Maren Kames: "Luna Luna"

Hypnotischer Nachtgesang

04:46 Minuten
Das Cover des Buches "Luna Luna" von Maren Kames
So ungewöhnlich wie die Poesie von Maren Kames ist auch die Gestaltung ihres Buches "Luna Luna": weiße Buchstaben auf schwarzem Papier. © Secession Verlag / Deutschlandradio
Von Michael Braun · 22.08.2019
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Den Zweitling der Schriftstellerin Maren Kames schlicht als Buch zu bezeichnen, wird ihm nicht ganz gerecht. Die lyrische Mondfantasie "Luna Luna" ist ein poetisch-musikalisches Gesamtkunstwerk: rasant, assoziativ und mit ganz viel Pop.
Maren Kames entfaltet in ihrem neuen lyrischen Werk "Luna Luna" eine sehr freie, mitunter wild assoziierende lunatische Fantasie. Es beginnt schon mit der Gestaltung des Buches: Die Grundfarbe des Papiers ist ein tiefes Schwarz, die weißen Buchstaben wirken wie funkelnde Sterne am Texthimmel.
Eine weibliche Stimme spricht in "Luna Luna" von den fundamentalen Erschütterungen und Spaltungen eines Ich, von den Hoffnungen und den Enttäuschungen einer Liebe – und von bedrohlichen Visionen eines Krieges.
"Luna Luna" ist ein Grenzgang zwischen dunklem Monolog, Wachtraum, halluzinatorischer Imagination und hypnotischem Nachtgesang, der anknüpft an Melodien und Songlines unterschiedlichster Pop-Größen wie zum Beispiel Annie Lennox, David Bowie, Portishead oder Tom Waits.
Als Protagonisten dieser lunatischen Phantasie – wenn man hier von Protagonisten sprechen kann – agieren zwei vieldeutig schillernde Akteure: eine Geisha und ein "Sheitan". Die Geisha als streng rituelle Gestalt der japanischen Kultur steht als schweigender weiblicher Machtpol den Umtrieben des "Sheitan" gegenüber, der hier als eine Art Dämon und Kobold beschrieben wird, der nicht nur lautlich mit dem "Scheitern" verwandt ist.

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Das lyrische Sprechen der Maren Kames ist in seiner assoziativen Sprunghaftigkeit, den schnellen Schnitten und Perspektivwechseln und der rasanten Kombination kühner Bilder stark geprägt von der Ästhetik der Musikvideos, aus denen der immer wieder in den Sprechgesang changierende Text auch schöpft.
An mehreren Stellen inszeniert Kames betörende Überblendungen der weiblichen Ich-Stimme, die ein Mond-Szenario imaginiert, mit Textzeilen suggestiver Pop-Songs. So kommt es mehrfach zu reizvollen Polyphonien und thematisch ungebundener Mehrstimmigkeit – und zur schwerelosen Drift der Bilder.
An einer Stelle bricht Schillers Ode "An die Freude" in den Monolog eines Soldaten ein, kurz darauf mischt sich David Bowies Song "Life on Mars" in die Mond-Fantasie des Textes. Am Anfang und am Ende des Buches sind es Lieder der britischen Kult-Sängerin Annie Lennox, die als dunkle Melodien vom Liebesverlust mit den "Luna Luna"-Sequenzen verschmelzen.
Ihre poetische Strategie hat Maren Kames bereits in ihrem Debüt "Halb Taube Halb Pfau" aus dem Jahr 2016 formuliert: "Ich möchte etwas, das unter Einsatz aller Register zustande kommt".
Ähnlich wie ihr erstes Buch ist auch "Luna Luna" nicht nur ein textuelles, sondern ein poetisch-musikalisches Gesamtkunstwerk:
"In meinen gloriöseren tagen bin ich ziemlich
lunar gewesen
und wahnsinnig rastlos,
in den gliedern krachend u griffig
im wipfel wild,
es rauschte
ich genoss
und litt
zeitgleich
immerzu…"

Maren Kames: Luna Luna
Secession Verlag, Zürich 2019
108 Seiten, 35 Euro

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