Freitag, 19. April 2024

Archiv


Zehn Jahre Bologna, die Zweite

Nach dem gestrigen Runden Tisch im Bundesbildungsministerium zum Bologna-Prozess war eines klar: Es besteht weiterhin Gesprächsbedarf. Eine Gelegenheit dazu gab es schon heute bei der Bologna-Tagung der Hochschulrektorenkonferenz, des Stifterverbands und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände.

Von Jacqueline Boysen | 08.07.2009
    Vor dem Haus, in dem Vertreter von Wirtschaft und Wissenschaft über Bologna diskutieren, hat ein versprengtes Häufchen von Studenten einen Geburtstagstisch aufgebaut - doch zehn Jahre Bologna ist für sie kein Grund zu feiern - Paul Helm, Psychologiestudent an der FU, erklärt, dass auch die gestrigen Ankündigungen der Bundesministerin für Bildung und Forschung ihn überhaupt nicht überzeugen

    "Die Sachen, die Frau Schavan vorgestellt hat als unstrittig, das war keinesfalls so."

    Die Konferenzteilnehmer dagegen sind sich einig: Die angekündigten Nachbesserungen an der Bologna-Reform seien angesichts der so wörtlich oberflächlichen und unkreativen bisherigen Reformschritte ganz wesentlich. Thomas Sattelberger, Personalvorstand der Deutschen Telekom wünscht sich, dass die Bildungspolitik und die Wissenschaft nun eine Reformstufe 2 zünden:

    "Der Verschulung kann durch eine neue Balance von Frontalunterricht und Selbststudium und lernen und Forschen im Team und mehr Wahlanteilen entgegengewirkt werden. Hinreichend große Module und gebündelte Prüfungen reduzieren Bürokratie und sparen Nerven. Schlanke Lehrpläne, Prüfungen nach Semester sechs, sieben, acht und Prüfungszeiten beim Bachelor stellen die Studierbarkeit sicher."

    Arndt Oetker, Präsident vom Stifterverband für die deutsche Wissenschaft sagte zum einen der Bundesbildungsministerin die Unterstützung seiner Organisation zu für die angekündigte Studie über die Berufsaussichten für Bachelorabsolventen. Zum zweiten möchte Oetker Studenten die Auslandsaufenthalte erleichtern - insbesondere in den mathematisch-naturwissenschaftlichen und Ingenieurfächern sammelten momentan zu wenige Auslandserfahrung

    "Es ist die Zeit nicht das Entscheidende, dann dauert es eben mal ein halbes Jahr länger. Jedenfalls ist es ein essenzieller Wunsch, dass wir die Auslandserfahrungen so möglich machen, dass es ein Vorteil ist für den, der es vernünftig gemacht hat."

    Julian Nida-Rümelin, einst Kulturstaatsminister und nun wieder Philosophieprofessor in München, mahnt zum einen weiterhin mehr Geld für die Lehre an. Zum Zweiten warnt er - trotz der versprochenen Flexibilisierung des Zeitbudgets im Bachelorstudium - davor, die Studier- und Lesekultur im Studium nicht zu beschädigen:

    "Wenn in bestimmten Fächerkulturen es dazugehört, in Bibliotheken zu sitzen, dann muss das möglich bleiben. Das geht aber nicht bei einem Umrechnungsfaktor von einer Semesterwochenstunde zu 1,5 ECTS-Punkten. Das geht nicht, weil die Studenten ja auch im Kolleg sitzen."

    Hier schließen weitere Vorschläge der Hochschulrektorenkonferenz an. Margret Wintermantel, Präsidentin der HRK, möchte die Prüfungsmaschinerie verbessern, also die Bewertung über ECTS-Punkte überdenken:

    "Wir müssen die Überlastung, diese Maschinerie von Punkten und Zählen und die Arithmetik ersetzen durch eine klare Feedbackstruktur, so dass der Aufbau individueller Kompetenzen, den wir ja im Bologna-Prozess anzielen, im Mittelpunkt steht."

    Margret Wintermantel erneuerte ihre Ankündigung, dass im Herbst sollen auf den angekündigten Bolognatagen auch die Erfahrungen der betroffenen Studenten gehört werden - den Studenten vor der Tür scheint das ein wenig Hoffnung zu machen.

    "Bei den Biologna-Tagen nehmen wir die Politik beim Wort. Ich glaub ja noch nicht daran, aber wenn, dann freut es mich."