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Zeichner David Shrigley
Schwarze Linien, schwarzer Humor

Erfolg mit Ironie und Understatement: Dafür steht der britische Künstler David Shrigley, dessen Zeichnungen zurzeit in der Münchener Pinakothek der Moderne zu sehen sind. Mit der radikalen Reduktion seiner Mittel erscheint der Zeichner jedoch beinahe wie ein Fremdkörper im Museumsbetrieb.

Von Christian Gampert | 10.04.2014
    Der britische Künstler David Shrigley posiert am Freitag (21.08.2009) in der Kunsthalle in Mainz vor seinem Werk "Ohne Titel" (verschiedene Drucke von 2009). Shrigleys Werke werden in der Ausstellung "New Powers / Neue Kräfte" vom 22.08. bis zum 08.11.2009 in der Mainzer Kunsthalle zu sehen sein. Foto: Fredrik von Erichsen dpa/lrs +++(c) dpa - Report+++
    "Es ist meine Strategie, so wenige Worte wie möglich zu benutzen", sagt der britische Künstler David Shrigley. (dpa picture alliance / Fredrik von Erichsen)
    Wenn man die Arbeiten von David Shrigley anschaut, fühlt man sich zunächst an Kinderzeichnungen erinnert, die durch Stilisierung eine verblüffende Stringenz erhalten haben. Dass dies natürlich ein Spiel ist, ein Spiel mit dem vorgeblichen Dilettantismus und der vorgeblichen Naivität, macht uns Shrigley durch ein einfaches Experiment klar: Im Vorfeld der Ausstellung durften im Internet angeworbene Personen eine Skulptur zeichnen, die Shrigley in einem abgeschirmten Raum der Pinakothek der Moderne aufgestellt hatte.
    Die sogenannte Skulptur war ein mit Langhaar-Perücke ausstaffiertes Skelett, das Shrigley in eine leicht exaltierte Stellung gebracht hatte (so wie wir alle – oder manche von uns – früher den Biologieunterricht durch makabre Scherze aufzulockern dachten...). Wer sich nun tatsächlich daran machte, das Skelett perspektivisch korrekt oder auch nur als Karikatur zu zeichnen, der musste natürlich erfahren, wie schwierig das ist.
    Hundert Zeichnungen hängen nun an einer Wand der Ausstellung, hundert Sichtweisen auf den Tod. Die Skulptur ist zerstört, und durch die pure Vielfalt der (meist konventionellen) Perspektiven auf den Gegenstand wird klar, dass Kunst etwas ganz anderes ist, dass es einen Zugriff braucht und handwerkliches Können. Und dass andererseits das Beharren auf einer ganz eigenen Weltsicht seine Berechtigung hat. Shrigley selber ist ja ein humorbegabter Dickkopf, der schon an Kunstakademie in Glasgow seine Schwierigkeiten hatte. Der etablierte Kunstbetrieb war ihm fremd, er wollte etwas anderes.
    Humorbegabter Dickkopf
    "Die Kunstschule in Glasgow ist sehr traditionell, ich war kein guter Student. Als ich die Schule verließ, glaubte ich, dass niemand mich verstand... Und so beschloss ich, nicht Künstler, sondern Cartoonist zu werden. Obwohl ich nichts über Cartoons wusste und auch nicht richtig zeichnen konnte. Das war ein bisschen ein Handicap."
    Das war 1991; Shrigley hatte kein Atelier und musste zu Hause arbeiten, da lagen kleinformatige Arbeiten nahe. Er hatte wenig Erfolg bei den Zeitungen, die Bücher verkauften sich schlecht; nur ein Kunstmagazin interessierte sich für ihn.
    "Und sie sagten mir, wenn du uns deine Bilder gibst, machen wir eine Ausstellung, und dann kannst du die Bilder verkaufen... und deinen Job als Museumsführer sausenlassen. Das machte ich dann auch. Und hier bin ich, zwanzig Jahre später. Ich mache eine Ausstellung mit diesen Zeichnungen."
    Solche Einlassungen beruhen natürlich auf Koketterie und Understatement, und so funktionieren auch Shrigleys Arbeiten. Die Münchner Ausstellung bietet zwar auch große Formate und Filme und ironisiert das gleich wieder (zum Beispiel, indem Shrigley einen Kürbis in Riesenformat mit den Worten "really huge" verziert), aber im Grunde bleibt er bei der Kleinkunst, die er quasi massenhaft auf großen Wänden ausbreitet. Natürlich kann man stilistisch Keith Haring oder A.R.Penck als Gewährsmänner herbeizitieren, doch es bleibt der Verdacht, dass für Shrigleys Weltsicht die Klassiker des Comiczeichnens viel wichtiger sind. Mit einem Unterschied: Shrigley macht nicht viele Worte:
    "Wenn ich über das Verhältnis von Worten und Bildern nachdenke, dann darüber: Wie viele Worte muss ich benutzen? Wenn ich nur eines benutzen muss, dann ist das gut. Es ist meine Strategie, so wenige Worte wie möglich zu benutzen."
    Koketterie und Understatement
    Shrigley stellte sein Talent früher für Gelegenheitsarbeiten zur Verfügung, er fertigte etwa für Hochzeiten kleine Karikaturen, die das Unglaubliche solcher lebenslänglich geltenden Versprechungen ins Bild brachten. Auch so etwas findet sich in der Ausstellung. Das setzt sich fort in Zeichnungen, wo Gottes Pranke (nicht Gottes Finger!) auf ein Strichmännchen niedersaust – Titel: "God chose me". Unter einem Fußabdruck steht "Hand", ein von lauter bedrohlichen Kreisen umgebener Kopf sagt "You cannot make me sad", ein gespensterartiger Tintenfisch erzählt uns, er habe das verrückteste Leben von uns allen, "the craziest life of all".
    Man mag einwenden, dies sei eine absurde und bewusst infantile Weltsicht. Doch es ist dieser Optimismus, der ansteckend wirkt und der Shrigley – gerade auch in der radikalen Reduktion seiner Mittel - aber wie einen Fremdkörper im Museumsbetrieb erscheinen lässt. Offenbar gehört Kulturpessimismus zum Kanon, Lebensfreude dagegen muss begründet werden.
    Ja, Shrigley hat Erfolg, mit Ironie und Understatement, und offenbar verdient er mittlerweile viel mehr als ein normaler Cartoonist. Das macht ihm kein schlechtes Gewissen. "I'm not responsible" steht auf einer Zeichnung. "I'm magnificant" auf einer anderen. Und auf einer bunten Acryl-Zeichnung: "I hate Paradise." Wer's glaubt...
    "Ich bin nicht notwendigerweise ein Komödiant. ...Ich hab nichts dagegen, Cartoonist genannt zu werden. Aber ich mache mehr Geld als die meisten Cartoonisten."