Kulturmanagerin über Museumskultur

„Das Original ist unersetzlich“

10:17 Minuten
Marion Ackermann, die Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, steht im Juwelenzimmer im Historischen Grünen Gewölbe im Dresdner Schloss der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden.
Wenn Menschen nicht reisen könnten, müssten Kunstwerke zu den Menschen reisen - so sieht Marion Ackermann die Zukunft der Museen in der Coronakrise. © dpa / picture alliance / Sebastian Kahnert
Marion Ackermann im Gespräch mit Vladimir Balzer · 11.05.2020
Audio herunterladen
Keine Großausstellungen mehr, virtuelle statt realer Museumsbesuche: Die Coronapandemie könnte die Museumskultur nachhaltig verändern. Dass das Digitale jetzt im Mittelpunkt steht, sieht die Kunsthistorikerin Marion Ackermann zwiespältig.
Mal eben zur Rembrandt-Ausstellung nach Köln oder in den Prado oder einmal ins New Yorker Museum of Modern Art – all das ist auch nach der Wiedereröffnung vieler Museen in der Coronakrise auf absehbare Zeit schwieriger, wenn nicht sogar unmöglich geworden.
Dass mit der Wiedereröffnung nicht einfach alles wieder so ist wie früher, erlebt auch Marion Ackermann, Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. "Die Touristen fehlen, die Schulklassen fehlen, es sind kaum Kinder da. Da ist schon ein Riesenunterschied zu vorher", sagt sie. Allerdings habe ein Museumsbesuch unter den neuen Bedingungen auch Vorteile: "Wir haben ja so Einbahnstraßen erzeugt, besonders in der Galerie Alte Meister. Und das wird eigentlich sogar positiv wahrgenommen, weil die Aufenthaltsdauer dadurch sehr groß ist - also ziemlich lange, um durch das ganze Haus gegangen zu sein. Und man hat natürlich auch viel Raum für sich."

Wird sich die Museumskultur dauerhaft verändern?

Folgt man Ackermann, könnte sich durch die Coronapandemie die Museumskultur auf absehbare Zeit ändern. Bedeutet die Krise das Ende der Großausstellung? Werden Leihgaben wichtiger?
"Ich glaube, so ein Mittelweg", vermutet die Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. "Also dass man ein bisschen vielleicht von dieser fast Überproduktion und dieser Hektik dieses Hamsterrads, in dem wir uns im normalen Betrieb befunden haben, abgeht und Entschleunigung herbeiführt und sich mehr auf Sammlungen und das Wesentliche und Nachhaltigkeit konzentriert."
Die starke Betonung des Digitalen in der Museumskultur zu Coronazeiten sieht Ackermann durchaus zwiespältig: Einerseits seien in der Coronaphase die Grenzen des Digitalen besonders spürbar geworden und "die Kostbarkeit des Originals", sagt sie. Denn sinnliche Erfahrung lasse sich durch das Digitale nicht ersetzen.

Museen dürfen jetzt nicht provinziell werden

Andererseits seien virtuelle Treffen wie jüngst mit rund 50 Museumsdirektoren von vier Kontinenten extrem produktiv: "Diese vielen Zoom-Konferenzen, die wir machen, erzeugen eine Nähe und Effizienz, die unglaublich ist, die sogar noch in vielem in den Ergebnissen das übersteigt, was man in den physischen Treffen hat." Bei diesem internationalen Kontakt hätten sich Themen herauskristallisiert, die weltweit für alle Museumsmacher gelten würden - wie die Frage nach der gesellschaftlichen Rolle von Museen.
Denn diese richteten sich derzeit zwar vor allem ans lokale Publikum, dürften aber darüber nicht provinziell werden, warnt Ackermann. Vielmehr gelte es, den internationalen Geist hochzuhalten - auch gegen neue Tendenzen des Nationalismus und Rassismus. Dazu müsse man gemeinsame Projekte machen und neue Formate entwickeln: "Wir müssen unbedingt jetzt diese internationalen Brücken, die da sind, auch ganz stark mit Leben füllen und Corona trotzen."
(mle/uko)
Mehr zum Thema