Wenn sie dieses Drittel erreichen wollen, gleichwohl an dem bisherigen föderalen Konzept festhalten wollen, nämlich 16 Länder zu repräsentieren, gleichzeitig womöglich noch die Zahl der Bundesvertreter, die jetzt bei drei liegt, aufzustocken, dann müssten sie das Gremium bei uns deutlich vergrößern."
    Kleinere Aufsichtsgremien
    Wie die Gremien des Deutschlandradios künftig aussehen werden, ist noch völlig offen.
    Beim ZDF wird der Fernsehrat von 77 auf 60 Sitze reduziert. Ein Drittel davon ist künftig für Bund, die Länder und Kommunen reserviert, wobei alle 16 Bundesländer bedacht werden. Anders als bisher sitzen Parteien mit eigenen Vertretern nicht mehr im Fernsehrat. Die restlichen 40 Sitze sollen Verbände und Organisationen besetzen – zum Beispiel Gewerkschaften, Naturschutzverbände und die Kirchen. Welche Mitglieder sie entsenden, liegt ausschließlich in der Verantwortung dieser Gruppen -um den Staatseinfluss zu minimieren.
    Als Vorsitzender des ZDF-Fernsehrats hält Ruprecht Polenz die Entscheidung allerdings für falsch, das Gremium ab 2016 zu verkleinern:
    "Man kann natürlich über die Größe eines Gremiums immer streiten. Ob jetzt ein großer Beratungsgewinn in einer Reduzierung der Zahl von 77 auf 60 liegt, bin ich nicht so sicher. Es liegt vor allem ein Vielfaltsverlust in dieser Reduzierung. Und es gibt ja nun auch schon Stimmen von gesellschaftlichen Gruppen, die sich nicht berücksichtigt fühlen. Denen dann aber entgegengehalten wird, das Gremium ist ja kleiner geworden, deshalb seit ihr nicht dabei."
    Kritik von den Grünen
    Auch Tabea Rößner von den Grünen ist nicht zufrieden damit, wie im neuen Staatsvertrag die Karlsruher Forderung nach Vielfalt in den Gremien des ZDF umgesetzt wird. Wenn es nach ihr gegangen wäre, sähen die Gremien des Mainzer Senders anders aus:
    "Dann hätten wir keine Regierungsvertreter in den Gremien, dann hätten wir eine gesellschaftlich bunte Truppe, wo wirkliche wesentliche Vertreter der gesellschaftlichen Gruppen auch tatsächlich drin sind. Migrantinnen und Migranten, die bisher auch nicht vertreten waren, aber vor allen Dingen auch Jugendliche."
    Lesben und Schwule bekommen eine Stimme
    Feste Plätze im neuen Fernsehrat haben neben den Vertriebenen und dem Bund der Stalinismus-Opfer nach wie vor der Deutsche Olympische Sportbund oder auch der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger. Jugendverbände sind jedoch nicht vertreten. Dafür kann erstmals der Lesben- und Schwulenverband einen Vertreter entsenden. Für das Deutschlandradio würde Markus Höppener das auch begrüßen:
    "Das kann uns nur willkommen sein. Es ist ganz wichtig, politisch dafür zu sorgen, dass alle gesellschaftlich relevanten Gruppen – das ist natürlich immer schwierig, zu bestimmen, wer jetzt relevant ist - jedenfalls Gehör finden. In unseren Programmen sowieso, aber auch bei der Kontrolle der Programme. Und alles, was da dazu dient, die Gesellschaft und ihre Meinungen, Strömungen, Gruppen abzubilden, das kann dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk insgesamt nur dienen und dann eben auch dem Deutschlandradio."
    "Fehler beim ZDF-Staatsvertrag künftig vermeiden"
    Der CDU-Politiker Ruprecht Polenz empfiehlt den Bundesländern, bei der Formulierung neuer Staatsverträge für andere öffentlich-rechtliche Sender die Fehler zu vermeiden, die auf dem Weg zum neuen ZDF-Staatsvertrag gemacht worden sind. Vor allem sei Transparenz wichtig, meint der ZDF-Fernsehratsvorsitzende:
    "Wir haben ja in Deutschland im Augenblick eine Diskussion über die TTIP-Verhandlungen. Hinter verschlossenen Türen. Keiner weiß so genau, was da passiert. Das, was wir aber jetzt bei der Staatsvertragsverhandlung erleben, ist aber TTIP hoch Drei. Ein verhältnismäßig kleiner Kreis von Juristen in den Staatskanzleien erarbeitet einen Vorschlag, der in eine mit üppiger Tagesordnung versehene Ministerpräsidentenkonferenz kommt, dort sicherlich ordentlich beraten wird. Dann geht er in die Landtage und dort wird jedem Landtag gesagt werden: Also, wenn ihr was ändern wollt, dann müssen wir das ganze Verfahren von vorne anfangen, weil es gilt ja Einstimmigkeit. Und daraus folgt im Ergebnis für mich, dass der Staatsvertrag schwerer änderbar sein wird als das Grundgesetz."
    Deutschlandradio geht bei der Transparenz voraus
    Mehr Transparenz - die soll es künftig auch für die Sitzungen der Aufsichtsgremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunksender geben. Grundsätzlich sollen diese öffentlich stattfinden, so lautet eine Forderung des Bundesverfassungsgerichtes. Im Deutschlandradio hat man das bereits umgesetzt, ohne auf einen neuen Staatsvertrag zu warten. Deutschlandradio-Justitiar Markus Höppener:
    Da ist etwas, was das Bundesverfassungsgericht auch verlangt hat und da haben unsere Gremien sehr schnell gehandelt und haben nicht etwa abgewartet, bis der Gesetzeber da eine Vorgabe macht."
    "Karlsruhe hat Journalisten Mut gemacht"
    Doch nicht nur auf die Aufsichtsgremien wirkt sich das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus. Vor allem für die Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sei es bedeutsam, findet Nikolaus Brender. Karlsruhe habe ihnen Mut gemacht:
    "Sie haben jetzt das Bundesverfassungsgericht im Rücken. Ja was soll eigentlich einen Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dazu bewegen, leise zu sein? Leise zu treten, den Schwanz einzuziehen? Sich gegenüber Politik nicht zu wehren, wenn es wirklich an der Sache ist. Es gibt keinerlei Gründe. Die Mitarbeiter und Festangestellten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sitzen auf einer verdammt sicheren Position. Und das gehört sich auch so. Nur, sie müssen sie nutzen."