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Zensur in Indien
Keine Lizenz zum Küssen

In Indien zensieren Behörden Presse und Filmbranche mit teilweise strikten Vorgaben. Zum 70. Jahrestag der Unabhängigkeit Indiens erklärte ARD-Korrespondent Jürgen Webermann im Dlf die Hauptgründe für die Einschränkungen – von denen auch James Bond betroffen ist.

Jürgen Webermann im Gespräch mit Stefan Fries | 15.08.2017
    Die indische Schauspielerin Plabita Borthakur posiert in Neu Delhi (Indien) bei einer Veranstaltung zum Kinostart ihres Films "Lipstick Under My Burkha".
    Proteste, wie hier der indischen Schauspielerin Plabita Borthakur, begleiteten den Filmstart von "Lipstick Under My Burkha" (dpa-Bildfunk / Nick Kaiser)
    Zwar gibt es in Indien freie Wahlen und das Land gilt als die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt, doch auch Zensur gehört hier zum Alltag - die Presse- und Meinungsfreiheit ist massiv eingeschränkt.
    Zum 70. Jahrestag der Unabhängigkeit Indiens von Großbritannien erklärte ARD-Korrespondent Jürgen Webermann im Deutschlandfunk die Hauptgründe für die Einschränkungen. Es seien vor allem die extrem konservativen Moralvorstellungen, so Webermann.
    "Filme dürfen nicht zu freizügig sein, auch Dialoge in Filmen dürfen nicht zu freizügig sein. Es ist auch immer die Frage, was für ein Thema adressiert der Film. Ein großes Thema: der Druck an Universitäten. Daraus wird schon mal ein politischer Skandal gemacht, selbst wenn das für uns wie eine Komödie erscheinen würde, so ein Film. Und so greift die Zensurbehörde wirklich in aller Regelmäßigkeit ein."
    Gekürzte Küsse
    Auch ein ganz prominentes Beispiel nennt Webermann: "Der letzte James-Bond-Film, da fielen die Küsse nur ansatzweise aus. Und ich habe mir sagen lassen, dass sie im Original viele Sekunden länger waren, als das, was ich zum Beispiel in indischen Kinos sehen durfte."
    Ein Problem sei, dass nicht nur die Zulassungsbehörde in Indien sehr rigide Empfehlungen erlasse, sondern auch Selbstzensur der Medienanbieter relativ weit verbreitet sei. Auf dem aktuellen Weltindex zur Pressefreiheit der Organisation "Reporter ohne Grenzen" steht Indien auf Platz 136 von 180.
    Von der Zensur betroffen sind nicht nur aus Sicht der Behörden unmoralische Darstellungen. Auch die Auseinandersetzung mit dem Kaschmir-Konflikt wird kritisch gesehen, ebenso wie feministische Themen.
    Proteste gegen Zensur
    So wurde der Film "Lippenstift unter meiner Burka" als zu "lady oriented", also zu frauenaffin eingestuft. Das hat in Indien eine riesige Debatte ausgelöst: über Zensur, Gleichberechtigung und männerdominiertem Denken in Bollywood. In der Folge wurde der Film freigegeben und der Leiter der Aufsichtsbehörde entlassen.
    Aber nicht nur die Filmbranche ist von der Zensur betroffen, auch für viele Medien sei die Arbeit generell schwierig, so Jürgen Webermann. "Wir ausländischen Journalisten haben teilweise sogar das Problem, dass man uns mit Visa-Entzug droht, wenn wir zu kritisch berichten", sagte der ARD-Korrespondent, der aus dem Studio in Neu Delhi berichtet. Als ein Beispiel nannte er den Fall eines britischen BBC-Journalisten, der ausreisen sollte, nachdem er kritisch über Vorgänge in einem Nationalpark berichtet hatte.
    Webermann betont aber, dass es gerade in der englischsprachigen Presselandschaft auch seriöse Qualitätsmedien gibt, die alle Seiten kritisch abbilden und investigativ recherchieren.