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Zeichen des Verfalls

Biologie. - Wenn Ende September bei Damhirschen die Brunftzeit einsetzt, beginnt für die Männchen eine harte Zeit. Sie fressen nicht mehr und sind von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang mit Brunftschreien und Rivalenkämpfen beschäftigt. Am Ende können sich die siegreichen zehn Prozent der Männchen mit 80 Prozent der Weibchen verpaaren. Britische Forscher berichten nun, dass die Damhirsche mit bislang unbekannten Alterungsprozessen zu Kämpfen haben.

Von Michael Stang | 29.04.2010
    Jedes Jahr ab Ende September hört man die Damhirsche im Phoenix Park im irischen Dublin schon von weitem. Mehrere Wochen röhren die Rivalen um die Wette und tragen Kämpfe um die Gunst der Weibchen aus. Mit der Paarung geht es jedoch frühestens Mitte Oktober los. Bis dahin haben die Männchen viel Kraft verloren. Vergangenes Jahr bewies Alan McElligott, dass die Tiere dabei nicht nur bis zu 25 Prozent ihres Körpergewichts verlieren, sondern auch zunehmend heiser werden. Die körperlichen Anstrengungen von bis zu 3000 Rufen pro Stunde fordern ihren Tribut.

    Der britische Biologe von der Queen Mary Universität in London beobachtete dabei auch, dass die Rivalenkämpfe nur zwischen Männchen stattfinden, die ähnlich kraftvoll durch den irischen Park röhrten.

    "Die Damhirschmännchen sind mehrere Jahre sexuell aktiv. Daher stellte sich die Frage, ob wir tatsächlich die Rangfolge anhand der Rufe festmachen können, da diese im Vorfeld der Kämpfe stattfinden. Da die Hierarchie jedes Jahr aufs Neue geklärt wird, müssten wir theoretisch diese Veränderungen in der Rangfolge anhand der Rufe feststellen können."

    Mit Mikrophonen und Aufnahmegeräten ausgerüstet zeichneten Alan McElligott und seine Kollegen die Brunftschreie von 25 Männchen auf, meist aus einer Entfernung von rund 30 Metern. Bei der Analyse im Labor stellten sie fest, dass sie die Männchen relativ einfach anhand der Ruffrequenz unterscheiden konnten.

    "Die individuellen Brunftschreie der Männchen sind das Ergebnis ihrer Anatomie, Physiologie und generellen körperlichen Verfassung. Die Rufe verraten aber noch mehr, nämlich tatsächlich die Rangfolge eines Männchens innerhalb einer Herde, die jedes Jahr erneut festgelegt wird."

    Als sie jedoch die Rangfolge der vergangenen Jahre abgleichen wollten sahen sie, dass sich die Frequenzen bei den einzelnen Hirschen verändert hatten, genau wie die Rangfolge innerhalb der Damwildpopulation. Während ein Hirsch im Alter von sechs Jahren noch dominant klang, hatte er mit sieben Jahren bereits seinen Zenit überschritten, und im Jahr darauf hatte er kaum noch Chancen, Rivalen oder Weibchen zu beeindrucken. Die Rufe repräsentieren eins zu eins die aktuelle körperliche Verfassung und spiegeln über die Jahre hinweg auch das Altern der Männchen wider. McElligott:

    "Die Brunftschreie nehmen im Laufe des Älterwerdens sowohl in ihrer Intensität als auch in ihrer Qualität ab. Männliche Damhirsche erreichen im Alter von sechs Jahren das beste Rufalter und können sich auch dementsprechend bei den Rivalenkämpfen behaupten. Danach bauen sie ab. Warum immer genau sechs Jahre das magische Alter darstellen, wissen wir noch nicht. Bereits siebenjährige Hirsche haben viel von ihrer kräftigen und dunklen Stimme eingebüßt. Im Laufe des Alterns werden die Rufe zunehmend höher."

    Nur über im Alter sich verändernden Hormonhaushalt könne man Alan Mc Elligott zufolge die schwächer werdenden Rufe nicht festmachen, es seien vermutlich mehrere Faktoren eines generellen Alterungsprozesses. Der britische Forscher vermutet auch, dass das Phänomen der alternden Balzrufe auch bei anderen Tieren, etwa bei Vögeln, vorkommen könne. Wäre dies der Fall, müssten einige Studienergebnisse wohl neu analysiert werden.