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Schach-WM in London
Die Remis-Weltmeister

Acht Partien, acht Mal remis - Titelverteidiger Carlsen und Herausforderer Caruana machen es bei der Schach-WM in London besonders spannend. Die Fans sind begeistert.

Von Jens-Peter Marquardt | 20.11.2018
    Magnus Carlsen (Norwegen) und Fabiano Caruana (USA) bei der Schach-WM in London.
    Magnus Carlsen (Norwegen) und Fabiano Caruana (USA) bei der Schach-WM in London. (Fetisova.Photos/FIDE/dpa)
    Am Ende der achten Partie nach vier Stunden Spielzeit einigten sich Magnus Carlsen und Fabiano Caruana zum achten Mal auf ein Remis. Für die erste Partie bei dieser Schach-WM hatten die beiden Kontrahenten noch sieben Stunden gebraucht, bis sie sich auf ein Remis verständigten. Diesmal ging es also schneller. Es hätte auch anders ausgehen können, denn Herausforderer Caruana stand kurz vor dem Sieg über Titelverteidiger Carlsen. Entsprechend fühlte er sich nach diesem achten Remis. Er sei am Ende doch enttäuscht, sagt Caruana. Denn an einem bestimmten Punkt sei er in einer sehr vielversprechende Position gewesen, so der US-Amerikaner.
    Rekord von acht Remis eingestellt
    Carlsen dagegen war nach der Partie erleichtert. Für ihn fühlte sich dieses Remis wie ein Sieg an. Das sei eine harte Partie gewesen, sagt der Norweger. Sein Gegner Caruana habe alle Chancen gehabt. Er sei glücklich, dieses Match überlebt zu haben, so Carlsen. Eines haben Carlsen und Caruana immerhin schon erreicht. Sie haben den WM-Rekord von 1995 eingestellt, als Garri Kasparow aus Russland und Viswanathan Anand aus Indien ebenfalls in den ersten acht Partien unentschieden gespielt hatten.
    Im Schachsport wird schon lange darüber diskutiert, wie man solche langen Remis-Serien vermeiden kann. Im Gespräch ist eine Art Tiebreak wie im Tennis - doch bisher gibt es solch ein abgekürztes Match erst nach der zwölften Partie. Deshalb könnten Carlsen und Caruana nun einen Rekord aufstellen: neun Mal unentschieden hintereinander bei einer Schach-WM. Der Begeisterung der Fans tut die Remis-Serie allerdings keinen Abbruch. Der 27 Jahre alte Titelverteidiger Carlsen wird in seiner Heimat verehrt wie sonst nur Skisprung-Olympiasieger. Das norwegische Fernsehen überträgt die Partien live.
    Eintrittskarten gelten eine halbe Stunde
    In London bildet sich jeden Nachmittag eine lange Schlange vor dem College, dem viktorianischen Prachtgebäude im Stadtteil Holborn. Die Zuschauer bekommen dort Zeitkarten. Eine halbe Stunde dürfen sie jeweils dabei sein, wenn Carlsen und Caruana über ihrem nächsten Zug grübeln.
    Zwischen den Fans und ihren Stars befindet sich dann nur noch eine riesige Glasscheibe. Davor die Zuschauer, dahinter Carlsen und Caruana in einem abgeschlossenen Raum. Nur für fünf Minuten dürfen Reporter und Fotografen hinein. Danach sitzen dort nur noch die beiden Schach-Spieler - bei exakt 22 Grad Celsius. Bei dieser Temperatur zieht der Norweger im Laufe der Partie sein Jackett an, und der US-Amerikaner zieht sein Jackett aus.
    Für jedes Unentschieden bekommen die beiden Kontrahenten jeweils einen halben Punkt. Jetzt steht es 4:4. Die WM ist entschieden, wenn einer der beiden 6,5 Punkte erreicht. Doch dafür müsste irgendwann einmal einer siegen.