Dienstag, 16. April 2024

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Zehn Fragen an Karsten Danzmann
Wellen, Raumzeit und der ganze Rest

Am 11. Februar 2016 erfuhr die Öffentlichkeit von einer dramatischen Geschichte aus den Tiefen des Universums. Viele hörten interessiert hin, und dachten: Faszinierend - aber woher weiß man das alles? Die Frage ist berechtigt: Die Gravitationswellen-Jäger haben mit ihren langen LIGO-Armen ein Signal von weniger als einer Sekunde Länge aufgeschnappt.

23.03.2016
    Eine Frau blickt durch eine aufgerissene Öffnung an einem mit Packpapier verdeckten Schaufenster.
    Nach dem Nachweis der Gravitationswellen blieben viele Fragen offen (dpa / picture alliance / Rolf Haid)
    Daraus rekonstruierten sie ein Rendezvous, das sich über Jahrmillionen hinzog. Die Protagonisten: zwei Schwarze Löcher. Schwere Kerle sollen es gewesen sein, 29 und 32 Sonnenmassen - wirklich?
    In den Untiefen der Raumzeit lauern jede Menge Fragen, und Karsten Danzmann, Direktor des Albert-Einstein-Instituts in Hannover und als oberster deutscher Gravitationswellen-Jäger maßgeblich an der jüngsten Entdeckung beteiligt, gibt 10 Antworten.
    Die Riesenantenne LIGO hat ein Signal aufgeschnappt, das noch nicht einmal eine Sekunde lang war. Es soll von einem Ereignis erzählen, das Millionen von Jahren gedauert hat. Wie passt das zusammen?
    Karsten Danzmann: Wir detektieren das Ereignis, aber natürlich nicht die ganzen Millionen Jahre, sondern nur den letzten Rest. Wir können hier auf der Erde nur die letzten 0,2 Sekunden von diesem Millionen Jahre andauernden Ereignis empfangen, denn erst dann sind die beiden Schwarzen Löcher so nahe gekommen, dass die Frequenz so hoch geworden ist, dass wir sie mit unseren erdgebundenen Detektoren feststellen können.
    Wie können Sie wissen, dass das Ganze in 1,3 Milliarden Entfernung stattgefunden hat?
    Karsten Danzmann: Verschmelzende Schwarze Löcher sind "Standardkerzen", das heißt, wenn wir uns das Ereignis angucken, dann können wir daraus sofort ausrechnen, wie viel Energie es ausgesendet hat. Dann müssen wir das nur noch vergleichen mit der Energie, die hier noch angekommen ist und daraus kann man dann leicht ausrechnen, wie weit es weggewesen sein muss.
    Woher wissen Sie, dass es Schwarze Löcher waren - und nicht zwei Sterne?
    Karsten Danzmann: Wir können heute sehr genau die Einsteinschen Feldgleichungen mit Hilfe von Computern lösen und dann muss man nur die Wellenform, die hier angekommen ist, vergleichen mit der, die man aus deiner Lösung der Einsteinschen Feldgleichungen bekommt. Dann sieht man zweifelsfrei, dass es zwei Schwarze Löcher gewesen sein müssen. Kein anderes Objekt ist in der Lage, so eine Wellenform zu produzieren. Es ist sogar so schön, dass es wie aus dem Lehrbuch aussieht. Schöner hätte es auch Einstein nicht machen können.
    Woher wissen Sie, welche Masse die beiden Schwarzen Löcher hatten?
    Karsten Danzmann: Die Masse der beiden Schwarzen Löcher spiegelt sich wider in der Frequenz und in der Zeitabhängigkeit der Frequenz. Je nachdem welche Massen die beiden Schwarzen Löcher haben, strahlen sie bei verschiedenen Frequenzen und strahlen auch verschieden viel Energie ab. Und das sieht man genau in der Wellenform, das heißt, wie sich die Tonhöhe ändert und wie schnell sich die Tonhöhe ändert. Das sagt uns exakt welche Massen die beiden gehabt haben müssen.
    Was ist Raumzeit?
    Danzmann: Einstein hat uns beigebracht, dass Raum und Zeit nicht getrennt voneinander existieren, sondern zu einem Großen, Ganzen, Neuen, der vierdimensionalen Raumzeit zusammengefasst werden müssen. Das geht in der allgemeinen Relativitätstheorie so weit, dass Raum und Zeit nicht mehr getrennt voneinander sind, sondern ineinander übergehen und das nennt man Raumzeit.
