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Ziel verfehlt

Seit dem Schuljahr 2011/12 gibt es in Bayern die Mittelschule. Nach dem Willen des Kultusministeriums soll sie den Rückgang der Schülerzahlen auffangen und Schulstandorte im ländlichen Raum sichern. Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband hält das Projekt für gescheitert.

Von Susanne Lettenbauer | 07.02.2013
    Die bayerischen Mittelschulen sind das Stiefkind des Kultusministers. So könnte man die Ergebnisse der heute vorgestellten Mittelschulumfrage zusammenfassen. Weil immer wieder Klagen von Lehrkräften der neuen Mittelschulen auftraten, ließ der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband BLLV im vergangenen Herbst rund 1000 Mittelschullehrer, Schulleiter und Referendare generell zur neuen Schulform befragen. Die Zahlen seien verheerend, sagt Gerhard Hüfner vom BLLV, der die Umfrage durchführte. Während das Kultusministerium verkündet:

    "Wir haben jetzt an der Schule mehr Förderkurse, Unterstützung für ausländische Schüler als im Vorjahr, sagen 82 Prozent: Das ist nicht der Fall, oder eine zweite Lehrkraft im Unterricht sind zu 73 Prozent nicht möglich, weil einfach die Lehrerstunden nicht da sind. "

    Während das Kultusministerium darauf verweist, über 2000 neue Lehrerstellen geschaffen zu haben, allein für das laufende Schuljahr, meinen 83 Prozent der Befragten, dass nicht mehr Zeit für Arbeitsgruppen und zusätzliche Angebote zur Verfügung stünden. Rund 83 Prozent der Lehrkräfte haben nicht das Gefühl, dass die Zahl der Unterrichtsausfälle verringert werden konnte.

    "Es sind 80 Prozent, die sagen, es waren schon am Anfang so wenig Lehrer da, dass die mobilen Reserven zum Schuljahresbeginn schon verplant waren, jetzt müssen die mit Ad-hoc-Vertretungen von Kollegen, wenn da einer krank wird und ausfällt, bewältigt werden. Also da hat sich im Vergleich zum Vorjahr überhaupt nichts verbessert."

    Das Projekt Mittelschule sei gescheitert, ist das Ergebnis der Umfrage:

    "Das sind eben auch nur 12 Prozent, die sagen, da hat sich was entwickelt ins Positive, aber es sind auch Dreiviertel der Befragten, die sagen, von Erfolgsmodell kann da nicht gesprochen werden. "

    Der Freistaat steckt tatsächlich in einem Dilemma. Einerseits geht er im ländlichen Raum an seine Grenzen, um den Erhalt der Schulstandorte zu sichern. An ländlichen Mittelschulen werden immer häufiger Klassen mit weniger als 15 Schülern genehmigt, das frisst Lehrerstellen. Andererseits fehlt es in den Städten mit hohem Ausländeranteil an Förderlehrern.
    Reinhold Meier leitet eine Grund- und Mittelschule im Landkreis Ansbach. Als Koordinator des Schulverbundes fühlt er sich inzwischen überfordert von dem Mittelschulmodell:

    "Uns fehlen die Lehrerstunden, uns fehlen die Förderstunden sowohl in den Regelklassen wie auch in den M-Klassen, die ja einen gleichwertigen Abschluss wie die Realschule anbieten sollen, aber wir haben beileibe nicht das Geld wie die Realschulen."

    Das Ziel des Kultusministeriums, die Schließung kleiner Volksschulen vor allem auf dem Land auf Biegen und Brechen zu verhindern, wurde zwar erreicht, sagt Mittelschulleiter Meier. Aber auf Kosten der Schüler.

    BLLV- Präsident Klaus Wenzel gehörte nie zu den Freunden der bayerischen Hauptschulreform. Das Schulsterben werde durch sie nicht verhindert werden können, betont der ehemalige Hauptschullehrer. Aber das Kultusministerium verschließe die Augen vor der Realität:

    "Egal was wir sagen, ob das jetzt mobile Reserve ist - wir sagen, es fehlen mobile Reserven, das Kultusministerium sagt, es ist genügend da. Wir sagen, es fällt zu viel Unterricht aus, das Kultusministerium sagt, das ist unter einem Prozent. Immer wieder gibt es diesen Widerspruch und diesen Gegensatz und deshalb haben wir gesagt, wir befragen jetzt mal die Hauptbetroffenen."

    Ein Ping-Pong-Spiel zwischen Lehrerverband und Kultusministerium, das sich in den vergangenen Monaten zugespitzt hat. Der Ton wird schärfer zwischen dem CSU-Minister und dem größten Lehrerverband Bayerns – das aber auf Kosten der Lehrkräfte. Es gehe ihm nicht um eine generelle Abschaffung der Mittelschulen, sagt Wenzel, Bayern solle nicht ein zweigliedriges Schulsystem einführen wie in anderen Bundesländern und wie im Wahlkampf von der bayerischen Opposition unter anderem gefordert.

    Eine umfassende Reaktion des Ministeriums folgte stante pede: Der Anteil der jungen Menschen, die an den Mittelschulen den M-Zweig besucht haben, liege deutlich über dem an den ehemaligen Hauptschulen. Von 2008 bis 2011 habe sich der Anteil der Schüler, die auf den M-Zweig für den Realabschluss gehen, von 700 auf 1400 nahezu verdoppelt. Trotzdem werde das Ministerium die Mittelschulumfrage des BLLV in das Monitoring zur Weiterentwicklung der Mittelschulen einsetzen.