Dienstag, 16. April 2024

Archiv

ZDFneo-Serie "Blaumacher"
Smells like Teeniekomödie

ZDFneo zeigt die Serien-Eigenproduktion "Blaumacher" - und damit die Gestrigkeit des deutschen Fernsehens. Statt Tiefe und Innovation überwiegen Nostalgie und spätpubertäre Witzelein. Im Hintergrund singt Kurt Cobain.

Von Julian Ignatowitsch | 06.06.2017
    Ein Mikrofon und eine Moderatorenkarte mit dem Logo von ZDFneo liegen auf einem Tisch.
    Am 7. Juni startet die Serie "Blaumacher" auf ZDFneo (Horst Galuschka/dpa)
    Ein Mann, ein Stuhl, eine Schrottflinte … Rückansicht … ein Selbstmordversuch misslingt …
    Schuss, dann Knall … auf dem Dach stirbt statt seiner eine Taube.
    Frank: "Scheiße!"
    Türklingel. Frank, Mitte 40, verheiratet, zwei Kinder, Lebenskrise, selbst im Suizid, dem versuchten, verschwindet er, unter einem Scherbenhaufen von zerbrochenen Marmeladengläsern. Und plötzlich steht Sascha vor der Tür, seine Nachbarin, viel jünger, spätpubertär, lolitahaft.
    Sascha: "Wenn man damit nicht trifft, will man nicht sterben."
    Frank: "Ich habe nie gesagt, dass ich sterben will."
    Sascha: "Also ein Hilfeschrei?! Wer hätte es mitkriegen sollen, der Postbote?"
    Eine Schwester im Geiste, die Franks Tochter sein könnte, sie machen "blau", er geht nicht mehr zur Arbeit, sie nicht in die Schule.
    Sascha: "Boom!"
    Fängt stark an, baut schnell ab
    Die Serie "Blaumacher" fängt vielversprechend an. Starker Soundtrack, fokussierte Kamera, innovative Bildsprache. Wenn Frank hinter dem Muster seiner Flurtapete verschwindet oder die Wohnzimmer-Inneneinrichtung im Möbelkatalog aufgeht, sind das gelungene filmische Metaphern der kleinbürgerlichen Vorstadtspießigkeit - einem Leben aus dem Frank ausbrechen will.
    Frank: "Willst du wissen, was mich glücklich macht?"
    Sascha: "Das wird jetzt aber nicht so eine Sadomaso-Nummer, oder?
    Frank: "Welche soll ich spielen?"
    Nirvana: Nevermind. Aber genauso schnell wie der überstrapazierte Selbstmord-Hit baut "Blaumacher" dann auch ab: Stereotype Figuren ohne Tiefe, ein abgedroschener Midlife-Crisis-Plot und billiger Sarkasmus, der von Fremdgeh- über Blowjob- bis zu Toiletten-Witzelein reicht. Gekotzt wird später.
    Frank kotzt. Ja, das riecht und schmeckt nach alter Teeniekomödie à la "Harte Jungs" oder "Mädchen, Mädchen". Nur dass der tragische Held ein 40-jähriger Firmenchef ist, im Nebenberuf Hobbymusiker, der an einem Mutter-Komplex leidet und davon träumt, ein bisschen so zu sein wie Kurt Cobain.
    Frank: "Ich muss zur Werkstatt."
    Carmen: "Weißt du, was du da gerade gemacht hast?"
    Frank: "Ich war spontan."
    Carmen: "Du hast eine Polizistin geschlagen."
    Frank: "Ja!"
    Carmen: "Jetzt bist du auch noch stolz drauf?"
    Frank: "Im Moment zumindest."
    Neben der schwachen Story werden dann auch die anfangs gut eingesetzten Einstellungen zum ausdruckslosen Langweiler: Hier noch schnell eine Zentralperspektive, da eine ungewöhnliche Aufsicht - nichts was man schon längst und viel besser von amerikanischen Erfolgshits kennt. Schließlich kehrt mit dem Wechsel der Regie in Folge vier von Pia Strietmann zu Maurice Hübner dann formale Routine ein.
    "Wetten, die merken's nicht?"
    Teenie-Depression, Männer-Schmerz, Ferienlager-Dialoge
    Komisch, unfreiwillig komisch, wird es, wenn überhaupt, bei den gefühlsschwülstigen Zwischensequenz:
    Sascha: "Finanziere mir doch auch eine Sprachschule, ich geh auch nach Harvard. Und noch was: Courtney Love hat deinen scheiß Kurt Cobain nicht umgebracht. Aber der hat wenigstens getroffen."
    Frank: "Jaja, bring dich doch auch um."
    Sascha: "Bring du dich doch um!"
    Teenie-Depression, Männer-Schmerz, Ferienlager-Dialoge - einer der wenigen Lichtblicke ist die junge deutsche Schauspielerin Laura Berlin, die ihrer Figur Sascha immerhin noch ein wenig Zerrissenheit mitgibt. Zwischen rebellisch, verführerisch und melancholisch.
    Sascha: "Ich hab früh genug angefangen!"
    Sonst allerdings fragt man sich, welcher Zielgruppe das alles gefallen soll. Für über 30-Jährige viel zu viel Poesiealbum und für die Jugend von heute viel zu 90er. "Blaumacher" wirkt wie eine aus der Zeit gefallene Serie und zeigt vielmehr die Probleme und Gestrigkeit des deutschen Fernsehens als die seines Protagonisten.
    "Blaumacher": Ab 7. Juni 2017, 21.45 Uhr auf ZDFneo