    Kann man sich das vorstellen? Hat die Raumzeit eine Substanz, eine Füllung?
    Danzmann: Das fällt uns schwer, uns das vorzustellen, einmal weil's vierdimensional ist, und die meisten von uns haben ja auch schon mit drei Dimensionen Probleme. Aber man kann sich Bilder davon machen, indem man zweidimensionale Unterräume hernimmt, Projektionen. Wenn man sich vorstelle, man wäre ein Flächenwesen. Und dann kann man sich die Raumzeit ganz gut vorstellen wie ein Gummituch, in das man Dellen reindrücken kann. Und das repräsentiert dann die Masse und die Himmelskörper, die in der Raumzeit liegen und Dellen in die Raumzeit machen.
    Was ist ein Schwarzes Loch und wie passt die ganze Masse da rein?
    Karsten Danzmann: Wenn die Dinge, die da den Raum eindellen, sich bewegen, dann fangen die Dellen in der Raumzeit an, sich auszubreiten, ganz so, als wenn man einen Stein in einen Teich wirft und die Oberfläche dann Wellen trägt, die sich ausbreiten. Das sind Gravitationswellen, Wellen in der Raumzeit-Krümmung.
    Was ist eine Gravitationswelle?
    Danzmann: Ein Schwarzes Loch kann man sich ganz gut als Loch in der Raumzeit vorstellen. Alles, was man da hineinwirft, verschwindet, und verschwindet nicht wirklich, die Masse bleibt erhalten, aber es wird auf einen Punkt komprimiert, zu unendlicher Dichte. Okay, das können wir auch nicht erklären, da endet auch die allgemeine Relativitätstheorie: Wir wissen, unendliche Dichte, das wird schwierig, das ist auch mit der Quantenmechanik nicht vereinbar, das müssen zukünftige Generationen lösen. Wir können auch nicht einfach hinfliegen und so ein Schwarzes Loch anschauen und wieder zurückkommen, denn es gibt da einen gefährlichen Ort in der Nähe des Schwarzen Lochs, den sogenannten Ereignishorizont, das ist der Ort, an dem die Schwerkraft so stark wird, dass es kein Entkommen mehr gibt. Wenn man dichter rankommt als bis zu diesem Ereignishorizont, dann kann selbst das Licht nicht mehr entkommen, und darum heißt es Schwarzes Loch.
    Hätte ich mich in einem Raumschiff in der Nähe der Kollision befunden - hätte ich etwas von den Gravitationswellen gemerkt? Hätten sie mein Raumschiff womöglich zerstört?
    Danzmann: Das kommt drauf an, wie nah Sie dran gewesen wären. In vernünftiger Entfernung hätten Sie gar nichts gemerkt, denn die Gravitationswellen sind so schwach, für alle praktischen Zwecke ist das unmöglich, etwas davon zu merken. Aber wenn Sie dicht genug dran sind, dann brauchen Sie gar keine Gravitationswelle, dann ist es die Raumkrümmung selbst, die Ihr Raumschiff zerreißen würde oder wenn Sie selber als Körper reinfallen, dann merken Sie den Schwerkraftgradienten, wenn Sie zum Beispiel mit den Füßen voraus da reinspringen, dann ist die Schwerkraft an Ihren Füßen viel stärker als die an ihrem Kopf, weil der Kopf noch weiter weg ist vom Schwarzen Loch, und wenn Sie Pech haben, dann wird Ihr Körper beim Reinfallen einfach zerrissen. Also lassen Sie's lieber sein.
    !!Im Internet kursieren farbenfrohe Bilder, zum Beispiel von kollidierenden Neutronensternen, die Gravitationswellen abstrahlen: Gelb- und Orangetöne wabern da in einer Spirale davon.
    Woher stammen diese Bilder? !!
    Danzmann: Diese Bilder sind Lösungen der Einsteinschen Feldgleichungen, die von Supercomputern gewonnen wurden, und die hübschen Farben, das sind Falschfarbendarstellungen der Raumkrümmung. Da wird einfach die Größe der Raumkrümmung in diese Farben übersetzt und dann kommen diese leicht künstlerisch anmutenden Bilder zustande. Das sind aber ernsthafte numerische Lösungen der Einsteinschen Feldgleichungen.