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"Zeit"-Lokalausgabe
Wochenzeitung fürs feine und raue Hamburg

Am Donnerstag feierte der erste Lokalteil der Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit" Premiere. "Die Zeit Hamburg" geht mit einer Auflage von 75.000 Exemplaren an den Start. Parallel soll auch der "Speersort 1-Blog" mitmischen.

Von Axel Schröder | 05.04.2014
    Der Chefredakteur der Wochenzeitung "Die Zeit", Giovanni di Lorenzo, hält am 02.04.2014 im Schauspielhaus in Hamburg eine "Zeit"-Ausgabe mit einem Lokalteil für Hamburg. Die "Zeit" erscheint am 3. April erstmals mit einem Lokalteil für Hamburg.
    Der Chefredakteur der Wochenzeitung "Die Zeit", Giovanni di Lorenzo, hält eine Ausgabe mit einem Lokalteil für Hamburg in den Händen. (picture alliance / dpa)
    "Das ist schon einfach ein tolles Gefühl, wenn nach so vielen Monaten der Konzeptarbeit und der Wochen der Vorbereitung dann plötzlich eine Kollegin an die Tür und sagt: "Mensch! Ich habe hier die ersten Exemplare ganz frisch aus der Druckerei!"
    Patrik Schwarz leitet die sechsköpfige Redaktion der "Zeit-Hamburg", der ersten Lokalausgabe der Wochenzeitung. Die erste Seite soll klar machen, welches Konzept hinter der Hamburg-Ausgabe der "Zeit" steckt: Der überlebensgroße Schwan auf dem spiegelglatten Wasser vor den prächtigen Alsterarkaden wirkt fast wie hinein montiert, zu schön, um echt zu sein. Aber nein, so Patrik Schwarz, es ist keine Montage. Und in großen Lettern darüber soll die ganze Herrlichkeit gebrochen werden: "Da geht doch noch mehr!"
    "Die Frage ist: Wie kann Hamburg sich entwickeln, wie kann Hamburg sich verändern? Und gibt es eine Gefahr, dass Hamburg in Schönheit erstarrt? Und das ist keine Frage, die nur wie bei der "Zeit" uns stellen."
    Die Hamburger Lokalausgabe der "Zeit" will, erklärt Schwarz, auch die dreckigen Ecken der Hansestadt zeigen, ihre Armut und Widersprüche, die ausgedehnten Industriekomplexe im Hafen, das Nachtleben, Hoch- und Alternativkultur.
    "Wir haben keine Scheu vor dem feinen Bürger Hamburgs. Aber auch nicht vor dem wilden und rauen Hamburg. Und das ist vielleicht ein bisschen eine Chance für uns hier im Lokalen, dass wir diese beiden Seiten zusammenführen. Wir bringen beide Seiten zusammen auf unseren Seiten. Das wäre was, was ich mir wünschen würde."
    Einen siebenstelligen Betrag hat sich der Verlag das Projekt kosten lassen, verrät Schwarz. 75.000 Exemplare der Lokalausgabe werden gedruckt. Eine direkte Konkurrenz für die anderen Lokalzeitungen wird dadurch nicht entstehen. Das Hamburger Abendblatt erscheint täglich, ebenso die taz Nord und die Hamburger Morgenpost. Fragt man Lars Haider, Chefredakteur des "Abendblatts", ob ein Produkt wie die "Zeit Hamburg" in der Hansestadt gefehlt hat, fällt die Antwort klar aus:
    "Nein. Gefehlt hat das nicht. Nein. Es gibt ja genug Angebote in der Stadt, um sich zu informieren, sowohl täglich wie auch wöchentlich. Ich habe mich allerdings gefreut, als die "Zeit" angekündigt hat, dass sie jetzt auch eine Lokalzeitung sein will. Die "Welt" hat das ja auch schon lange gemacht. Und ich glaube, es ist ein gutes Zeichen für den Lokaljournalismus. Und alle Lokaljournalisten erhoffen sich dann einen neuen Schwung, neue Ideen – da guckt man natürlich hin! Wir werden das weiterhin kollegial verfolgen."
    Kollegial und mit sehr genauem Blick. Denn flankiert wird die Print-Ausgabe der "Zeit Hamburg" seit Donnerstag von einem neu konzipierten Onlineangebot für die Hansestadt und das konkurriert direkt mit dem nur drei Tage vorher gestarteten "Abendblatt"-Projekt. Beide Angebote setzen auf den Reiz des Hyperlokaljournalismus: Das Abendblatt bietet den von zwei eigenen Autoren verfassten "St. Pauli-Blog". Die Onlineausgabe der "Zeit Hamburg" kooperiert dafür mit erfolgreichen bestehenden Hyperlokal-Redaktionen wie "Wilhelmsburg online", den "Eimsbütteler Nachrichten" oder "Hamburg Mittendrin". Isabella David, Chefredakteurin von "Hamburg-Mittendrin":
    "Ich war von Anfang an sehr begeistert von der Idee, dass die "Zeit" hier ins Lokalgeschäft mit einsteigt. Bin natürlich auch erfreut, dass sie sich gerade für den Onlinebereich auch viele schon erfahrene lokale Blogger dazu geholt haben, wo wir ja auch dazu gehören. Ich denke schon, dass das Erfolg haben kann, weil mehr Vielfalt der Medienlandschaft in Hamburg überhaupt nicht schaden kann. Und gerade ein Wochenzeitungsangebot, dass auch die Möglichkeit hat, hier Stadtentwicklungsprozesse, gesellschaftliche Prozesse, politische Prozesse auch im Rahmen einer Wochenzeitung noch mal tief gehender zu begleiten und zu betrachten, kritisch zu hinterfragen – das ist etwas, was wirklich gefehlt hat."
    Sagt Isabella David. – Die "Zeit"-Leser in München, Köln oder Berlin brauchen sich nach dem Aufbruch der "Wochenzeitung" in den Lokaljournalismus keine Hoffnungen zu machen: Die Ambitionen der "Zeit" werden sich auf Hamburg beschränken, eine "Zeit" Berlin, München oder Köln wird es nicht geben.