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Zeichen für kluge Babys

Psychologie. - Vor etwa 20 Jahren entstand in den USA eine Mode, die langsam, aber sicher auch über den Atlantik schwappt: baby signs oder zu deutsch Babyzeichen. In speziellen Kursen lernen Eltern und Babys einfache Handzeichen, mit denen sie sich unterhalten können. Die Erfinder der Babyzeichen versprechen eine schnellere Sprachentwicklung, ein besseres Benehmen, einen höheren Intelligenzquotienten. Britische Forscher haben jetzt untersucht, welche Auswirkungen die Gebärdensprache für Babys wirklich hat.

Von Monika Seynsche | 22.07.2008
    Eine Hand, die zum Mund geführt wird, bedeutet Essen. Eine aufs Ohr gelegte, Schlafen. Kennen die Babys solche Zeichen, können sie mit ihren Eltern kommunizieren, lange bevor sie sprechen lernen, und – glaubt man den Werbeaussagen der Babyzeichenindustrie – sie lernen dadurch auch eher zu sprechen.

    "Wenn Babyzeichen wirklich funktionieren und die Sprachentwicklung beschleunigen, dann müssten wir die schnellste Sprachentwicklung bei Kindern von Gehörlosen sehen. Denn die sind ja jeden Tag der Gebärdensprache ausgesetzt, nicht nur einmal die Woche beim Babyzeichen-Kurs."

    Gary Morgan arbeitet am Forschungszentrum für Taubheit, Kognitionswissenschaften und Sprache am University College London. Er und seine Kollegen wollten wissen, welchen Einfluss Zeichen auf die Sprachentwicklung von Babys haben. Dafür nutzten sie standardisierte Fragebögen, auf denen Eltern mehrfach innerhalb von 18 Monaten ankreuzen müssen, welche Worte ihre Kinder verstehen und welche sie äußern können.

    "Wenn Sie viele Eltern haben, die solche Fragebögen ausfüllen, bringt diese Methode sehr zuverlässige Ergebnisse."

    Die Forscher nutzten zwei Varianten der Fragebögen: eine für die englische Sprache und eine für die britische Gebärdensprache. Sie wollten Kinder, die bei gehörlosen Eltern mit der Gebärdensprache aufwachsen, mit solchen vergleichen, die bei hörenden Eltern ohne Zeichen, nur mit der englischen Sprache aufwachsen. Das Ergebnis ihrer Untersuchung: Die Unterschiede sind minimal: beide Gruppen von Kindern lernten zur gleichen Zeit, sich mit Gebärden beziehungsweise Worten auszudrücken. Und beim Verstehen von Begriffen waren die Kinder, die Gebärdensprache lernten, sogar ein wenig langsamer als ihre Englisch lernenden Altersgenossen. Die Zeichensprache sei also kein Turbomotor für die Sprachentwicklung von Babys, sagt Gary Morgan. Andere angepriesene Vorzüge der Babyzeichensprache wie ein höherer Intelligenzquotient oder besseres Benehmen sind noch gar nicht wissenschaftlich untersucht worden.

    "Diese Babyzeichenkurse und –bücher werden angeboten, ohne dass es irgendwelche Beweise für die Wirkung gäbe. Das ist so, als ob Sie ein Wundermittel verkaufen wollten, dass auf Glatzen wieder Haare wachsen lässt. Ohne Beweise würde Ihnen das niemand abnehmen. Aber bei kleinen Babys und ihrer Sprachentwicklung funktioniert es."

    Der Entwicklungspsychologe will die Babyzeichen nicht komplett verteufeln, aber er warnt Eltern davor, sich unter Druck setzen zu lassen, in dem Bemühen, das Beste für ihren Nachwuchs zu tun.

    "Nichts, was Sie mit ihrem Kind zusammen machen, was ihnen beiden Spaß macht, ist schlecht. Von dem Miteinander profitiert ihr Kind genauso wie sie selbst. Aber es gibt keine wissenschaftlichen Beweise dafür, dass ihr Kind später mal ein Genie wird, nur weil es mit sechs Monaten Babyzeichen gelernt hat. Vielleicht veröffentlicht ja irgendwer nächstes Jahr eine fantastische Studie, die diesen Zusammenhang beweist, aber das halte ich für sehr unwahrscheinlich."

    Mit dem eigenen Baby einfach zu spielen oder ihm vorzulesen, sei mindestens genauso gut für die Entwicklung - und ganz und gar kostenlos.