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"Zeichen, die in eine positive Richtung deuteten"

Vieles habe darauf hingedeutet, dass Haiti langsam und in kleinen Schritten einen Weg in die bessere Zukunft genommen hätte, sagt Günther Maihold von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Die Sicherheitslage im Lande habe sich verbessert und Infrastrukturprojekte das Leben etwas einfacher gemacht.

Günther Maihold im Gespräch mit Dirk Müller | 14.01.2010
    Stefan Heinlein: Auch am heutigen Morgen gibt es weiter nur wenig verlässliche Informationen über die Situation auf Haiti. Sicher ist: Es war das schwerste Erdbeben in der Region seit vielen, vielen Jahrzehnten. Die Behörden des bitterarmen Karibikstaates sind mit der Nothilfe an vielen Stellen überfordert. Die ohnehin desolate medizinische Versorgung scheint weitgehend zusammengebrochen. Straßen und viele Krankenhäuser sind zerstört.

    Schon vor dem Beben war Haiti das Armenhaus der Karibik. Mehr als die Hälfte der rund neun Millionen Bewohner des Inselstaates muss mit weniger als einem Dollar am Tag auskommen. Ein Grund für die desolate wirtschaftliche Lage ist die auch seit Jahren politisch instabile Situation. Darüber hat mein Kollege Dirk Müller mit dem stellvertretenden Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik, Günther Maihold, gesprochen und ihn zunächst gefragt, wie sich die politische Lage in den vergangenen Jahren verändert hat.

    Günther Maihold: Es ist in den letzten Jahren durchaus besser geworden, kann man sagen, seit die internationale Gemeinschaft mit der UN-Mission sich darum bemüht hat, eine Stabilisierung insbesondere der Sicherheitslage im Lande herbeizuführen und doch relativ erfolgreich war, das Bandentum, das in den großen Städten des Landes grassierte, unter Kontrolle zu bringen und damit auch der Bevölkerung etwas mehr an Sicherheitsgefühl zu erzeugen. Zudem war es auch möglich, durch einige Infrastrukturprojekte insbesondere im Straßenbau die Verbindungen zwischen den großen Städten zu erhöhen und dadurch auch das Leben für die Bevölkerung etwas einfacher zu machen.

    Dirk Müller: Das hört sich jetzt so an, Herr Maihold, als sei Haiti doch auf dem richtigen Weg gewesen?

    Maihold: Ja. Zumindest haben die Zahlen, auch wenn man in der Frage der Verteilung immer noch sehr viel diskutieren kann, in diese Richtung gedeutet. Haiti hat im Jahre 2009 zumindest ein Wachstum von 1,5 Prozent erzielt, für 2010 waren 2,5 Prozent als realistisch berechnet worden, also zumindest Zeichen, die in eine positive Richtung deuteten.

    Müller: Hat sich also auch was für die Menschen verbessert?

    Maihold: Das ist die schwierige Konstellation. Wenn man von solchen Zahlen spricht, wird nichts über die Verteilung gesagt. Sicherlich war die Situation für die Bevölkerung weiterhin schwierig. Vieles lebt in Haiti nur von den informellen Kontakten, vom informellen Sektor. Es gelingt dem Land nicht, ein Exportprofil aufzubauen. Man hängt doch in massiver Weise auch bei Nahrungsmitteln und bei der Grundversorgung von Importen ab. Das heißt, die Strukturprobleme waren sicherlich nicht so weit verbessert, dass man sagen hätte können, das Land ist auf dem Weg zu einer stabilen Lage.

    Müller: Auch, weil es immer noch eine politische Kaste gibt, die in erster Linie an sich selbst denkt?

    Maihold: Das gehört sicherlich zum Bild dazu, ohne dass man es zum einzigen Merkmal Haitis erheben dürfte. Es gibt natürlich eine Tradition seit den Duvalier-Regimes von Papa Doc und Baby Doc, wo eben der Staat quasi Privateigentum war und sich natürlich auch in der Bevölkerung eine Position durchgesetzt hat, es hängt nur davon ab, den richtigen Zugang zu den richtigen Leuten zu haben, um an den Reichtümern, den relativen Reichtümern des Landes zu profitieren. Dies ist im Gefolge dann leider auch in dem Reformprojekt, in dem ursprünglichen Reformprojekt von Präsident Aristide so eingerissen, sodass man wirklich Schwierigkeiten hat zu sagen, hier ist eine Gesellschaft auf dem Wege, sich mit neuen Regeln, sich mit neuen Grundsätzen zu positionieren. Vieles aus der Vergangenheit hat da weitergewirkt.

    Müller: Präsident Aristide, Herr Maihold, wurde ja auch mit Hilfe der Vereinigten Staaten an die Macht gebracht und auch an der Macht gehalten. Warum ist auch dieses Projekt Aristide dann letztendlich gescheitert?

    Maihold: Aristide hat sich immer mehr in eine persönliche Position, die vielleicht auch was mit seiner Herkunft als Pastor zu tun hat, hineinmanövriert, in der er nur einer sehr engen Gruppe von Freunden, von Vertrauten geglaubt hat, sich stark in so eine persönliche Überhuldung hineingesteigert hat, sodass es immer schwieriger wurde, überhaupt eine rationale Basis für ein Regierungshandeln zu finden, sodass letztendlich die Weltgemeinschaft, angeführt von den USA, dann eine Lösung gefunden hat, ihn ins Exil nach Südafrika zu schicken und einen Neuanfang in Haiti durch eine stärkere internationale Präsenz zu versuchen.

    Müller: Nun heißt der Staatschef René Préval. Macht der es besser?

    Maihold: Er hat es zumindest so weit geschafft, dass die alten Seilschaften nicht mehr so einfach funktionierten, angefangen von den traditionellen Tonton Macute, dieser Privatarmee und diesen Privatpolizisten der Duvaliers über die politischen Gangs und politischen Interessengruppen, die Aristide umgeben haben, und Préval konnte sich dabei eben als alternative Machtposition auf die Präsenz der internationalen Gemeinschaft stützen. Das war eine wichtige Chance, dass er überhaupt in der Lage war, sich etwas abzusetzen von diesen traditionellen Cliquen, und auf dem Weg hätte es eigentlich ganz positiv weitergehen sollen und können. Insbesondere standen ja jetzt auch Wahlen im Februar an, wo die internationalen Beobachter doch sehr viel investiert haben, um einen sauberen Wahlgang zu gewährleisten, alles Elemente, die eigentlich darauf hindeuteten, dass langsam und in kleinen Schritten Haiti einen Weg in die bessere Zukunft genommen hätte.

    Heinlein: Die politische Lage in Haiti. Günther Maihold von der Stiftung Wissenschaft und Politik im Gespräch mit meinem Kollegen Dirk Müller.