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Zehn Jahre Studienkompass
Gelungene Förderung für Kinder von Nichtakademikern

Seit zehn Jahren versucht das Programm "Studienkompass", Jugendliche aus Nichtakademiker-Familien auf ihrem Weg in die Hochschulen zu begleiten - und zwar mit Erfolg: Lediglich fünf Prozent der Absolventen brechen das Förderprogramm ab, das von drei Wirtschaftsstiftungen ins Leben gerufen wurde.

Von Daniela Siebert | 21.10.2016
    Studenten sitzen am Mittwoch (15.10.2008) mit ihrem Klapprechnern auf den Fluren des Hörsaalzentrums der Technischen Universität Dresden.
    Das Förderprogramm "Studienkompass" soll den Kindern von Nichtakademikern bei Fragen zum Studium helfen, die ihre Eltern nicht beantworten können. (dpa / Ralf Hirschberger)
    Lisa Dengel ist 20 Jahre alt und studiert in Augsburg Jura. Ohne den Studienkompass wäre das vielleicht nicht so gekommen.
    "Also meine Eltern haben beide eine Ausbildung gemacht, meine Mama ist Kinderkrankenschwester, mein Papa Großhandelskaufmann, also da hatte niemand studiert. Ich glaube schon, dass vor allem bei so einem Studiengang es schon wichtig war, noch Leute im Hintergrund zu haben, die einem da auch Vertrauen geschenkt haben und einfach einen unterstützt haben bei der Entscheidung.
    Vor allem die Information, auch zu sehen, was ist möglich und was gibt es überhaupt, dass ich meine Stärken besser kennengelernt habe, ich selber ein Bild davon entworfen habe, wo es hingehen kann und mir Gedanken gemacht habe, für die Zukunft, also das fand ich schon gut."
    Ermutigung und Information als wichtige Werkzeuge
    Der Studienkompass habe ihr die Fragen beantwortet, zu denen ihre Eltern passen mussten, sagt die junge Akademikerin, die nun schon im fünften Semester studiert. Dass sie sich für Jura entschieden habe, liege zum einen an ihren persönlichen Neigungen, zum anderen an einem Jurastudenten, der sie als Vertrauensperson im Rahmen des Studienkompasses drei Jahre lang mit Rat und Informationen begleitet hat.
    Auch Jennifer Kleinhans ist so eine Vertrauensperson. Die angehende Lehrerin für Biologie und Geografie betreut in Berlin derzeit 26 Studienkompassteilnehmer. Sie versucht, die Jugendlichen für ihre eigenen Karrieremöglichkeiten zu sensibilisieren. Das heißt auch klären: Will ich eine Familie, will ich sogar eine große Familie, welche Möglichkeiten gibt es dann. Und sie betont immer wieder, dass man auch Fehler machen darf und sich umentscheiden darf. Ermutigung und Information sind ihre wichtigsten Werkzeuge:
    "Ich glaube, das sind gerade die Punkte, die denen fehlen: das Netzwerk, um Leute zu fragen "Wie ist eigentlich das Studium da und da?" und das muss man sich ja auch erst mal trauen, den Schritt, von zuhause weg zu gehen und den Mut haben, woanders komplett neu anzufangen und vor allem auch die Studienfinanzierung. Das habe ich bisher als drängendstes Thema erlebt bei meinen Geförderten, dass die Finanzierung wirklich geklärt werden muss, damit sie sich zutrauen zu studieren."
    Neue Kommunikationswege bergen große Herausforderungen
    Jennifer Kleinhans war selbst Teilnehmerin am Förderprogramm und kennt daher viele der Bedürfnisse aus eigener Erfahrung. Dennoch steht auch die 27-Jährige gemeinsam mit ihren Betreuerkollegen immer wieder vor ganz neuen Herausforderungen. Derzeit sei das vor allem die anderen Kommunikationswege der 17-Jährigen:
    "Weil wir auf eine ganz andere Art kommunizieren als die Jugendlichen, die hauptsächlich über Whatsapp oder Facebook ihre Kommunikation absolvieren und wir ganz klassisch auf Mail. Und das versuchen wir gerade, denen irgendwie beizubringen, dass E-Mail DAS Kommunikationsmittel im Beruf ist und auch im Studium."
    Wenn Kleinhans tagelang auf ihre E-Mails keine Antwort bekommt, schickt sie zur Not selbst eine Whatsapp, man möge bitte ins E-Mail-Fach schauen.
    Eigene Stärken kennenlernen
    Basthermann Murad geht noch zur Schule, 13. Klasse. Seit einem Jahr nutzt die 19-Jährige die Orientierung, die der Studienkompass bietet. Vor allem die Workshops zur Frage, welche Stärken man persönlich hat und welche Studienrichtungen es gibt, haben ihr geholfen. Ihre ursprüngliche Idee, Medizin zu studieren, hat sie dadurch inzwischen verworfen:
    "Man findet dann irgendwo auch heraus, wer man selber ist, wie man ist, ich habe dann für mich herausgefunden, dass ich mit diesem Medizinstudium später nicht wirklich in einem Krankenhaus arbeiten möchte, sondern eher in Entwicklungsländer gehen möchte und ich könnte eigentlich auch einen ganz anderen Weg gehen, zum Beispiel Biotechnik oder Lehramt und damit könnte man eigentlich auch viel erreichen."
    90 Prozent der Absolventen studieren
    Mehr als 3.000 Stipendiaten haben im Laufe der vergangenen zehn Jahre den Studienkompass genutzt. Pressesprecherin Meike Ullrich zeigt sich denn auch im Namen aller Erfinder- und Unterstützerorganisationen höchst zufrieden:
    "Wir haben im Grund 1.700 Absolventen von denen über 90 Prozent jetzt studieren, die ersten jetzt aus den ersten Jahrgängen sind auch schon fertig mit Bachelor und Master und jetzt im Beruf und das ist natürlich ein schöner Erfolg, dass so viele bestärkt wurden, auch diesen Weg zu gehen."
    Bundesbildungsministerin Johanna Wanka war heute anlässlich der Jubiläumsfeierlichkeiten jedenfalls des Lobes voll. Das Programm sei ein wichtiger Beitrag für mehr individuelle Chancengleichheit. Die Abbrecherquote liegt bei Absolventen des Programms nur bei fünf Prozent. Deutlich niedriger als der allgemeine Durchschnitt.