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Zechenplätze
Die Kernzellen des Ruhrgebietsfußballs

Der Ruhrgebietsfußball ist mit dem Bergbau verbunden. Nicht nur, weil Zuschauer wie auch viele Spieler dort arbeiteten. Die Zechenbetreiber banden ihre Bergleute unter anderem mit eigenen Fußballplätzen an die Bergwerke.

Von Matthias Friebe | 20.03.2018
    Gemälde eines Fußballplatzes von Friedrich Einhoff
    Gemälde eines Fußballplatzes von Friedrich Einhoff (LVR-Industriemuseum Oberhausen)
    Das Ruhrgebiet in den 1920er Jahren. Der erste Weltkrieg ist seit wenigen Jahren zu Ende. Stück für Stück musste die Produktion in den Bergwerken wieder hochgefahren werden.
    Zusammenhalt, Vertrauen, Härte, die Arbeit unter Tage forderte viel von den Bergleuten. Sie schweißte aber auch zusammen. Immer beliebter bei den Bergleuten wurde der Fußball. Auch hier waren die gleichen Werte gefordert.
    Fußball als Volksbewegung
    Schon in den Kriegsjahren wurde der Fußball als Freizeitbeschäftigung der Soldaten eingesetzt und entwickelte sich mehr und mehr vom elitären Gymnasiastensport zu einer Volksbewegung. Dass sie sich aber auch wirklich flächendeckend ausbreiten konnte, lag vor allem an der Einführung des Acht-Stunden-Tages, der auch musikalisch gewürdigt wurde:
    "Vivat, hoch die neue Zeit. Arbeitszeit acht Stunden.
    Auch der Präsidente ist an die Zeit gebunden.
    Also brauchen wir jetzt drei, wenn ich’s recht betrachte.
    24 Stunden sind’s kommen auf jeden achte."
    Zwar waren die Arbeitszeiten in der Montanindustrie immer noch hoch, zum ersten Mal aber bestand für viele Arbeiter die Chance, Sport zu treiben. Der Fußball war die erste Option. Er bot aber auch für die Zechenbetreiber eine willkommene Art, die Belegschaft an sich zu binden. Auf dem Zechengelände stellten viele ihren Arbeitern Flächen zur Verfügung, um darauf Fußballplätze zu errichten.
    Kuzorra und Szepan spielten hier
    Auf diesen Plätzen haben sie alle angefangen, hier haben sie das Dribbeln gelernt. Hier haben sie die Malocher-Qualitäten erworben: Kraft und Geschicklichkeit, Ausdauer, Zähigkeit, Härte und List.
    Fußballplätze, wie die vom Maler Friedrich Einhoff in Öl festgehaltene Glück-Auf-Kampfbahn der Zeche Consolidation, entstanden mehr und mehr. Hier auf Consolidation in Gelsenkirchen kickte unter anderem auch der spätere Nationalspieler Ernst Kuzorra, der mit seinem Schwager Fritz Szepan den berühmten Schalker Kreisel entwickelte.
    "Tagsüber haben die unter Tage die Kohle weggekloppt und nachts in der Freizeit dann hart trainiert. Und sonntags, wenn die nicht einfahren mussten, da haben die dann gespielt. Praktisch der einzige Tag, wo die mal Tageslicht gesehen haben. Und dann sind die blind wie so ein Rudel Maulwürfe über den Platz gekreist und so ist der berühmte Schalker Kreisel entstanden," karikierte später der Ruhrpott-Kabarettist Herbert Knebel die Beziehung von Fußball und Zechen.
    Verschmelzung von Arbeit und Fußball
    Fußball malochen. Was andernorts als Fehlen spielerischer Klasse deklariert wird, gilt im Ruhrgebiet als Qualitätssiegel. Und so pflegt Schalke 04, vielleicht der berühmteste Arbeiterclub überhaupt, sein Malocher-Image bis heute. So lange es in Gelsenkirchen die Möglichkeit gab, mussten die Profis einmal im Jahr in den Stollen einfahren und die Bergleute besuchen.
    Klaas-Jan Huntelaar sagte nach einem solchen Besuch unter Tage: "War schön zu erleben, ich hatte keine Vorstellung davon. Jetzt weiß ich wie die Arbeit geht und die Kohle abgehackt wird da unten."
    Fußball und Kohle, schon in den 20er Jahren beginnen Arbeits- und Lebenswelt zu verschmelzen. Auf den Fußballplätzen auf den Zechengeländen.
    Klaas Jan Huntelaar im Trainingslager von FC Schalke 04 in Donaueschingen beim Zirkeltraining mit einem Medizinball
    Klaas Jan Huntelaar im Trainingslager von FC Schalke 04 in Donaueschingen beim Zirkeltraining mit einem Medizinball (picture alliance / dpa / Patrick Seeger)