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ZERO-Ausstellung im Berliner Gropius-Bau
Phänomenen der Natur, Licht und Schatten

Im Gropius-Bau werden Werke der Künstlergruppe ZERO gezeigt, die sich ab 1963 nicht mehr mit wilden Gesten durch die Abgründe der menschlichen Seele wühlten. Sie widmeten sich den unbelasteten Phänomenen der Natur, Licht und Schatten, Farbe und Form.

Von Carsten Probst | 21.03.2015
    Der Künstler Heinz Mack kontrolliert am 12.03.2015 im Gropius-Bau in Berlin die Stelen seiner Installation. Heinz Mack hatte im Jahr 1957 in Düsseldorf gemeinsam mit dem Künstler Piene die ZERO-Bewegung gegründet, die sich als Neuanfang in der Kunst versteht. Im Gropius-Bau werden vom 21.03. bis 08.06.2015 auf 300 Quadratmetern rund 200 Werke von mehr als 40 Künstlern der ZERO-Bewegung ausgestellt.
    Der Künstler Heinz Mack kontrolliert im Gropius-Bau in Berlin die Stelen seiner Installation (picture alliance / dpa / Soeren Stache)
    "Zero ist die Stille. Zero ist der Anfang. Zero ist rund. Zero dreht sich. Zero ist der Mond. Die Sonne ist Zero. Zero ist weiß. Die Wüste Zero. Der Himmel über Zero. Gold und Silber, Schall und Rauch. Wanderzirkus Zero. Zero ist Zero."
    So heißt es im Manifest der Künstlergruppe ZERO von 1963, beschwörend und rätselhaft, ganz nach dem damaligen Geschmack der drei Protagonisten Otto Piene, Heinz Mack und Günther Uecker. Viel war in dieser Zeit von Freiheit in der Kunst die Rede, von neuer Autonomie, von der Reinheit des Lichts und der Farben. Schon der Name ZERO war Programm, sollte einen reinigenden Neubeginn der Kunst andeuten, die Stunde Null sozusagen, in Abgrenzung von den Kunstströmungen des Informel oder des Tachismus, die unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine expressive Innerlichkeit feierten, als sei nichts gewesen.
    Piene und Mack empfanden diese Innerlichkeit als belastet durch den Nationalsozialismus. Ihre Kunst wühlte sich nicht mehr mit wilden Gesten durch die Abgründe der menschlichen Seele, sondern widmete sich den als unbelastet, quasi unschuldig angesehenen Phänomenen der Natur, Licht und Schatten, Farbe und Form, spielerischer Kombination von Materialien.
    Bezüge zur Gegenwartskunst
    Das metaphysisch-spirituell angehauchte, futuristische Pathos dieser Bewegung mag aus heutiger Sicht schwülstig klingen, jedenfalls nicht nach einer Bewegung, die heute noch Aktualität für sich beansprucht. Aber wer diese historische Zusammenschau der ZERO-Zeit und ihrer zahlreichen assoziierten Künstler und Künstlergruppen abläuft, erahnt schnell ihre Bezüge zur Gegenwartskunst.
    Damit sind gar nicht einmal die historischen Großinstallationen aus verschiedenen Lichtapparaturen gemeint, wie der "Lichtraum" von Mack, Piene und Uecker, der erstmals auf der documenta III 1964 präsentiert wurde.
    Natürlich sind sogenannte Kunststars wie Olafur Eliasson heutzutage breite Nutznießer dieser Lichtkunst, die mit ihren kreisenden und blinkenden Licht-Schatten-Modulen ihrerseits die Licht-Raum-Experimente des Bauhauses wieder aufgreifen und fortführen wollten.
    Tatsächlich zeitlos aktuell aber wirken vor allem die kleineren, insbesondere die Relief- und Papierarbeiten, in denen sich alles um die Frage dreht, wie materiell oder immateriell eigentlich Lichterscheinungen wirklich sind. Wie sehr täuscht die menschliche Wahrnehmung, schafft eigene Strukturen, die sich bei längerem Hinsehen jedoch aufzulösen scheinen oder andere Muster und Strukturen hervorbringen als die ursprünglichen.
    Henk Peeters' Wandinstallation mit lauter wassergefüllten, kleinen Plastikbeuteln von 1966 beispielsweise wirkt wie ein großes geometrisches Tableau, aber ist eigentlich ein Spiel mit dem Formen des Formlosen, der Verfestigung von Flüssigkeiten, ein Spiel der Gegensätze, das mit einfachsten Mittel auskommt und dadurch die menschliche Wahrnehmung spontan umso mehr fasziniert.
    Heitere Bescheidenheit von Künstler und Publikum
    Ähnlich ist es mit seinen sogenannten Pyrografien, lauter schwarzen, mit gezielter Verbrennung erzeugten Punkten auf hellem Grund, die den Rauch in eine Struktur zu bannen scheinen.
    Heinz Mack versucht mit seinen modellierten Aluminiumreliefs etwas Ähnliches, nämlich dem Lichteinfall eine geometrische Struktur zu geben, die sich bei Wechsel der Betrachterposition immer wieder verändert.
    ZEROs Ziel ist ein Spiel mit der Flüchtigkeit, der Endlichkeit der Eindrücke – gegen einen bürgerlich-heroischen Kunstbegriff des einsamen Genies gerichtet, der in Deutschland spätestens nach der Wiedervereinigung eine etwas unvermutete Renaissance erfahren hat. Und gerade das verhilft ZERO bis heute zur Relevanz. Im Kampf der Kunstauffassungen steht ZERO – Pathos hin oder her – für heitere Bescheidenheit, sowohl der Künstler als auf beim Publikum.